Schule des Rades

Richard Wilhelm

I Ging · Das Buch der Wandlungen

Drittes Buch: Die Kommentare — Erste Abteilung

I D E O G R A M M

24. Fu - Die Wiederkehr, (die Wendezeit)

Kernzeichen:Kun und Kun
Der Herr des Zeichens ist die Anfangsneun. Auf sie bezieht es sich, wenn im Kommentar zur Entscheidung steht: Das Feste kommt zurück.
Die Reihenfolge
Die Dinge können nicht endgültig vernichtet bleiben. Wenn das Obere vollkommen zersplittert ist, kommt es unten zurück. Darum folgt darauf das Zeichen: die Wiederkehr.
Vermischte Zeichen
Wiederkehr bedeutet Zurückkommen.
Beigefügte Urteile
Das Zeichen Wiederkehr ist der Stamm des Charakters. Die Wiederkehr ist klein und doch verschieden von den Außendingen.
Die Wiederkehr dient zur Selbsterkenntnis.
Das Zeichen Wiederkehr auf die Bildung des Charakters übertragen, gibt verschiedene Suggestionen. Das Lichte kehrt wieder; so liegt darin der Rat, dass man sich zur lichten Art der ursprünglich innersten Anlage zurückwendet, hinweg von der Verwirrung der Außendinge. Man sieht da auf dem Grunde der Seele das Göttliche, das Eine. Es ist zwar ganz keimhaft, nur ein Anfang, eine Möglichkeit, aber als solche von allen Objekten deutlich unterschieden. Dieses Eine erkennen heißt sich selbst erkennen in seiner Beziehung zu den kosmischen Kräften. Denn dieses Eine ist die aufsteigende Kraft des Lebens in der Natur und im Menschen. Das Zeichen ist die Umkehrung des vorigen, und die Bewegung ist sehr stark von unten, wo das Zeichen Erregung steht, nach oben gerichtet, hindurch durch das sich nach unten senkende Zeichen Kun.
Das Urteil
Die Wiederkehr. Gelingen.
Ausgang und Eingang ohne Fehl.
Freunde kommen ohne Makel.
Hin und her geht der Weg.
Am siebten Tage kommt die Wiederkehr.
Fördernd ist es, zu haben, wohin man geht.
Kommentar zur Entscheidung
Wiederkehr hat Gelingen.
Das Feste kehrt zurück.
Bewegung und Wirkung durch Hingebung. Darum ist Ausgang und Eingang ohne Fehl.
Freunde kommen ohne Makel.
Hin und her geht der Weg.
Am siebenten Tage kommt die Wiederkehr.

Das ist der Gang des Himmels.
Fördernd ist es, zu haben, wohin man geht.
Das Feste ist im Wachsen.
Im Zeichen Wiederkehr sieht man den Sinn von Himmel und Erde.
Es ist in diesem Zeichen ausgesprochen, dass die lichte Kraft das schöpferische Prinzip von Himmel und Erde ist. Es ist ein ewiger Kreislauf, aus dem immer wieder das Leben hervorgeht gerade in dem Augenblick, da es vollständig besiegt zu sein scheint. Durch den Wiedereintritt des unteren Yangstrichs in das Zeichen entsteht Bewegung. (Das untere Zeichen ist Dschen.) Diese Bewegung wirkt durch Hingebung. (Das obere Zeichen ist Kun.) Ausgang und Eingang sind ohne Fehl. Die Yangkraft ist zwar zuvor weggegangen. (Vergleiche das vorige Zeichen Bo.) Aber ihr Weggang war nicht spurlos: Wie eine Frucht, die zur Erde fällt, hat es Wirkung hinterlassen. Diese Wirkung zeigt sich nun durch Wiedereintritt des Yangstrichs. Die Freunde, die kommen, sind die andern Yangstriche, die nach diesem ersten in das Zeichen eintreten werden – so nach Tschong Dsi –, oder die fünf Yinstriche, die dem Yang freundlich begegnen. Der Weg des Yang geht hin und her, auf und nieder. Nachdem die Kraft des Lichten im Zeichen Gou (Nr. 44, das Entgegenkommen) abzunehmen beginnt, kommt sie im Zeichen Fu nach sieben Wandlungen wieder.
Fördernd ist es, zu haben, wohin man geht, d. h. etwas zu unternehmen. Dieser Satz kommt ebenso wie die Freunde in dem Text zu dem Zeichen Kun, das Empfangende, vor.
Das Bild
Der Donner inmitten der Erde: das Bild der Wendezeit.
So schlossen die alten Könige zur Sonnwendzeit die Pässe.
Händler und Fremdlinge wanderten nicht,
und der Herrscher bereiste nicht die Gegenden.
Das Zeichen ist dem Monat der Wintersonnenwende zugeordnet. Daraus werden die Schlüsse gezogen, aus denen sich das rechte Verhalten ergibt zur Zeit, da die wiederkehrende Yangkraft noch schwach ist und daher gepflegt werden muss durch Ruhe.

