Schule des Rades

Hermann Keyserling

Das Buch vom persönlichen Leben

VI. Weltfrömmigkeit

Deutsche

Doch wir müssen der Sonderpsychologie des heutigen Deutschen noch näher nachgehen, ehe wir uns dem Grundsätzlichen zuwenden, welches der eigentliche Gegenstand dieses Kapitels ist. Wir sagten, der Deutsche sei in den Tiefen seiner Vitalität der wesentlich Unfertige: daher seine Romantik, die besondere Stimmung seines Idealismus; daher die Maßlosigkeit seines Idealisierens, seine Maßlosigkeit überhaupt. Daher seine besondere Weichheit, welche ihn einerseits schwach, andererseits aber und für die Dauer dem Harten überlegen erscheinen lässt. Nie hält der typische Deutsche, wie er sich im Volkscharakter spiegelt, durch, so wie dies Franzosen und Briten tun. Jedem Drucke gibt er zunächst einmal nach, er stellt sich um, fällt um, schaltet sich gleich. So sehr er sonst Individualist ist — sobald eine starke Bewegung Spannungen schafft, welche ihn in Mitleidenschaft ziehen, fühlt er sich gedrungen, mitzumachen, und fragt jeden Selbständigen erstaunt: Sie wollen sich doch nicht außerhalb stellen oder abseits stehen? Der typische Deutsche kann, im Gegensatz zum aus der Art geschlagenen Luther, immer auch anders. Diese Anlage hat freilich ihre sehr großen Schattenseiten, auf welche wir später zu sprechen kommen werden. Aber andererseits ermöglicht sie es dem Deutschen, nicht zwar durchzuhalten, wohl aber durchzuleben, was kein anderes Volk ertrüge. Weltkrieg, Versailler Vertrag, Inflation, Ruin, Erniedrigung, Schmach, Demoralisation — jedes andere Volk wäre am hundertsten Teile solcher Prüfung zugrunde gegangen. Statt dessen erstand das Deutsche nur vierzehn Jahre nach Kriegsende und mitten in und aus der Not verjüngt, verwandelt und dermaßen zukunftsgewiss, dass, nach den Äußerungen vieler Nationalsozialisten zu urteilen, viele in Deutschlands Unglück heute schon ein Glück sehen. Wirklich wäre das, was 1933 siegte, ohne alles Vorhergehende ganz und gar unmöglich gewesen. Denn nicht in der Gegenbewegung gegen Versailles und dessen Folgen liegt das historisch wirksame Wesen des Nationalsozialismus, auch nicht in der Weltanschauung, die er vertritt, sondern in dem neuen Menschentypus, in der unter Hochdruck entstandenen neuen psychochemischen Verbindung, die mit ihm zur geschichtlichen Macht zu erwachsen begonnen hat. Also ist auch das Eherne und Harte am Nationalsozialismus das Geschöpf eben der ursprünglichen Weichheit, welche den Deutschen einige Jahre entlang bewog, sich allzuviel gefallen zu lassen. Von hier aus erscheint sogar die typisch deutsche Untreue nicht als Hemmnis auf dem Wege seines Aufstiegs. Einen gleichen äußeren Zustand hält der Deutsche, der sich als Volkstypus — was immer von Minoritäten gälte — an erster Stelle mit dem Germinalen in sich identifiziert, welches dauerndes Wachsen und Sich-Verwandeln bedingt, nie lange aus; irgendeinmal findet er alles besser als das, was heute ist. Das tut er jedoch nicht als rerum novarum studens, aus Neubegier oder Abwechslungsbedürfnis, sondern weil er im Wachstumsprozess in seiner Tiefe faktisch anders geworden ist; die äußere Form, die aus einem früheren Zustand geboren ward, bedrückt ihn jetzt. Ist nun der Deutsche in der äußeren Lage, sich zu wandeln, dann belastet ihn innerlich keinerlei Vergangenheit. Sie kann ihn gar nicht beschweren, denn zu dem, welcher er jetzt ist, gehört sie wirklich nicht. Und wie sehr es sich bei jeder solchen Wandlung für das deutsche Bewusstsein um eine richtige Neugeburt handelt, beweist allein schon die immer wiederkehrende Vorstellung, dass nach einer Krise alles vollständig anders werden, ein völlig neuer Mensch entstehen müsse und werde. Solche Vorstellung ist keinem anderen lebenden Volk auch nur verständlich, geschweige denn geläufig. Sie kann nur echt sein als Ausdruck gefühlter wesentlicher Ei-Haftigkeit.

