Schule des Rades

Wilhelmine Keyserling

Mensch zwischen Himmel und Erde

V. Heilige Zeit

Das Nord-Ost Fest

N O R D - O S T
15° Stier
Die Kraftlinien sind Schwingungsströme, die von uns Anrufenden in die jeweilige Richtung ausgesandt, jene Wesenheit der Raumqualität einholen. Jeder von uns ist Mitte der acht Ströme über seine Sende- und Empfangsstationen, die Chakren. Gemeinsam spüren wir. im zahlreichen Kreis die Kraft, die vielfältig sich eint, ein gemeinsames Kraftfeld bildet, das wir dem Werk, der Entfaltung und Mitgestaltung am Leben unserer Zeit, widmen. Die gemeinsame Einstimmung und Intention ist das Wandelnde, auch wenn jeder von uns, mit unsichtbaren Fäden verbunden, den eigenen Verrichtungen nachgeht, wie es seiner Lage und Anlage, seiner Reife und Fähigkeit geziemt. Das Werk bleibt unsichtbar und trotzdem wird es immer mächtiger.

Unsere Fragen zur Besinnung auf das Fest:

Sonntag, 5. Mai 1985 · 15:42 MEZ
Was ist das Einzigartige, des Nordost-Festes 1985?

Die Frage muss lauten: dieses Nordost-Festes im Uranusjahr.

Dieses Jahr bedeutet die Verwirklichung im Menschlichen. So ist auch das Fest des Gestaltens im Werk, ein ganz anderes Fest; es bedeutet, dass jeder alle seine Kraftlinien öffnet, seine Wechselbeziehungen erkennt, die ihn mit den Wesen des All verbinden.

Während der letzten Jahre war dieses Fest noch nicht eingerastet, weil das Wissen nicht zugänglich war. Dieses Wissen ist wie in der Nacht unmerklich gekommen, gleich einer freudigen Epidemie, wo alle Menschen Dinge sagen, die sie früher nie gemeint hätten. Der Kampf ist bereits gewonnen im geistigen Bereich. Die Gegner der neuen Welt sind zerschlagene Tonpuppen, obwohl sie es noch nicht merken. Aber die anderen merken es und sie schreiten vorsichtig zum Heiligtum, das dunkel erstrahlt. Dunkel, weil nur jenen sichtbar, die das Auge hinter dem Auge haben. Dieses Jahr wird die praktische Nützlichkeit des Rades einleuchten; es ist kein großes Ereignis, sondern es wird so sein, dass alle es immer gewollt haben, und selbst jene, die dagegen waren, sich an diese Gegnerschaft einfach nicht mehr erinnern. Es ist wie der Wechsel einer Traumlandschaft; sie liegt weiter im Nebel, aber man findet sich tastend zurecht, trifft immer mehr die, die nahe an die Mitte kommen, und von dort geht es wie mit geheimen Boten mit Fackeln wieder nach außen zu seltsamen Plätzen, die ein unsichtbares Netz schaffen, welches mögliche Feinde niemals sehen können, weil sie im Augenblick, da sie angreifen wollen, blind werden.

Der Schwerpunkt ist auf dem Tun am Werk. Das Entscheidende im Maifest ist die Öffnung aller Kraftlinien, das Überwinden der Abgeschlossenheit, was nicht allen zugänglich ist, sondern nur jenen, die das Wagnis beginnen.

Gibt es ein Tun, dem wir uns besonders widmen können?
Jedes ist göttlich und gleichzeitig profan, durch die Öffnung nimmt es am Strahlenkranz der Gnade Teil. Mit Gewalt und mit Zartheit wirkt die Natur; bei Gewalt schnellen die Fäden zurück, aber wie bei der Mimose sind sie dann wieder aufgerichtet.

Was sollten wir gemeinsam tun? Städte bauen? Bücher schreiben? Vereine bilden? Die Zeit entfaltet sich nach ihrem Gesetz. Manchmal tun wir auch gemeinsam im Walten, Lernen oder jetzt, im Verstärken des Kraftfeldes. Die Stadt die wir bauen, ist die unsichtbare — Stadt der Kristalle — wir sind auch aus Licht gebaut. Selten können wir Wirkungen erkennen und schon gar beurteilen, aber wenn wir im Tun zehnfältig offen bleiben, dann wirkt die große Natur durch uns und wir mit ihr.

