Schule des Rades

Wilhelmine Keyserling

Das Verständnis der Chakras in Beziehung zum Rad

Die Null im Urkreuz des Rades ist der unerschöpfliche Urgrund und Ursprung, der die neun Schöpfungsprinzipien birgt.

In Beziehung zu den Chakras ist die Null die Urenergie, jenseits von Ort und Zeit, im überall. Im Menschen aktualisiert sie sich siebenfältig in seiner kosmischen Flöte. Viele Energieströme und Energiezentren sind im Materiebereich des Körpers wirksam. Aber was wir sind — Materie, Energie, Information — unsere Identität beruht auf der Sieben, die sich in der Achse von unten nach oben, von der Erde zum Himmel reihen: den vier Wirkweisen, empfinden (Wahrnehmung), denken, fühlen, wollen in den drei Bereichen, dem Körper, der Seele und dem Geist.

Der Vergleich mit der Flöte ist ein anschaulicher. In der Schöpfung hat alles seinen Ort, seine Zahl, seine Schwingung. Die Flötenlöcher, Orte der Leere, sind Potentialitäten, die über Maß und Zahl eine bestimmte Schwingung hervorrufen, wenn es einen Bläser gibt — ebenso die Chakras.

Die sieben Komponenten des Bewusstseins im Denken rational zu unterscheiden ist erstmaliges Anliegen der Wassermannzeit, wobei die denkerische Unterscheidung zur Grundlage des Verständnisses der Erfahrung wird — wie ja auch die Unterscheidung der Komponenten anderer Bereiche des technischen Zeitalters ihre kombinatorische Verbindung zulässt.

Die Kenntnis der Chakras, wie wir sie heute in allen Yogabüchern dargestellt finden, ist uns aus Indien zugekommen — dem Kontinent des Körper-empfindens. Der Zusammenhang Körper — Energie ist der indischen Begabung unmittelbar zugänglich, obwohl er in allen Kulturen teilweise auftaucht. Diese unmittelbare Erfahrung wird im Hatha- und Rajayoga angestrebt. Die indische Zuordnung der Bilder — Elefant · Schlange · Lotusblüte — ist sicherlich bedeutsam aber allegorisch. Die Zuordnung der Farben des Regenbogens dagegen, einer Siebenersequenz zu einer anderen, kann als Korrespondenz die Kraft der Vision in die Realität einbinden.

Die Klärung der Ordnung und Rolle der acht Grundbegriffe im Rad wird aus den Analogien zu den Rechnungsarten, Dimensionen und den Attraktoren einsichtig. Die systemische Ordnung im Rad wird in sich und aus sich verständlich und berichtigt Zuordnungen vergangener Epochen.

Wenn wir nun im Rad die sieben Grundbegriffe, die Komponenten des Bewusstseins, im Nacheinander — Zeit ist Nacheinander — ablesen, finden wir den Aufbau der Chakras als potentielle Energien im Wirkfeld. Nach vorne wirken und handeln wir in unserer endlichen Welt. Die vier Wirkweisen in den drei Kraftfeldern verbinden sich zu einem Kraftstrom, der in der Wirbelsäule von unten nach oben und von oben nach unten verläuft — was unsere Verwandtschaft mit den Bäumen ausmacht.

Wir können diese Gelegenheit mental nachvollziehen, indem wir meditativ die Intention erwecken: im Muladhara (1) an die Wurzel der Wahrnehmungskraft (empfinden) zu kommen, diese im Swaddhistana (2) mit dem Ursprung der Denkkraft zu verbinden, im Manipura (3) alle festgefahrenen Emotionen durchstoßend, an den Born der Wunschkraft, der Anteilnahme zu gelangen, um diese Fühlkraft im Anahata (4) zur spontanen Entscheidung werden zu lassen, zu einem Wollen, das der Leere entspringend dem Lebensganzen und Weltganzen entspricht.

Im Vishuddha (5) können wir an diesem Ort den eigenen Körper und die Körperwelt als Born der Freude entdecken, um sie zum Quell der Freude zu machen, und in Verbindung zum Ajna (6) die Ichbilder durchstoßend in unseren Seelengrund eindringen, der uns den Reichtum der Kommunikation mit allen Wesen vermittelt, um letztlich im Sahasrara (7), der imaginalen Welt des Geistes, die Beziehung zum Ganzen, die Teilhabe am Ganzen zu erahnen. (Im Hathayoga ist das Gewahrwerden der eigenen Körperganzheit der erste Schritt zu jener Erfahrung.)

Auf diese oder ähnliche Weise können wir uns die Siebenfältigkeit der Chakras ins Bewusstsein rufen. Freilich sind sie auch unbewusst in jedem Akt der liebenden Zuwendung verbunden.

