Schule des Rades

Arnold Keyserling

Geschichte der Denkstile

7. Das humanistische Denken

Jesuiten

Während der ersten Jahrzehnte schien es, dass der Siegeszug der protestantischen Kirchen, die mit Jan Hus in Böhmen und John Wyclif in England auf eine lange Vorbereitung zurückblickten, unaufhaltsam wäre. Sowohl die norddeutschen Fürsten als auch Heinrich VIII. von England nahmen die staatliche Lösung von Rom mit Begeisterung vor. Auch die romanischen Länder hätten sich bekehrt, wenn nicht die katholische Kirche die Gegenreformation vollzogen hätte, deren tragender Pfeiler der Jesuitenorden des Ignatius von Loyola war.

Von Anfang an lehnten die Jesuiten kirchliche Ämter und Ehren ab. Sie bezeichneten sich als Soldaten Jesu, wie auch ihr spanischer Gründer zuerst Soldat gewesen ist. Der Orden wurde nach militärischem Vorbild organisiert. Jeder Angehörige schuldete seinem Oberen und der Kirche absoluten Gehorsam; es galt, jeden möglichen Vorteil für die Kirche auszunutzen, indem man fremde und häretische Lehren bis ins einzelne studierte. Die Ausbildung erforderte einen Meditationsweg, welcher der buddhistischen Yogapraxis ähnelt: der Mönch meditierte die Bilder der Heilsgeschichte, bis er ihrer innewurde, ja sie visionär schaute.

Dieser Neubewertung des Bildes verdankt der Katholizismus der Gegenreformation seinen Wiederaufstieg, vor allem auch die künstlerische Ausprägung des Barock. Während im protestantischen Bereich das Wort und damit die Moral immer mehr in den Mittelpunkt trat und sich eine fast islamische Bilderfeindlichkeit entwickelte, gelang es der Kirche, über das Bild auch den Kosmos in ihre Schau einzubeziehen und somit das Anliegen der Renaissance ohne Bruch weiterzuführen.

Den Hauptakzent legten die Jesuiten auf die Stellung als Beichtväter bei mächtigen Herren und auf die Mission, bei der sie aber im Unterschied zu anderen Orden vom Studium der fremden Religionen ausgingen, deren Wert sie würdigten. So stammen die ersten genauen Berichte über indische und chinesische Philosophie von den Jesuiten.

Den Streit zwischen Humanismus und thomistischer Scholastik lösten die Jesuiten wie einen gordischen Knoten: ihre Mittelschulen folgten dem Vorbild des humanistischen Gymnasiums, und auf ihren Universitäten wurde das systematische scholastische Denken gelehrt, das dank der vertieften Kenntnis der antiken Überlieferung von überflüssigem Beiwerk gereinigt war. So brachte der Jesuitenorden eine Durchorganisation des katholischen Raumes, der sich damit in bewussten und kriegerischen Gegensatz zum protestantischen stellte.

Arnold Keyserling
Geschichte der Denkstile · 1968
7. Das humanistische Denken
© 1998- Schule des Rades
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