Ein Volk, das so ist, ist freilich ein Volk des Werdens, nicht des Seins; und sein tiefstes vitales Wesen ist dermaßen dynamisch, dass es kein Wunder ist, wenn sein bloßes Dasein, ob im Zustande noch so großer momentaner Ohnmacht, festgelegte Völker leicht erschreckt. Doch dieses Erschrecken ist, im großen beurteilt, nicht gerechtfertigt. Der deutsche Dynamismus mag sich zeitweilig noch so aggressiv, turbulent und gewaltsam gebärden — als Dauererscheinung ist er nicht der des feuerspeienden Berges, sondern des wachsenden Embryos; sein Wesen ist also weich. Man führe hier ja nicht den Kriegersinn, den Unternehmungsgeist, und schon gar nicht die Tüchtigkeit dagegen an: weich ist beim Deutschen das tiefste Wesen, und dieses äußert sich am wenigsten in äußerer Betätigung.

Hier stehen viel festverwurzelte Vorurteile rechtem Urteil im Weg, die wohl hauptsächlich auf den Glauben zurückgehen, Deutsche seien die Urheber und Durchführer jener Völkerwanderung gewesen, welcher das Römische Reich zum Opfer fiel. Heute steht fest (vgl. besonders Gautiers Geiserich, deutsche Ausgabe, Frankfurt a. M. 1934. Societäts-Verlag), dass die eigentliche Völkerwanderung überhaupt nicht von den Westgermanen, den Vorfahren des heutigen Deutschen ausgegangen ist; die waren auch damals nicht wesentlich anders, als sie heute sind, und nichts lag ihnen ferner, als das Römische Reich zu zerstören; sie waren vielmehr dessen bewährteste Verteidiger. Sämtliche zerstörerischen Germanenzüge gingen von den Ostgermanen, den Goten und Vandalen aus, ursprünglich reinen Skandinaviern der Art, wie es zuletzt die Normannen waren, die sich jedoch von Jahrhundert zu Jahrhundert immer mehr mit Alanen, Sarmaten, Skythen und anderen Stämmen, mit denen sie jahrhundertelang, bevor sie gen Westen aufbrachen, in Südrussland, Polen oder Ungarn zusammenlebten, vermischt hatten. Das waren wesentlich keine Deutschen. Sie waren auch weder germinal noch weich. Demgegenüber war der richtige Deutsche von jeher gerade als Kriegsmann innerlich besonders weich. Das bedeutet die Eigenschaft der Milde, welche die Überlieferung urdeutschen Helden typischerweise zuerkennt, Gleiches das typische Höherstellen des Rechts gegenüber der Macht, das allein die eigentümliche Struktur des deutschen Mittelalters erklärt. Diese Ureigenschaft der Weichheit des deutschen Kriegers erlebte 1917/18 ihren Extremausdruck. Gegen Ende des Weltkriegs, da nicht mehr der Berufssoldat mit seinen anerzogenen Normen die Atmosphäre bestimmte, wurde nur noch ganz selten gegen Deserteure, Kriegsdienstverweigerer, Feiglinge usw. gemäß der ganzen Härte des Kriegsrechts vorgegangen. Der deutsche Kolonisator war immer der menschlichste, der deutsche Arbeitgeber der ursprünglich sozialst Gesinnte in Europa. Die deutsche Arbeitslust, fast möchte man sagen Arbeitsgier, die Ursache der deutschen Tüchtigkeit, ist ihrerseits die äußere Resultante und zugleich die Abreaktion nie stillstehenden inneren Wachsens und Werdens, also wiederum Exponent ursprünglicher Weichheit. Alle Härte-Ideologie bedeutet bei Deutschen Kompensationserscheinung oder Wunschbild. Was aber die praktische Härte, die so leicht bis zur Brutalität geht, betrifft, so ist, hier dies zu sagen. Erstens bringt jedes Volk typischerweise einen bestimmten Prozentsatz Gegentypen hervor. Zweitens ist klar, dass wo die Mehrheit weich ist, eine harte Minderheit normalerweise die herrschende Schicht stellt, so dass leicht als für ein ganzes Volk charakteristisch gilt, was im großen gerade nicht charakteristisch ist. Endlich verhält sich alles Harte in Deutschland typischerweise nicht wie das Skelett zum Fleisch, sondern wie die Schale zum Ei. Deswegen braucht jeder deutsche Sieger in Deutschland instinktiv Worte wie zerschlagen, zerbrechen, zerschmettern und handelt deren Sinn gemäß: er weiß, dass er, wenn er eine Schale zerschlagen hat, wehrlos Weiches vor sich hat, dem er nun beliebige neue Form aufprägen mag. Heile Schale hinwiederum schließt hermetisch ab. Daher das merkwürdig Starre und Sture deutschen Herrentums, die eigentümliche Blindheit deutschen Kämpfergeists. Der deutsche Kämpfer will gar nicht wissen, wohin ihn sein Kämpfen führt.