Die Feste dieses Jahres schienen uns immer astronomisch bedeutsam. Wir haben meist das Horoskop des Augenblicks vorher erstellt. Diesmal gab es am Vorabend die totale Mondfinsternis. Einige von uns verfolgten das Geschehen, soweit die Wolken es erlaubten, vom Stadtpark aus: Jetzt sind wir, mit unserer Erde, genau in der Mitte zwischen der strahlenden Sonne, unserer Wesenskraft, und dem verdeckten Mond, der Vorstellung oder Phantasie; beide sind unsichtbar. Wir sind dem Dunkel der Erde verbunden, ihrer schweigenden Wahrhaftigkeit, ihrer weisen Einfalt. Wir kamen uns auch recht einfältig vor, von Geistesblitzen unberührt, als wir da standen, nicht recht wissend, worauf wir warten.

Nun, ich wartete auf ein tieferes Verständnis, das mich so mir nichts dir nichts ergreifen sollte; eine Erwartung. Ja — der Krieger wartet auf sein Wollen, und das ist schließlich das Nichts. Die Erwartung, dass er pünktlich zum Abendessen heimkehrt — oder sich zum Rendezvous einstellt ist das Gegenteil des Wartens und lässt sich nur selten in dieses verwandeln. Einmal ist es mir vor Jahren geschehen. Es begann mit: Ich warte und bin sicher, du wirst kommen… Ich saß in einem Café in Paris; und dann wartete ich weiter, und besann mich auf das Wesen des Wartens, und war so leicht geworden, wie das Nichts im All, so schwebend, wie ein Stäubchen in der Luft; mit allem verbunden.

Am nächsten Tag, als wir im Erdheiligtum versammelt waren, sagte Arnold: Heute ist Konjunktion Mond-Saturn, in Opposition zur Sonne. Heute können wir, nach der gestrigen Mondfinsternis tatsächlich die Gelegenheit ergreifen, alle Linien zu den Wesenheiten der Welt zu öffnen. Kraftlinien verbinden uns mit allen Wesen. Alle Wesen warten darauf, mit uns in Beziehung zu kommen, weil sie nur über uns auf der Erde wirken können. Das Fest des Werks im Uranusjahr verlangt von jedem einzelnen, dass er seine eigenen Kraftlinien knüpft…
Das Bewusstsein, das auf uns zukommt, war in der Vergangenheit nur wenigen erreichbar, darum glauben viele, es sei ein besonderes. Es ist kein besonderes, es ist das Bewusstsein, das alle Menschen seit jeher miteinander verbindet und das verschüttet war. Es ist wie Schlacken, die jetzt von uns fallen. Es ist eine Heimkehr in die ursprüngliche Vielfalt aus falscher Vereinsamung. Das Werk der Erde verlangt jetzt den Einsatz von uns, und dieser Einsatz kann nur sinnvoll sein, wenn er nicht aus persönlichen Ideen kommt, sondern wenn er eine echte Inspiration aus dem Kraftstrom des Ostens darstellt.

Dann spürten wir die Erde unter den Füßen, unsere Achse von den Füßen bis zum Kopf, machten uns ganz empfänglich und locker, atmeten langsam durch die Achse bis in die Erdmitte hinunter, bis in den Himmel hinauf. Wir öffneten unsere Chakras im ausströmenden Atem, eines nach dem anderen. Dann spürten wir das 8. und 9. Chakra, unsere Aura, als Kontakt zwischen uns und der Umwelt.