Die einzelnen Linien

Anfangs eine Neun bedeutet:
  1. Wiederkehr aus geringer Entfernung.
    Es bedarf keiner Reue.
    Großes Heil!
  2. Wiederkehr aus geringer Entfernung:
    so pflegt man seinen Charakter.

Der starke Strich ganz unten kehrt sofort um. Er ist sehr beweglich als Anfangsstrich von Dschen: daher sofortige Umkehr, ehe man zu weit gegangen ist.
Konfuzius sagt über diesen Strich: Yen Hui, der wird es wohl erreichen! Wenn er eine Unvollkommenheit hat, kommt es nie vor, dass er sie nicht erkennt. Wenn er sie erkannt hat, kommt es nie vor, dass er sie zum zweitenmal begeht. Im Buch der Wandlungen heißt es: Wiederkehr aus geringer Entfernung. Es bedarf keiner Reue. Großes Heil!

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
  1. Ruhige Wiederkehr. Heil!
  2. Das Heil der ruhigen Wiederkehr beruht auf der Unterwerfung unter einen guten Menschen.

Die Linie ist zentral und bescheiden (weich) und steht im Verhältnis des Zusammenhaltens mit dem Herrscher des Zeichens, der Anfangsneun. In der daraus sich ergebenden Unterwerfung unter diesen guten Menschen beruht das Heil.

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
  1. Mehrfache Wiederkehr. Gefahr. Kein Makel.
  2. Die Gefahr der mehrfachen Wiederkehr ist ihrer eigentlichen Bedeutung nach Befreiung von Makel.

Die Linie ist auf dem Gipfel der Bewegung. Das deutet auf eine wiederholte Umkehr. Die erste Umkehr ist vom Guten zum Schlechten. Die zweite ist vom Schlechten zurück zum Guten. Auch diese Linie ist als Freund der Anfangsneun zugewandt.

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
  1. In der Mitte der andern wandelnd,
    kehrt man allein wieder.
  2. In, der Mitte der andern wandelnd, kehrt man allein wieder und folgt so dem rechten Weg.

Die vierte Linie ist mitten im oberen Kernzeichen Kun, außerdem der oberste Strich des unteren Kernzeichens Kun und der unterste Strich des oberen Halbzeichens Kun: also mitten unter schwachen Strichen, dazu hingebend und auf schwachem Platz. Da könnte man auf Mangel an Initiative schließen. Doch steht die Linie im Verhältnis des Entsprechens zu der starken Anfangsneun, daher einsame Wiederkehr.

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
  1. Großzügige Wiederkehr. Keine Reue.
  2. Großzügige Wiederkehr. Keine Reue.
    Zentral, so vermag er sich selbst zu prüfen.

An sich ist die Linie von der Anfangsneun sehr weit entfernt. Aber sie ist zentral, darum ist für sie die Möglichkeit gegeben, sich zu prüfen und so von allen Fehlern die Wiederkehr zu finden. Die Beziehung zur Anfangsneun ist durch keinerlei äußere Beziehungen nahegelegt, daher ist sie großzügig freier Entschluss.

Oben eine Sechs bedeutet:
  1. Verfehlung der Wiederkehr. Unheil.
    Unglück von außen und innen.
    Wenn man so Heere marschieren lässt,
    wird man schließlich eine große Niederlage erleiden,
    so dass es für den Landesherrn unheilvoll ist.
    Zehn Jahre lang ist man nicht mehr imstande anzugreifen.
  2. Das Unheil der verfehlten Wiederkehr liegt darin, dass man dem Weg des Edlen widerspricht.

Die Linie ist am Ende der Yinlinien, darum gibt es für sie keine Umkehr. In der Abwendung von der Umkehr sucht sie trotzig mit Gewalt sich durchzusetzen, verliert aber dabei durch inneres und äußeres Unglück auf lange hinaus alle Erholungsmöglichkeiten. Auch die obere Linie im Zeichen das Empfangende hat ein ähnliches Urteil.
Das Zeichen Dschen bedeutet General. Kun bedeutet die Menge, daher Heere marschieren lassen. Kun bedeutet das Land, Dschen den Herrn. Zehn ist die Zahl der Erde.

Anmerkung:
Verfehlung der Wiederkehr (obere Sechs) ist der Gegensatz zu Wiederkehr aus geringer Entfernung (Anfangsneun). Der Anfangsstrich ist nicht weit und kehrt zurück. Ruhige Wiederkehr (Sechs auf zweitem Platz) und einsame Wiederkehr (Sechs auf viertem Platz) sind ähnlich: beide Striche stehen zum Herrn des Zeichens in Beziehung. Mehrfache Wiederkehr (Sechs auf drittem Platz) und großzügige Wiederkehr (Sechs auf fünftem Platz) sind Gegensätze: das eine Mal hin und her, das andere Mal ruhige Konsequenz.