Was ich hier als Eierschalen-haft beschreibe, ist das, was man gemeiniglich sachlich heißt. (Dass es sich hier um anderes handelt, als die Sachlichkeit, die an früheren Stellen mit dem Netz der Spinne verglichen wurde und auch um anderes als die schöpferische Sachlichkeit des Künstlers, liegt auf der Hand, weswegen es keiner Gegenüberstellung der verschiedenen Gedankengänge mit deren Ergebnissen bedarf.) Eine wirklich genaue Entsprechung zum deutschen Sachlichkeitsbegriff gibt es in keiner anderen Sprache, denn Objektivität bedeutet ursprünglich und bei den anderen Völkern, die das Wort verwenden, nicht trockene Unlebendigkeit, sondern überpersönlich eingestelltes Leben. Ihr Begriff steht zunächst für die normale Haltung des Mannes im öffentlichen Leben; dieses gehört ebenso normal zum Manne wie das Privatleben, und seine besonderen Gesetze, welche unpersönliche Behandlung auch des Persönlichen fordern, befolgt der Italiener, der Franzose, der Brite, ohne sich damit in Gegensatzstellung zum Persönlichen in sich zu fühlen. Die deutsche Sachlichkeit hingegen ist immer betonte Unpersönlichkeit. Sie ist immer auch Rüstung und Schutz vor dem eigenen Gemüt; sie ist bei vorhandener innerer Lebendigkeit nicht spontaner Ausdruck, sondern Rolle, auch da, wo sie einem Deutschen auf den Leib geschrieben scheint. Und da seine Sachlichkeit ihn vor der eigenen Weichheit beschützen soll, so ist sie wesentlich unlebendig, mineralisch, trocken, starr und hart. Hart eben wie eine abschließende Eierschale. Damit wäre denn die Sonderart der Härte des Deutschen, wo dieser hart ist, so genau bestimmt, als in diesem Zusammenhange nötig ist. Damit wäre zugleich erklärt, warum Härte beim Deutschen fast immer mit Engigkeit zupaar geht. Fast immer fehlt es dem sachlichen und insofern harten Deutschen an Intuition, Einfühlungsvermögen und Takt. Fast immer wirkt dessen Sachlichkeit mechanisch. Sie wird eben nicht, wie diejenige anderer Völker, vom Leben selbst gespeist. So müssen überall Programme, Systeme, Institutionen, Organisationen als solche das leisten, was zumal bei den Engländern mehr von innen heraus geschieht. Ich sage mehr: denn der Institutionen und Organisationen bedarf es überall, und Wirken innerhalb solcher bildet überall einen besonderen sachlichen Menschentyp, den Bürokraten, den Berufsbeamten. Doch nirgend sonst auf Erden ist der sachliche Mensch auch nur annähernd so trocken wie in Deutschland. So nun, wie sich die trockene Sachlichkeit zum weichen Gemüt verhält, verhält sich der Schulmeister zum Dichter (vom Gelehrten, dem Urtypus der Deutschen der letzten Jahrhunderte, handele ich hier nicht, da ich dies im Spektrum ausgiebigst getan habe). Der Dichter ist der Typus, welcher der deutschen Anlage am besten entspricht, so wie der Staatsmann dem alten Römer. Jeder Dichter als Schöpfer neuer Welten aus eigenem Innern ist germinal. Daher die einzigartige Verehrung, welche Dichter in deutschen Landen genießen. Im Schulmeister indes versachlicht die deutsche Geistigkeit; da ist sie ganz trocken, ganz dürr, ganz unspontan, ganz angelernt. Als Kruste strebt der Schulmeister alle Weichheit zu überdecken, und darum ist sein Ideal, immerdar und ewig zu erziehen. Alles soll durch Lernen und Üben anders werden können, als es ist. Da der deutsche Schulmeister eben auch Deutscher ist, so lebt in ihm auch die urdeutsche Werdens- und Wandels-Dynamik. Nur kann sie sich bei ihm nicht von innen nach außen zu äußern: so versucht er es umgekehrt. Doch der tiefe Wunsch, so viel als irgend möglich erzogen zu werden, welcher die meisten Deutschen beseelt, und ihr tiefer Glaube an grenzenlose Erziehungsmöglichkeit beweist, wie sehr ihnen die Sachlichkeit des Schulmeisters entspricht.

