Schule des Rades

Arnold Keyserling

Evolutionstheorie und Religion

Gespräch Teil 5

F. K.
Der Mensch ist also seiner Natur nach genial. Der nichtgeniale Mensch ist ein degenerierter, ein geschädigter Mensch.
Die sogenannten Hochkulturen haben eine elitäre Struktur. Sie haben die allgemeine Genialität zerstört, die in der Stammesgesellschaft bis zu einem gewissen Grad erhalten war. Hochkulturen jetzt im Sinne von Zivilisation.
A. K.
So ist es.
F. K.
Also linkshirnorientierte Gesellschaften…
A. K.
Linkshirnorientierte, patriarchalisch orientierte Gesellschaften.
F. K.
Patriarchalisch deduktiv, kompetitiv, leistungsorientiert, sprachbestimmt, digital…
A. K.
Im Gegensatz zu matriarchalisch, kreativ, genial, analog, archaisch.
F. K.
Von den Kategorien der Wissenschaft sitzen ja auch die Mathematik, die Logik eher in der linken Hirnhälfte.
A. K.
Nein. Nicht die Mathematik. Nur das Rechnen! Mathematische Theorien sitzen rechts!
F. K.
Das heißt also: Einstein wacht in der Früh auf, und seine rechte Hirnhälfte sagt ihm: E = mc². Und dann rechnet die linke Hirnhälfte nach, ob’s stimmt.
A. K.
Genau. Einstein beschreibt selber im Gespräch mit einem Freund, dass er diese Formel entdeckte, als er sich vorstellte, was passiert, wenn er zu Sonne sause. Aus dieser Vision ergab sich die Formel. Es gibt keine einzige wissenschaftliche, künstlerische oder politische Entdeckung, die nicht als Inspiration empfangen worden wäre. Unsere ganze Kultur, wenn sie behauptet, dass Menschen durch scharfes Nachdenken zu Erkenntnissen kommen, macht sich etwas vor. Wenn ich imstande bin, mein linkes Gehirn in ein Handwerksgerät zu verwandeln, um eine Strategie anzuwenden, muss ich eine Strategie haben, die mir die rechte Hirnhälfte inspiriert hat. Und durch die Erkenntnis kommen die ältesten und die jüngsten Kulturen miteinander in Übereinstimmung.
Arnold Keyserling
Evolutionstheorie und Religion · 1999
im Gespräch mit Franz Kreuzer
© 1998- Schule des Rades
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