Schule des Rades

Hermann Keyserling

Zur Wiedergeburt der Seele

Der natürliche Wirkungskreis

Meta-Physisch

Der Mensch ist, empirisch betrachtet, in erster Linie eine Naturerscheinung unter anderen. Er ist einerseits eingespannt in den Gesamtzusammenhang der Dinge und von ihm bedingt, andererseits, als besondere Erscheinung, ein Bedingendes. So übt er, in Aktion und Reaktion, unter allen Umständen die ihm gemäße Wirkung aus. Insoweit unterscheidet er sich überhaupt nicht, grundsätzlich, von beliebigen Naturkörpern. Die Begriffe der Affinität, der Wirkungsweite, des Kraftfeldes, des Spannungsgrades erweisen sich als gleich gegenständlich im Gesamtbereiche der Natur. — In zweiter Linie ist der Mensch ein Organismus unter anderen. Dies besagt, dass er als Erscheinung dahin spezifiziert ist, dass sich sein Sosein nicht darin erschöpft, was er mit den sonstigen Naturfaktoren gemein hat, sondern dass diese ihrerseits jeweils das Ausdrucksmittel eines Besonderen, auf anderer Ebene Belegenen sind, welches Driesch Entelechie heißt. Dieses nun hat seinen Seinsgrund im Meta-Physischen, d. h. in dem, was in das Reich des Sinnbegriffes gehört. Von hier aus beurteilt nun stellt jeder ein wesentlich Einziges dar: er ist nur mehr er selbst und kein Geschöpf unter anderen.

Vom Menschen in diesem letzten, wesenhaften Sinn habe ich schon oft gehandelt. Die meisten praktischen Probleme stellen sich indes auf den beiden zuerst betrachteten Ebenen. Als metaphysisches Wesen kann er sich doch nie anders als gemäß den allgemeinen Naturgesetzen manifestieren. Von dem besonderen Aspekt dieses Verhältnisses, welchen die Überschrift anzeigt, will ich diesmal reden.

Hermann Keyserling
Zur Wiedergeburt der Seele · 1927
Der natürliche Wirkungskreis
© 1998- Schule des Rades
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