Jetzt wandten wir uns dem Himmel zu:
Wakhan — unendliche Leere — unendliches Überall — Urgrund — erfüllt vom Urlicht — Urschwingung — Ursprung — Heilige Schöpfung — Skwan —
seid hier in unserer Mitte.
Und wir wandten uns der Erde zu:
Heiliger Grund — gib uns die Kraft der Wahrhaftigkeit.
Und nochmals der Himmel:
unendliche Leere — bergende Leere — Große Urmutter — Urvater — Ursprung des Seins —
und aus dem Ausgebreitetsein im All holten wir unsere Erfahrung mit dem hier in unserer Mitte in das Zentrum des Kreises ein und wandten uns dem Wesen der Erde zu:
Heiliger Grund — Erde die uns trägt — Scholle der Verwirklichung —
hier in unserer Mitte.
Und nochmals:
unendliche Weite — bergende Leere — überall — auch in uns — und Heilige Schöpfung — Ursprung des Bewusstseins —
seid hier in unserer Mitte —
und:
Heiliger Grund — liebende, weise Großmutter —
dieses sich Fallenlassen und Eintauchen in das Wesen der Erde und das Neugeborenwerden, das Auftauchen aus der Tiefe,
sei hier in unserer Mitte — jetzt.
In der Mitte:
Einender Einer — Mensch im All.
Dann begann der einfache Trommelschlag der Sekunde; wir wandten uns dem Osten zu (im Geiste): Wir öffnen uns dem Osten zu und rufen dich
Kraft der Erleuchtung — der Offenbarung — Kraft der Erneuerung —
sei in unserer Mitte
und unsere Kraftlinien bleiben offen.
Wir öffnen uns dem Westen zu — und wir bitten dich,
Kraft des Lassens und Ergreifens — Kraft des Einstehens —
sei in unserer Mitte —
und unsere Kraftlinien bleiben offen.
Zum Westen trug uns der doppelte Trommelschlag;
als der dreifältige erklang, wandten wir uns dem Süden zu, und öffneten uns, jetzt des dritten Chakras gewahr, der Kraft des Südens:
Kraft der Unschuld und des Vertrauens der Seele —
sei in unserer Mitte —
und unsere Kraftlinien bleiben offen!
Mit dem vierfältigen Rhythmus wandten wir uns dem Norden zu:
Kraft der Weisheit — Kraft der Erkenntnis —
in unserer Mitte.
Unsere Kraftlinien bleiben offen.
Das Fünfte sind wir — Mensch der Mitte — im Einenden Einen geborgen — das überall Mitte ist, Nichts und Urquell zugleich, Anfang und Ende in einem. Hier wird der Mensch selbst zum Einenden der Kraftströme. — Wir haben diesmal den Menschen als Mitte nicht eigens mit dem fünffältigen Trommelschlag ins Bewusstsein gerufen,
sondern wandten uns mit dem Sechserrhythmus dem Südosten zu: Wir rufen dich
Kraft der Erfahrung und Liebe der Vergangenheit — wir öffnen unsere Kraftlinien zu euch, Ahnen und Lehrer der Menschheit — helft uns, die Substanz eures Wirkens aufzunehmen, zu verwandeln — gebt uns die Kraft für unsere Richtung in das Unbekannte. — Wir wollen die Kraftlinien offen halten;
seid in unserer Mitte.
Jeder rief oder flüsterte die Namen seiner Helfer im Jenseits. Dann wandten wir uns mit dem Siebenerschlag der Trommel dem Südwesten zu:
Wir bitten euch, Lebenskräfte — Lebensträger — Helfer im Täglichen — Wahrer der Kontinuität von Leben und Tod —
seid hier in unserer Mitte;
und die Kraftlinien bleiben offen!
Wir öffnen uns dem Nordwesten zu — und rufen euch
Mächte des kosmischen Zusammenhalts — Mächte des Bestehenden im Wandel — Kräfte der Befriedung —
seid hier in unserer Mitte;
und die Kraftlinien bleiben offen.
Dem achtfältigen Trommelschlag folgte jetzt der neunfältige, mit dem wir uns dem Nordosten zuwandten:
Wir rufen euch, Erzwesen der Verwirklichung — an eurem heutigen Fest — auf dass wir das Geheimnis im Tiefschlaf, Traum und Wachen zusammenschauen und sich unser Auge hinter dem Auge öffne und wir teilhaben an der Verwirklichung —
seid in unserer Mitte.
Heiliger Einender Einer —
all unsere Kraftlinien bleiben offen —
auf dass wir als Menschen zwischen Himmel
und Erde leben und wirken können.

Dann legten wir einander die Arme um die Schultern, blickten uns im Kreise um und wünschten allen die Erfüllung dieser Intention.