Haben wir nun verstanden, inwiefern deutsche Sachlichkeit anderes bedeutet als Objektivität, so wie andere Völker dieses Wort begreifen, so fällt auch die Bestimmung des Sonderlichen, was der typische Deutsche unter einem Charakter versteht, nicht schwer. Unter einem Charakter verstehen alle anderen Völker instinktiv den Menschen von innerem Halt und innerlich bedingter Haltung; also ein psychisches Wirbeltier. Der Deutsche hingegen versteht unter ihm allzuleicht das Krustentier. Von außen her übernommene Begriffe und Normen, Gebundenheit durch Eid oder Bekenntnis oder Pflichtbewusstsein lassen hier ein Weichtier dank einer äußeren Schale hart und fest erscheinen. Solche Art Charakter muss versagen, sobald die Schale zerschlagen wird. Und es gibt keine Schale, die nicht zerschlagen werden kann. Fehlt da im Fall des Zerschlagenwerdens ein inneres Skelett, dann ist Haltlosigkeit organisches Schicksal. Insofern ist das deutsche Umfallen oder Zusammenbrechen viel milder zu beurteilen, als oft geschieht: in erster Linie handelt es sich hier um ein organisches und kein moralisches Problem. Schlimm aber ist dies: trotzdem man längst verstanden haben könnte, worum es sich handelt, ist bis vor kurzem immer wieder versucht worden, erfolgtes Unheil durch neue Schalenbildung zu reparieren und einen besseren Zustand durch solche vorzubereiten. Immer wieder ist vergessen oder verkannt worden, dass weder institutionelle und organisatorische, noch auch in rein psychischen Bindungen bestehende Kruste innere Weichheit ändert. Erst der Nationalsozialismus hat die Art Erziehung in Angriff genommen, deren es bedarf, um die Entwickelung eines Seelen-Eis zum Wirbel- anstatt zum Krustentier zu lenken.

