Schule des Rades

Arnold Keyserling

Geschichte der Denkstile

4. Das theologische Denken

Christliche Dreifaltigkeit

Dreifältig offenbart sich die Gottheit:

  • in der Kraft des Vaters,
  • im vollendeten Bild des Sohnes,
  • im eigenen Bewusstsein als Heiliger Geist, aus dem der Mensch die Unterscheidung zwischen Führung und Verführung erfährt.

Hier deckt sich die christliche Vorstellung mit der hinduistischen, mit dem Unterschied, dass der Platz des Sohnes als der künftigen Vollendung des Menschen, also des Richtmaßes, in Indien durch die vielen Götter dargestellt wird, in der christlichen Offenbarung dagegen durch den geschichtlichen, Mensch gewordenen Gott.

Christus offenbart seine Göttlichkeit auf vierfältige Weise:

  • durch die Fähigkeit der Heilung,
  • der Totenerweckung,
  • durch die Auferstehung nach Kreuzigung und dreitägigem Aufenthalt in der Unterwelt,
  • und durch sein Erscheinen vor dem Apostel Paulus.

Der Mythos hat sich in ihm mit der Geschichte vereint. Nicht nur im traumhaften Nacherleben des Mysteriums wie in Eleusis, sondern im Verstehen des tatsächlichen Lebens, Lehrens, Sterbens und Auferstehens Christi findet der Gläubige die Gewähr, dass seine Religion Wurzel und Ziel seiner geistigen Existenz bedeutet. Daher war es dem griechischen und römischen logischen Denken auch möglich, von seiner erreichten Bewusstseinshöhe im Christentum die Rückbindung, die religio an die Transzendenz zu finden.

Doch diese Entwicklung kam erst Jahrhunderte später. Vorher wurde das christliche Geschehen gemäß den zwei früheren Denkstilen, dem kosmischen und dem mythischen Denken, interpretiert. Erinnern wir uns, dass in Ägypten bis zum Ende der Widderzeit das kosmische Denken die Herrschaft behielt, so verstehen wir, dass die verschiedenen Berichte über Leben, Lehre, Kreuzigung und Auferstehung Christi nach den Hauptsymbolen des Tierkreises gegliedert wurden:

  • das Matthäusevangelium wurde dem Wassermannzeichen zugeordnet,
  • das Markusevangelium dem Löwen,
  • das Lukasevangelium dem Stier
  • und das Johannesevangelium dem Adler-Skorpion.

Gleichzeitig wurde der Fisch als Kennzeichen des neuen Weltenmonats zum Symbol des Christentums; Fischer waren die ersten Apostel; Christus selbst verglich seine Auferstehung mit dem Wunder des Jonas, der drei Tage im Bauch des Walfisches verbracht hatte; und die Fußwaschung im Johannesevangelium betont die körperlich astrologische Entsprechung des Fischezeichens.

Arnold Keyserling
Geschichte der Denkstile · 1968
4. Das theologische Denken
© 1998- Schule des Rades
HOMEDas RAD