Schule des Rades

Arnold Keyserling

Vernünftige Hermetik

3. Physikotheologie

Die hermetische Lehre ist also eine theologische Beschreibung des autosoteriologischen Wirkens des Absoluten. Wenn man Gott durch Natur ersetzt, dann werden die hermetischen Texte in heutiger Sprache verständlich; der göttliche Geist ist dann die ewige Tendenz der Natur zur Negentropie. Gott ist nicht der seiende Gott der Christen, sondern der werdende, dessen immanentes Bild der Tierkreis ist als astrologisches Bild dreifältiger Vollendung.

Durch Arthur M. Young und andere naturwissenschaftliche Pioniere ist der naturphilosophische Anspruch, der bei Schelling, Oetinger und Fechner noch romantisch blieb, logifiziert als eine mögliche sinnvolle Deutung der heute akzeptierten Kosmogonie, vom Quant bis zum pulsierenden All, indisch dem Atem Brahmas. Die Transmutation und Lichtwerdung — das Werk der Sonne und des Goldes — ist der Hintergrund allen Naturverständnisses, sobald die Frage nach dem Sinn wieder an die Stelle der Frage nach dem praktischen Erfolg einnimmt, der ja notwendig auf das irdische Leben beschränkt ist. So kommt die Gnosis letzten Endes aus der gleichen Wurzel wie die Alchemie, und verliert durch die heutige Kosmogonie ihren abstrusen und mythischen Charakter, den sie noch bei Schelling und C. G. Jung behielt.

Arnold Keyserling
Vernünftige Hermetik · 1999
Studienkreis KRITERION
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HOMEDas RAD