Von hier aus gelangen wir denn zum vollen Verständnis der spezifisch deutschen Treulosigkeit, auf welche wir bereits kurz hinwiesen: Treulosigkeit ist die typische Gefahr, welche von innen her weiches Gemüt bedroht, das sich durch Krustenbildung zu halten sucht. Man kann, in der Tat, nicht zwar die angeborene Treue, desto mehr aber die angeborene Treulosigkeit eines Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit an der Häufigkeit der Eide bemessen, die er zu schwören ein Bedürfnis fühlt. Der wesentlich Treue empfindet die bloße Zumutung, mehr sagen zu sollen als das christliche ja ja - nein nein als beleidigende Zumutung; er bindet sich überhaupt nicht, braucht es nicht zu tun; er schenkt seine Treue als selbstverständlichen Ausdruck seines unbeirrbaren Wesens. Solch freies Geschenk ist ein sichererer Hort als jeder nur denkbare Zwang. Wer alle vierzehn Tage neu geloben muss, legt damit das Urteil nahe, dass das Gefühl seiner innerlichen Verpflichtetheit mit dem fünfzehnten automatisch erlöschen würde. Illustrationen dieser Wahrheit bietet Deutschlands Geschichte nur allzu viele.

Ich glaube nicht, dass wir bei diesem Zusammenhange noch länger zu verweilen brauchen. Erst im Freiheitskapitel werden wir unsere Gedanken darüber, was echter Charakter ist, so vortragen können, wie sie vorgetragen werden müssen, damit sie vollkommen einleuchten. Doch sei hier noch ein Wort über den Sonderfall deutscher Geistiger gesagt. Der böse Voltaire behauptete einmal, es gäbe drei Arten von Geistigen: la canaille écrivante, la canaille cabalante et la canaille convulsionnaire. Der Geistige, als der vom Zwang der Gana am wenigsten bestimmte Typ, der an allen Fragen und Dingen mehrere Seiten sieht und sich insofern schwerer als andere blind entscheidet, ist, in der Tat, vom Unteroffiziersstandpunkt beurteilt, typischerweise charakterlos; er kann Charakter nur vom Geist her bilden. Das aber kann er wirklich. Im Freiheitskapitel werden wir das Wie behandeln. Hier nur ein Beispiel, pour fixer les idées: das doch so bewegliche Frankreich ist noch heute das Land der größten probité intellectuelle, der neidlosesten Anerkennung geistiger Überlegenheit und der sichersten Freunde, obschon die französische Naturanlage, mit ihrem Hang zur Schikane und zur Grausamkeit, zweifellos moralisch keineswegs günstiger als die deutsche ist. Deutsche Geistige hingegen sind bisher leider nur selten in irgendeinem Sinne zuverlässig, denn sie sind vollkommen labil. Jeder Stimmung, jedem Einfluss in sich und außer sich gehen sie hemmungslos nach, von jedem Teufel, sei es der der Scheelsucht, des Neides, der Sucht herabzuziehen, der Schadenfreude, der Selbstpreisgabe oder der Hoffart lassen sie sich kampflos besetzen, gleich Stehaufmännchen fallen sie um und stehen sie wieder auf. Sind sie aber nicht labil, dann sind sie stur, rechthaberisch und abgeschlossen gerade dort, wo einzig vollkommene Geöffnetheit ziemt. Selbstverständlich gab und gibt es viele Ausnahmen, aber dass das Gesagte von der Mehrheit aller bisherigen deutschen Geistigen gilt, ist unzweideutig erwiesen, und es bedeutet Feigheit und Würdelosigkeit, sich dies als Ausgangspunkt möglichen Mehr- und Besserwerdens nicht einzugestehen. Der Missstand liegt auch hier an der andererseits so vielversprechenden ursprünglichen Weichheit des deutschen Gemüts. Charakter hat der subalterne Deutsche nur als Krustentier, woher die schauerliche Alternative stammt, dass dieser bisher in der Regel nur entweder Geist oder Charakter besessen hat.

Hermann Keyserling
Das Buch vom persönlichen Leben · 1936
VI. Weltfrömmigkeit
© 1998- Schule des Rades
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