Schule des Rades

Arnold Keyserling

Urreligion Astrologie

6. Venus - Saturn

Forum und Atrium

V e n u s - S a t u r nEin Kunstwerk braucht einen Betrachter, ein Musiker einen Zuhörer, ein Kaufmann einen Kunden, ein Arzt einen Kranken. Damit eine Kommunikation entsteht, muss der Schriftsteller und Dichter gelesen, der Redner gehört werden. Dies verlangt einen Rahmen, der seit altersher als die Öffentlichkeit im Unterschied zur Intimität betrachtet wurde, römisch das Forum im Unterschied zum Atrium, im Horoskop die obere und untere Hemisphäre.

Die Berufsordnung ist der Bereich des achtfältigen Saturn. Wie man seinen Beruf ausübt im seelischen Empfinden, zeigt das achtfältige Umstandswort, das sich in einem Satz immer auf eine Frage offenbart:

Umstand des Ortes auf die Frage wo,
der Zeit auf wann,
der Art und Weise auf wie,
der Häufigkeit auf die Frage wie oft,
des Grades auf die Frage wie sehr,
des Grundes auf die Frage warum,
der Beschränkung auf wie viel und
der Modalität auf die Frage ist es so,
mit der Antwort vielleicht oder nicht.

Saturn zu integrieren erfordert die drei Stufen der Generation anzuerkennen. Im gegenüberliegenden IV. Haus des Mondes kann man die Vorfahren gefühlsmäßig nur durch Liebe integrieren. Saturn verlangt Strenge, Aufrichtigkeit, Genauigkeit, Pünktlichkeit, Pflichtbewusstsein. Wenn der Zusammenhang der Generationen gewahrt ist, dann haben wir ein goldenes Zeitalter; wenn nicht, droht Korruption und Grausamkeit.

Man muss an die Venus glauben, das andere Geschlecht wollen, dann hilft der Zufall oder die Fügung. Da alle Götter als jung und liebesfähig vorgestellt sind, so meint dies, dass der ewige Mensch, der Auferstandene jung und weise zugleich ist und jede Form annehmen kann.

Saturn im Horoskop ist nur negativ als Unterlassungssünde. Wenn man die möglichen Konsequenzen nicht beachtet, so hat man Unglück. Kämpft man gegen seine Eltern, so leidet die Psyche. Widerstrebt man der öffentlichen Ordnung, so scheitert man im Werdegang.

Saturn ist Verantwortung, Norm; Fähigkeit des genauen Erklärens, um andere anweisen zu können. Er ist aber auch in der Himmelsleiter Helfer des siebten geistigen Chakras, Kommunion mit den Elementargeistern, die das kollektive Glück, das Wohlsein bestimmen. In der Traumwelt tritt er oft als Gott Pan auf. Herrscht Bescheidenheit im wahren Sinn, dass jeder sich auf das beschränkt was er ist oder kann, dann kennt und lebt man die eigene Existenz in einer kreativen Gesellschaft; dann kann einem nichts Negatives passieren, das heißt nichts, was man nicht zum Guten lenken kann. Die astrologische ptolemäische Bedeutung von Jupiter und Venus als Wohltäter und Saturn und Mars als Übeltäter kam aus der feudalen Zeit, wo das Schicksal von Wohltätern und Gurus abhängig war; das bedeutet von der Menschlichkeit her einen Abfall ins negativ-tierische Überleben. Im Tierreich müssen Hierarchie und Besitz immer wieder bestätigt werden. Zeigt sich ein Alphatier als schwach, wird es entthront. Im Staat wird durch Verfassung und Recht die Kontinuität gesichert.

Aber des Menschen Ziel ist nicht auf Überleben abgestimmt, sondern auf Aufstieg in die geistige Lichtwelt. Die drei Saturnringe lassen sich mit den Stufen der Generationen und der Berufsordnung von Lehrling, Geselle und Meister vergleichen. Sind diese Reihen in Ordnung, dann gibt es keine öffentlichen Probleme.

Revolutionen bringen die Herrschaft des Hasses und des Todes, in der germanischen Religion der Dunkelwaltung. Wer sich dieser Richtung verschreibt, beschleunigt vielleicht eine negative Richtung, doch schadet sich selbst. Dann wird Saturn zum Bild des bösartigen kalten Greises, des Einbeinigen, der nur auf Macht und Moral steht. Wer nach law and order ruft, hat kein Vertrauen in die Gutartigkeit des Mitmenschen. Bedenken wir doch, dass Weihnachten als das Fest des Kindes, der Wiederkehr des Lichts und der Geburt des Göttlichen im Menschen auf den Anfang des Saturnzeichens Steinbock fällt.

Konzentration, Konsequenz ist sachlich notwendig, nicht emotional. Das jupiterische Verzeihen, die Gnade steht oberhalb des Rechts in vielen Kulturen. Wird aber die jupiterische Autorität zur Macht, wird Saturn der Schnitter Tod. Sichel und Hammer, Saturn und Jupiter zusammen prägen einen historischen Abschnitt von sechzig Jahren — fünfmal Jupiter und zweimal Saturn.

Wer nicht anknüpft, kann die Zukunft nicht gestalten. Zwar ist Seele die Dimension der Gegenwart, als einzige dem Bewusstsein zugänglich — die Vergangenheit ist nicht mehr, die Zukunft ist noch nicht — aber das Werk muss an der Vergangenheit anknüpfen. Die Vorfahren in der Familie sind nicht die Ahnen im Sinn der jungsteinzeitlichen, indianischen und pazifischen Religion. Diese sind die Lehrer der Menschheit, jene Toten, die man dadurch verehrt, dass man an ihrem Werk anknüpft und es vollendet, wie wir es am Beispiel von Konfuzius verkörpert finden.

Die Seele ist in der Gegenwart, wenn sie nicht die Tradition bleiartig verhärtet — die metallische saturnische Entsprechung — wie das bisher bei fast allen Offenbarungen der Fall war, sondern aus der Vergangenheit nur am Positiven anknüpft, damit das Gemeinwesen gelenkig bleibt und nicht versteift; denn Saturn Steinbock bestimmt die Artikulationen und Gelenke. Verantwortung geht nicht auf Wissen, sondern auf Können, auf Weisheit. Der Alte ist jener der anderen den Weg weisen kann, da er sich selbst schon in vielen Umwegen verloren hatte, bis er zu seiner Übersicht gekommen ist — zum oberen Chi, dem Shen.

Seelisches Empfinden gliedert die Öffentlichkeit nach Stellung und Kompetenz. Ohne Pflichtbewusstsein und Gewissenhaftigkeit, ohne Absage an die Trägheit, kann der Schritt von der Seele in den Geist nicht vollzogen werden. Bis 28-29 Jahren ist der Wachsende abhängig, dann beginnt die Verantwortung für die Familie und den Wohlstand. Erst nach 56 bis 60 wird die Verantwortung geistig, und kann die venusischen Werte der Kultur verewigen. Darum ist eine Gesellschaft, die die Alten nicht achtet, wie dies in Afrika, in Indien und bei allen Aborigines selbstverständlich war, zur kulturellen Sterilität verdammt.

Arnold Keyserling
Urreligion Astrologie · 1996
Enneagramm und Himmelsleiter aus der Sicht des Rades
© 1998- Schule des Rades
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