In der Arbeit mit Gurdjieff, meinem ersten Lehrer, spielte die Unterscheidung der Sieben, besonders der vier Funktionen eine wesentliche Rolle. Ich habe sie später in den Chakras integriert und meinen Schülern weitervermittelt.

In der Begegnung mit nordamerikanischen Indianern und ihrem Sacred Count ist uns die Qualität der Raumrichtungen bewusst geworden. Sie standen schon lange, zusammen mit den Trigrammen auf der Tafel, wir wussten aber mit der Information nicht viel anzufangen. Die indianischen Freunde haben ihre Wesenheit in unserem Bewusstsein zum Leben erweckt; das Verständnis hat sich immer weiter geklärt und vertieft.

Die 8 Richtungen weisen ins Unendliche, aber sie beginnen hier just here sagt Don Juan zu Castaneda; eine ungeheuerliche Information — wenn du dies bloß verstündest — so ungefähr lautet der Satz, der mich tief beeindruckt hat. Die Richtungen verbinden endlich und unendlich. Sie sind acht Kraftlinien verschiedener Wesensart, die die Erde tragen, und wo immer wir ihrer bewusst werden, sind wir in ihrer Mitte.

Die Himmelsrichtungen dienen nicht bloß der Orientierung auf der Erde und im Tierkreis. Nicht umsonst heißen sie Himmels-Richtungen. In Verbindung von unendlich mit endlich wird der Raum wieder zum Heiligen Raum, der über die Achse oben und unten zehn Richtungen aufweist.

Wenn wir uns dem Himmel zuwenden, weiten wir uns im unendlichen Überall, der absoluten Leere, dem Urgrund, erfüllt vom Schöpferischen, sich selbst Zeugenden, dem Ursprung — beide geeint in Jenem, jenseits der Vorstellung. Und doch: In jedem Zeitalter braucht das Göttliche einen neuen Namen, dem Vorstellungsvermögen der Zeit entsprechend, um die Kommunion mit seiner Wesenheit zu ermöglichen.

Wenn wir uns in unserer Achse in das Herz der Erde versenken, erreichen wir die Mitte des Endlichen.

Wir können die acht Himmelsrichtungen als Kraftströme aus dem All erleben, wenn wir uns der Achtfältigkeit in Beziehung zur Mitte, wie im Steinkreis des Erdheiligtums, bewusst machen und uns der Mitte zuwenden. Dann empfangen wir in unserem Energiefeld von rückwärts, um nach vorne im Wirkfeld zu handeln.

Die Wesensart der Richtungen habe ich als Wesenheiten in meiner Schrift Der heilige Raum beschrieben. Ein andermal sind sie in einer Botschaft als Fenster zum All dargestellt und ihre Wesenheit als Engel bezeichnet:

O
Der Engel des östlichen Fensters eröffnet den nächsten Schritt, die führende Vision.
W
Der Engel des westlichen Fensters nimmt die Angst vor dem Tod und gibt die Kraft, für sich nackt einzustehen.
S
Der Engel des südlichen Fensters gibt Vertrauen und Unbekümmertheit.
N
Der Engel des nördlichen Fensters findet immer wieder die Dunkelheit, um das Licht aufzunehmen und in Weisheit zu handeln.
SO
Der Engel des südöstlichen Fensters zeigt, an wem du anknüpfen kannst, welche Linie der Vergangenheit von dir verlangt, sie fortzusetzen.
SW
Der Engel des südwestlichen Fensters bringt dir Glück, lässt dich das Unmögliche wagen, wodurch ein neues Bild in die Wirklichkeit tritt.
NW
Der Engel des nordwestlichen Fensters sorgt dafür, dass kein Mensch auf der Erde, aber auch kein anderes Lebewesen vernachlässigt wird.
NO
Der Engel des nordöstlichen Fensters offenbart die persönliche Mitwirkung am Werk und lässt euch verstehen, wie der eigene Sinn für andere nützlich werden kann.
Mitte
Der Engel der Mitte trägt das Gesicht des Menschen im All und alle Engel sind ihm zugewandt. Aus dieser Mitte des Einenden Einen hebt jede Arbeit an.

Wesenheit, wie für den Schamanen der Geist des Feuers, der Gewässer, der Winde, ermöglicht im Bewusstsein die Kommunikation.

Aber gehen wir zurück zum Rad und den Chakras. Die Richtungen sind auch Faktoren der endlichen Welt, aus der Beziehung Erde-Sonne-All hervorgegangen. Wir wollen nun die Raumzahlen im Rad in Beziehung zu den acht Grundbegriffen und I Ging-Trigrammen ablesen. Um uns im Raum zu orientieren, schlagen wir notwendig das Kreuz; damit ist die Form des Quadrats gegeben: Raumquadrat, Zeitkreis. Die Null verräumlicht sich in der Eins — Osten 1, 2 der Westen, 3 Süden, 4 Norden, 5 Mitte.

