Schule des Rades

Richard Wilhelm

I Ging · Das Buch der Wandlungen

Zweites Buch: Das Material — Die Struktur der Zeichen

6. Die Beziehungen der Striche untereinander

a) Entsprechen

Die entsprechenden Striche des unteren und des oberen Zeichens stehen zuweilen in besonders naher Beziehung zueinander, der Beziehung des Entsprechens. Es sind das folgende Verhältnisse:

Erster Strich zum vierten, zweiter zum fünften, dritter zum obersten. Voraussetzung ist dabei, dass die Striche verschiedener Natur sind. Es stehen also in der Beziehung des Entsprechens in der Regel nur weiche zu festen oder feste zu weichen Strichen. Von den entsprechenden Strichen sind die wichtigsten die beiden zentralen Striche auf zweitem und fünftem Platz, die in der korrekten Beziehung des Herrschers zum Beamten, des Vaters zum Sohn, des Mannes zur Frau usw. stehen. Und zwar kann dabei entweder ein starker Beamter einem weichen Herrscher oder ein weicher Beamter einem starken Herrscher entsprechen.

Das erstere ist der Fall bei 16 Zeichen, bei denen es sämtlich günstig wirkt; nämlich durchaus günstig bei den Zeichen Nr. 4, 7, 11, 14, 18, 19, 32, 34, 38, 40, 41, 46, 50; weniger günstig, was aber durch die Zeit erklärt ist, bei Nr. 26, 54, 64. Das Entsprechen zwischen weichem Beamten und starkem Herrn ist lange nicht so günstig. Ungünstig wirkt es bei Nr. 12, 13, 17, 20, 31. Schwierigkeiten, die sich aber aus der Zeit erklären, so dass die Beziehung doch als korrekt bezeichnet werden kann, kommen vor bei Nr. 3, 33, 39, 63. Günstig wirkt die Beziehung bei Nr. 8, 25, 37, 42, 45, 49, 53. Entsprechen von erster und vierter Linie kommt auch gelegentlich vor, wobei es günstig ist, wenn eine weiche Linie auf viertem Platz in Beziehung des Entsprechens zu einer starken Anfangslinie ist, weil dann der Sinn ist, dass ein gehorsamer Beamter im Namen seines Herrn nach starken, tüchtigen Gehilfen sucht, vgl. Nr. 3, 22, 27, 41. Dagegen bedeutet ein Entsprechen von einem starken vierten Strich zu einem weichen Anfangsstrich eher eine zu vermeidende Versuchung zu Intimität mit gemeinen Menschen, vgl. Nr. 28, 40, 50. Eine Beziehung von drittem und oberstem Strich kommt kaum vor, höchstens als Versuchung; denn durch die Verwicklung mit den Weltgeschäften verlöre der hohe, von der Welt abgewandte Weise seine Reinheit und der Beamte an drittem Platz, wenn er seinen Herrscher auf fünftem Platz überginge, seine Treue.

Im Fall, dass ein Strich Herr des Zeichens ist, kommen selbstverständlich Beziehungen des Entsprechens unabhängig von diesen Erwägungen vor, deren Heil oder Unheil sich aus dem Zeitsinn des Gesamtzeichens ergibt.

b) Zusammenhalten

Zwischen zwei benachbarten Strichen verschiedenen Charakters kann die Beziehung des Zusammenhaltens stattfinden, die von seiten des unteren auch als Empfangen, von seiten des oberen als Beruhen bezeichnet wird. Für die Beziehung des Zusammenhaltens kommt in erster Linie der vierte und fünfte Strich (Minister und Herrscher) in Betracht. Und zwar ist umgekehrt zu der Beziehung zwischen zweiter und fünfter Linie hier das günstigere, wenn ein weicher Minister mit einem starken Herrscher zusammenhält, denn bei der größeren Nähe ist Ehrfurcht von Wert. So ist denn in 16 Zeichen, in denen ein solches Zusammenhalten vorkommt, dasselbe stets mehr oder weniger heilbringend, nämlich sehr gut in Nr. 8, 9, 20, 29, 37, 42, 48, 53, 57, 59, 60, 61, etwas weniger, aber doch nicht ungünstig, in Nr. 3, 5, 39, 63. Dagegen ist ein Zusammenhalten eines starken, d. h. inkorrekten Strichs auf viertem Platz mit einem schwachen Herrn meist ungünstig, so in Nr. 30, 32, 35, 50, 51, etwas weniger ungünstig in Nr. 14, 38, 40, 54, 56, 62. Günstig ist es dagegen in folgenden Zeichen, in denen die starke vierte Linie Herr des Zeichens ist: Nr. 16, 21, 34, 55 (Herr des oberen Zeichens), 64.

Außerdem kommt Zusammenhalten auch noch vor zwischen dem fünften und dem obersten Strich. Es stellt dann den Herrscher dar, der sich dem Weisen unterstellt; in diesem Fall ist es meist der demütige Herrscher (schwacher Strich auf fünftem Platz), der den starken Weisen (starker Strich oben) ehrt, so in den Zeichen Nr. 14, 26, 27, 50. Das ist natürlich sehr günstig. Wenn dagegen auf fünftem Platz ein starker Strich steht und oben ein schwacher, so deutet das eher auf das Sichabgeben mit minderwertigen Elementen und ist unerwünscht, so Nr. 28, 31, 43, 58. Nur das Zeichen Nr. 17, Sui, die Nachfolge, macht hierin eine Ausnahme, weil der Gesamtsinn des Zeichens ein Heruntergehen des Starken unter das Schwache zur Voraussetzung hat.

Die übrigen Striche: 1 und 2, 2 und 3, 3 und 4 stehen nicht im korrekten Verhältnis des Zusammenhaltens. Wo es vorkommt, bedeutet es immer die Gefahr von Parteiungen und ist zu vermeiden. Für einen schwachen Strich ist das Beruhen auf einem Harten auch zuweilen ein Grund von Unannehmlichkeiten.

Wenn es sich um Striche handelt, die Herren des Zeichens sind, in dem sie stehen, so kommen die Beziehungen des Entsprechens und Zusammenhaltens auch in Betracht, wenn es sich um irgendwelche Plätze handelt. Außer den oben erwähnten Fällen seien als Beispiele noch genannt: Nr. 16, Yü, die Begeisterung. Der vierte Strich ist der Herr des Zeichens, der Anfangsstrich entspricht ihm, der dritte Strich hält mit ihm zusammen. Nr. 23, Bo, die Zersplitterung. Der obere Strich ist der Herr, der dritte entspricht ihm, und der fünfte hält mit ihm zusammen. Beides ist gut. Nr. 24, Fu, die Wiederkehr. Der Anfangsstrich ist Herr, der zweite ist mit ihm verbunden, der vierte entspricht ihm. Beides ist günstig. Nr. 43, Guai, der Durchbruch, die Entschlossenheit. Der obere Strich ist Herr, der dritte entspricht ihm, der fünfte hält mit ihm zusammen. Nr. 44, Gou, das Entgegenkommen. Der Anfangsstrich ist Herr, der zweite hält mit ihm zusammen, der vierte entspricht ihm. Es handelt sich hier um Heil oder Unheil, je nach der Richtung, in die der Sinn des Zeichens weist.

Richard Wilhelm
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