Schule des Rades

Wilhelmine Keyserling

Mensch zwischen Himmel und Erde

V. Heilige Zeit

Das Ost Fest

O S T
0° Widder
20. März, 17:07 — Das Fest der Offenbarung, der Erneuerung, Nullpunkt im Raum- und Zeitrad; im Chi, wo das Nichts in Etwas übergeht — Schöpfung. Im Tierkreis die Geburt des Einzelnen in seiner Sonderheit: Widder. Dieses Zeichen wiederholt im Jahr die Entfaltung und Prägung der ersten sieben Lebensjahre, in denen das Kind unverblümt seine Eigenheit der Anlage darstellt.
Mittwoch, 20. März 1985 · 17:13 MEZ
Wie können wir uns auf das Ost-Fest im Uranusjahr 1985 einstellen?

Verfügt über alle Mittel, um die Dinge zu ordnen, die euch gehören. Nach Bestandsaufnahme die neue Mitte betonen, die Wahrheit verkünden. Jeder finde seine Aufgabe, seinen Weg. Ihr seid aus dem Nichts zusammengehalten, es wird zur Glocke, die euch umgreift und schützt. Unter diesem Schutz tun, als ob es keine Gegner gäbe, weil sie euch nichts anhaben können. Sache – Ziel – Walten – Macht ausüben, ohne den Bogen zu überspannen, jeder als Vertreter nur seiner Selbst – so entsteht das neue Weltkonzert.

Wie können wir Bestandsaufnahme genauer verstehen?
Bestand hat was besteht. Was ist euer Reichtum? Nur aus dem Gegebenen lässt sich die Möglichkeit heimholen. Wenn ihr nicht wisst, was ihr habt an Macht, so nützt es nichts.

Ist es wichtig, dass wir uns aufschreiben, was wir an Wissen haben?
Nein. Wichtig ist zu wissen, wie ihr dasteht als potentiell Tuende; Wissen ist gleichgültig.

Betrifft es unser Können?
Nein, euer Wirken.

Wir sollen also aufschreiben, was wir bewirken können?
Nicht aufschreiben, nur bedenken; Aufschreiben schafft falsche Vergegenständlichung. Es handelt sich um den Mut zum Durchbruch, der durch die geistige Bestandsaufnahme befreit wird.

Wie können wir die Leere erreichen um zu empfangen?
Durch die Bestandsaufnahme. Was ihr seid und habt ist gut.

Können wir in den Richtungen eine Frage stellen?
Nein – nur Bestandsaufnahme.

Es gibt Richtungen nur in der Anrufung, dass die Götter kommen. Das Fest ist und bleibt der Osten, der diesmal die Bereitschaft zum kosmischen Einsatz ist.

Ist es, dass wir uns nachher unbewusst fragen, wer und was bin ich
und kann ich tun?

Nein. Das Wort Bestandsaufnahme ist der magische Schlüssel – nachher gibt es kein Denken, nur unschuldiges Tun.

Gibt es eine symbolische Handlung, die man zum Fest machen kann?
Es gibt eine, aber ihr müsst sie nur im kleinen Kreis der Berufenen machen: das Schwert. Für die anderen genügt das Wort Bestandsaufnahme, um die Verantwortung für das Wirken zu ergreifen. Du musst das Wort Bestandsaufnahme im Fest verkünden, alles andere geschieht unbewusst. Nachher ist der heilige Augenblick vorbei.

In den drei Tagen der Integration der Antworten begann ich zu ahnen, worum es geht.
Nach Arnolds Einführung beim Fest, sprach ich noch vor der Anrufung über dieses magische Wort; es geht also darum, zu entdecken und zu bestimmen, wo und wie ein jeder wirksam wird: Viele mögen gute Verkäuferinnen sein. Aber woran liegt es? Die eine kann überzeugen, die andere ist liebenswürdig und einfühlsam, die dritte hat Qualitätsempfinden und Unterscheidung der Waren etc. Oder: ich kann anderen Mut geben; der eine findet das richtige Wort, ein anderer macht es gerade über sein Schweigen oder die Initiative eines Waldspaziergangs.

Worin liegt meine eigentliche Wirksamkeit? Was ihr seid und habt ist gut. Also am Gegebenen anknüpfen, entdecken wann wir sind und haben. —
Freilich sind, wie sich bei den Monatsgesprächen herausstellte, viele von uns in Überlegungen über ihre Fähigkeiten und Unfähigkeiten verfallen und damit in Selbstkritik, Wirrnis und Depression. Einigen anderen wieder gelangen Bestands-abgaben; wegzulassen, was gar nicht dem eigenen Sinn entspricht.
Fast allen ist aufgefallen von einer Fülle von Geschehnissen angesprochen, ja bedrängt zu werden, die sich aber erstaunlich direkt abwickelten. Ein Freund beschrieb, wie der Abstand zwischen dem Zutuenden, das an ihn herankam, und dem Tun geschwunden war! Ja, im Einstehen des Wollens ist das so. Am Ostfest standen wir in der Achse des

Zukommenden
O
A C H S E
W
und des Ergreifens.