Wir hatten verstanden, dass wir uns in der Gestaltung des NO-Festes — im Stier — nichts vornehmen, sondern alles geschehen lassen sollten. So setzten wir uns nun an die Tische oder in ihre Nähe, und erheiterten uns an der Formlosigkeit, die mir übrigens schon im letzen Jahr aufgefallen war. Damals hatte eine Gruppe Nachtwache gehalten, und statt auf venusartige Gestalten trafen die ersten Ankömmlinge — das Fest war am Vormittag — auf schlaftrunkene zerknitterte Individuen. Das Bild der Formlosigkeit ergab sich jetzt, da alle etwas für die gemeinsame Jause in Papiere gewickelt auf den Tisch gelegt hatten, wo sich nun jeder, den Wald von zerknitterten Hüllen durchsuchend, sein belegtes Brot zusammenstellte. Hier weichte die Butter, dort verbarg sich der Schinken im Pergament. Es schmeckte trotzdem vorzüglich und fehlte nicht an Wohlsein und Harmonie. Wir erfreuten uns am Beisammensein in der Natur, den frischen grünen Blättern, den vielen wilden Blumen, den blühenden Tulpen und dem Vogelsang.

Auch bei den Monatsgesprächen, die einige Tage später stattfanden, fiel mir auf, dass die Geschehnisse nicht sehr greifbar wurden, ja für mich kaum erinnerlich blieben; als ob wir im Berichten an das Eigentliche gar nicht herangekommen wären.

Ich selbst habe die Venus im Stier im zweiten Haus, und meine Sinn für Blumen, Formen, Gestalt und Gestaltung zu haben. Aber es scheint wirklich um das Auge hinter dem Auge zu gehen. Ich glaube. wir sind alle Seher; aber die innere Schau dringt meist nicht bis an die Oberfläche unserer Normalbewusstheit. Gewöhnlich schauen wir nur äußerlich und manchmal mag ein Umschalten passieren, und wir sehen wie von innen ganz anders. Das Umschalten können die meisten von uns aber nicht bewerkstelligen, und weniger noch gleichzeitig beide miteinander in Beziehung setzen. Diese Diskrepanz wird mir zur Forderung und so hoffe ich, es noch zu erlernen.

Viele mögen in diesem Monat tiefere Einblicke gehabt haben, aber wie wir auch von Don Juan wissen, entschlüpfen sie dem Zensor unseres Normalbewusstseins, wenn sie nicht unmittelbar an der Grenze der Erfahrungsschichten verbalisiert werden.

Ein schönes Beispiel des Sehens und Sehens erlebte ich, als ich von einem jungen Freund massiert wurde, der sich in seiner Kunst der Berührung nicht im üblichen Sinn mit dem Körper befasst, sondern vielmehr die für andere unsichtbaren Energieströme empfindet und schaut. Diesmal, im Monat Mai, deckte er mich gar vollständig mit dem Leintuch zu, um unter diesem liegende Stellen des Kopfes mit anderen Körperteilen in Schwingung zu versetzen.

Ein Tisch ist physikalisch auch nicht was wir sehen, sondern eine Unzahl schwingender Atome. Aber das können wir nur theoretisch zur Kenntnis nehmen. Mir wurde von meinem Schamanenfreund ein besonders für mich gefertigter Ring überbracht. Anfangs konnte ich keinen Gefallen an ihm finden. Nur allmählich beginne ich, das Unsichtbare an ihm zu schätzen und wir schwingen uns ein.

Die Venus schaut nicht so plump ins Gesicht, sagte mir der alte Astrologe Thomas Ring. Die niedergeschlagenen Augen der jungen Frau, in manchen Kulturen üblich, bedeuten nicht Schamhaftigkeit. Sie sieht mehr, wenn sie nicht direkt hinschaut. Wir meinen vielleicht, dass wir die Körperlichkeit besser kennen als den Bereich der Seele und des Geistes. Aber das Geheimnis des Lebens liegt in der Achse Stier - Skorpion, empfinden - Körper , NO - SW. Hier birgt der Schein eine Wirklichkeit, derer wir nur innewerden, wenn wir gleichzeitig als Wacher, Träumer und Schläfer schauen, also mit dem Seher und Wissenden in uns in Verbindung sind. Sollen wir uns darum bemühen? Ich meine, dass diese drei, wenn wir unsere Kraftlinien im Tun offen halten, zusammenwirken — auch wenn wir in Selbstvergessenheit nichts davon wissen.

Wilhelmine Keyserling
Mensch zwischen Himmel und Erde · 1985
V. Heilige Zeit
© 1998- Schule des Rades
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