In 1 O kommt uns die schöpferische Kraft des Gewahr-Seins zu.
In 2 W trägt uns das Wollen;
in 3 S die reine Kraft der Seele,
in 4 N das verbindende Denken.

5 Mitte der Ort des empfangenden Menschen.

6 SO verbindet uns mit dem Geist der Ahnen,

7 SW mit den Lebenskräften und den Helfern im Diesseits der Körperwelt,

8 NW fühlen — öffnet die Brücke zu den kosmischen Helfern, den Engeln,

9 NO empfinden — birgt die Beziehung zu den Wirkkräften des All (Musen).
In 10 Mitte wird der Mensch seiner Herkunft im All bewusst.

Betrachten wir nun den Einklang der Raumfaktoren mit jenen der Zeit im Wirkfeld, in Beziehung zu den sieben Chakras, ergänzt durch die Zentren 8, 9, 10 des aufrechten Menschen.

In den Heilungsvorgängen berücksichtigen unsere indianischen Freunde zehn Energiezentren im menschlichen Körper. Ein bekannter österreichischer Maler hatte eine seltsame Erfahrung des automatischen Zeichnens. In erstaunlicher Geschwindigkeit wurde seine Hand geführt, um menschliche Figuren darzustellen, die an den Knien und Füßen kreisrunde Chakras aufwiesen. Ihre Bedeutung war ihm damals unverständlich. Was sollte ihm dieser Hinweis sagen?

Chakras


im Wirkfeld empfangend
1 empfinden / wahrnehmen Gewahrsein / das Schöpferische

Ist das unassoziative Wahrnehmen von der schöpferischen Kraft der Erleuchtung getragen? Hilft uns diese Eingebung die Welt zu erkennen wie sie ist?
2 denken wollen

Der unmittelbare und nächste Denkschritt (wie in den martial arts) aktualisiert sich durch die Kraft des Wollens.
3 fühlen Seele

Auf der Kraft des Vertrauens der Seele beruht die freudige Anteilnahme im Fühlen.
4 wollen denken

Die Denkkraft, die uns vom Norden über den Polarstern zukommt, erfasst die gesamte Situation, und befähigt aus dem Überblick unvoreingenommen zu entscheiden (wollen).
5 In fünf ist der Mensch nicht nur allseitig empfangend, sondern stellt sich dem Leben in seiner Inkarnation; damit gibt er sich zurück, steht im Austausch, und alle Wesen freuen sich über seine Bereitschaft.

Mit den Wesenheiten 6, 7, 8, 9 zu verkehren, sie als gleichwertige Quellen der Fülle zu erleben, ist uns noch fremd. Aber im Bestreben der ganzheitlichen Schau nähern wir uns den Indianern und Schamanen, für die alle Wesenheiten des Kosmos eigentlich eine große Familie bilden. Die Abgeschlossenheit der Weltbilder der Fischezeit, so wie die eigene Menschwerdung mit 1, 2, 3, 4, 5 sind nicht mehr im Vordergrund. Das Wirken des Menschen als kosmisches Individuum verlangt 6, die Beziehung zu den Ahnen als Lehrer der Menschheit, 7, zu den Naturgeistern — Körper — den Helfern im täglichen Leben, um Mut und Ausdauer, Heiterkeit und Gelingen zu haben, zu 8, den Engeln, den Boten aus dem Jenseits, Mittlern zwischen dem Endlichen und Ewigen, und letztlich 9, den Mächten des kosmischen Zusammenspiels, den Wirkkräften im Wandel als Inspiratoren im neunfältigen Tun — deren Eingebung bei uns auf die Kunst begrenzt, den Musen zugeschrieben wurde. Aber heute, wo jeder Erwachsene in seiner Medizin, sei es über Erziehung, Buchhaltung, Handwerk eine Kunst ausübt, zum Meister werden kann, heute, wo das geplante Zusammenwirken in Beruf und Staat zusammenbricht, wird jedem die Beziehung zu den Wirkkräften des All neue Möglichkeiten, neue Kombinationen im Tun eröffnen.

6 Seele Geist

In sechs entfaltet sich das Ich getragen vom Geist der Ahnen, gründet auf der Geistesgeschichte, wird zum Glied der goldenen Kette.
7 Geist Körper

In sieben erfasst der Geist die körperliche Realität, die Materie, wird von dieser getragen (wie es auch der Kopfstand des Hathayoga andeutet). In sieben stehen dem Menschen die Erdnahen, die Elementale bei, wenn er ihre Eigenart erkennt und Gemeinsamkeit mit ihnen anknüpft.