Die Bestandsaufnahme wurde im Ergreifen, von Tun zu Tun offenbar, das auch ein Selbstergreifen ist — dieses magischen Selbst — W — das sich dann im Zeitkreis im Widder persönlich auswirkt.
An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Das gilt auch für uns selbst. Oft ist das, worin man meint wirksam zu sein, nicht das eigentlich Kreative. Wo entspringt mir Freude, Licht, Kraft? Wenn ich deren Eigenart und besonders ihre Voraussetzungen bestimme, kann ich zu ihrer Vertiefung und Entfaltung beitragen.
Beim Zahnarzt ist es mir klar: wenn ich ihm sagen kann, wo, wann, unter welchen Umständen der Zahn schmerzt, kommen wir schneller ans Ziel, und ziehen nicht den falschen Zahn. Mit dem Wehtun geht es leichter als mit der Bestimmung des Wohltun, denn hier muss ich mich am Tun ertappen und alle Ichvorstellungen durchstoßen.

Die Frage, was will ich eigentlich, ist völlig irreführend. Wenn ich sie theoretisch zu klären versuche, falle ich wiederum in Vorstellungen. Ich kann sagen was ich möchte, kann aber nur tun was ich will; kann im Wollen sein, wenn ich tue — im Ja. Ein gewisses Nichttun kommt dem Tun gleich. Ja und nein der Entscheidung sind nicht lateral zu verstehen (auch in der Gehirnstruktur) sondern sagittal. Das heißt, die Richtung geht nach vorne oder verweilt bei sich. Ja und nein

JA
NEIN

sind immer Antwort auf das Zukommende. Der Krieger wartet auf sein Wollen (richtiger als auf seinen Willen). Warten ist diese dynamische Einstellung der inneren Leere, auch während äußerer Tätigkeit, in der sich das Zukommende als Keim der Erneuerung auch im gewohnten Rahmen offenbart.

Wir haben uns am Karfreitag in der Abenddämmerung, bei 15° Widder, zum Schwertritus im Erdheiligtum getroffen. Das Aufsichnehmen des Kreuzes ist Voraussetzung des Ergreifens des eigenen Schwertes. Das rituelle Schwert, das kein Blut vergießt, ist Symbol für den Einsatz des Lebens, um Himmel und Erde, Intention und Motivation zur Aufgabe zu verbinden. In diesem Zusammenhang wird Mut zur Tugend.

Der Ritus, der Arnold von Hyemeyohsts Storm vermittelt wurde, vereint die Visionsebene, auf der die Indianer lernen, sich unterscheidend zu bewegen, mit der Schwertsymbolik.

Nach vorausgehenden Riten der Waschung und Reinigung, der Anrufung der göttlichen Wesenheiten im Gesang, getragen von der Schwingung der Trommel, sucht der Adept die Richtung, in der er sich selbst mit offenen Augen im Spiegel sehen kann. Wenn er das geschafft hat, teilt er den Spiegel in der Mitte und ruft mit geschlossenen Augen seine Göttin, auf dass sie ihm sein Schwert zeige. Es ist ein aktives Hervorrufen, ein lautes Flehen. ja Beschwören der Vision, die dann durch seine empfangende Haltung Gestalt annimmt. Mehrere Schwerter können in der Vorstellung auftauchen; der Adept muss sein Schwert erkennen — Vorstellung und Vision unterscheiden — und es selbst ergreifen. Vielleicht wird er körperlich die Hand ausstrecken, vielleicht ist seine Absicht zu ergreifen so eindeutig, dass er es bereits in der Hand hält. Das Schwert, in seiner Gestalt, in der Weise wie er es empfangen hat, zeigt dem Krieger die innere Wesensart seiner Aufgabe, die ihm auch über die Richtungen angedeutet wird.

S c h w e r tEin solches Südschwert, das aufrecht ruht, mag dem Schwertträger andeuten, dass er in schlichter Unschuld, ohne Zugespitztheit die Achse Erde – Himmel sichtbar machen, den Menschen seelisches Vertrauen geben kann.
Ein Nordschwert, mit scharfer Schneide und Spitze, wird dem Empfänger vermitteln, dass die Essenz seiner Wirkung darin liegt, Unwissen von Wissen zu scheiden.

Ein Schwert des Ostens mag den Weg zur Offenbarung freilegen; — ein mondförmiges Schwert mit Edelsteinen besetzt — ein flammendes Schwert — ein Lichtschwert… Mit einem Schwert, das mit der Spitze auf dich weist, bevor du es ergreifst, wirst du dich selbst öffnen um weiter zu geben. Bilder der Vision verlöschen nicht; sie wirken einerseits unbewusst, andrerseits vermitteln sie von Mal zu Mal Aussage, wenn es die Verwirklichung im Leben erfordert.

Vielfältig waren die Bilder und Erfahrungen, die die Freunde um das Feuer sitzend schilderten. In einem Schweigen der inneren Verbundenheit und der ungesprochenen Bereitschaft, einander in der Aufgabe zu erkennen und zu bestärken, endete dieser Abend im Erdheiligtum.

Wilhelmine Keyserling
Mensch zwischen Himmel und Erde · 1985
V. Heilige Zeit
© 1998- Schule des Rades
HOMEDas RAD