Mit sieben hat der Mensch die Komponenten seines Bewusstseins im eigenen Kraftfeld des Leibes verbunden. Der Aufrechte wendet sich nun in acht einem weiteren Zusammenhang zu.

8 fühlen

In 8 des Raumes geht es im Fühlen nicht mehr um Partnerschaft und Familie, oder persönliche Wünsche. Dieses Fühlen birgt und verwirklicht die Sehnsucht der Einstimmung in das Ganze, mit Hilfe der Engel selbst Brücke zu werden, um im diesseitigen Tun den Himmel auf die Erde zu bringen.
9 empfinden

Der Schreitende wird in seinem Mitwirken am Ganzen von den Wirkkräften des Kosmos getragen.
10 Zehn ist die Zahl der Vollendung, der potentiellen höchsten Möglichkeit, wie sie uns in den Begriffen Schönheit, Wahrheit, Güte vorschwebt. Zehn ist auch die Zahl menschlicher Vollendung im Sinnbild des Menschen im All. Als Chakra ist es das höhere Selbst das jenseitige Subjekt, das sich im Körper integrieren will, aber auch entschwebt, wenn die Umstände dies nicht zulassen.

Elisabeth Kübler-Ross beschreibt dieses wahrnehmende Subjekt aus Berichten von Menschen, die zufolge schwerer Unfälle an der Grenze zwischen Leben und Tod mit diesem Subjekt identisch waren, und die Trennung vom Körper in Seligkeit erfuhren.

Die Zehn steht auch im pythagoräischen Zahlenkreuz außerhalb.

Mein Unterfangen, den Zusammenhang dieser Zeit- und Raumfaktoren in seiner unzähligen Vielfalt der Auswirkungen in Worte zu fassen, ist freilich keine Festlegung, sondern vielmehr eine Anregung zu weiterer Betrachtung.

Über eine Botschaft zu den Festen im Erdheiligtum wurde uns nahegelegt, die Zeitqualitäten der Himmelskörper als Himmelsleiter in Beziehung zu den Richtungen und Chakras zu erleben.

Die Zeitmaße der Umläufe stellen eine neutrale Schwingung dar, die nicht wie die Planeten im Aspektgefüge des Tierkreises eine ganze Skala der Wirkungen von erfreulichen bis unerfreulichen hervorrufen können. In ihrem Zeitablauf zeitigen sie nicht, bewahren aber dennoch ihre abstrakte Sonderheit und Wirklichkeit. Der Vogelflug ist nicht der Vogel, hinterlässt aber eine ganz bestimmte Spur, die die Schwingung des Vogels in sich trägt und nicht auszulöschen ist.

Die Himmelsleiter
H i m m e l s l e i t e r
  1. Im Muladhara spiegelt die Mondlichkeit, die Idee des Vollmondes die Realität der Vision des Ostens.
  2. W Durch die Exaktheit des Merkurischen trifft der nächste Schritt ins Ziel.
  3. S Auf der dritten Stufe fördert die unsichtbare Wesenheit der Venus Wachstum und Entfaltung.
  4. N Das Sonnenhafte verleiht dem Anahata Strahlkraft.
  5. Mitte Die erneuernde Initiative, in der Marsbahn geborgen, kann der Menschwerdung dienen.
  6. SO Über die jupiterische Schwingung integrieren wir uns in die Welt der Ahnen.
  7. SW Die Lebensumstände bewältigen wir gemeinsam mit den Elementalen über den Saturnumlauf als siebte Stufe der Himmelsleiter.
  8. NW Uranus, der als Zeitmaß den Werdegang des menschlichen Lebens umfasst, lässt uns die Beziehung zu den Helfern im Jenseits erkennen.
  9. NO Im Sinne des Neptun ist der Mitmensch in allen Schritten der Verwirklichung einbezogen.
  10. Mitte der Plutoumlauf — Geist des Bewegenden im Vorgang der Verwirklichung — hier an höchster Stelle, der Zehn, die null und eins verbindet, was mag uns die andeuten? Die Teilhabe und Mitwirkung am letztlich unerforschlichen Ganzen? Wie können wir in Ehrfurcht und mit Intuition mit unserem Entwurf am Ganzen mitwirken? Diese Zehn als Plutobahn bleibt das Ideal des Zeitalters der Mitarbeit, das wir mit unserem Leben beantworten.
Wilhelmine Keyserling
Das Verständnis der Chakras in Beziehung zum Rad · 1996
© 1998- Schule des Rades
HOMEDas RAD