Schule des Rades

Dago Vlasits

Vom Sinn der Zahl - Teil III

Schwache Kraft – Wasser – Würdiger

Die schwache Kraft nun unterscheidet sich von der starken nicht nur durch die Stärke, sondern ist auch völlig anders in ihrer Wirkung. Sie kann ein Neutron in eine positive (Proton) und eine negative Ladung (Elektron) zerfallen lassen, wobei noch ein Neutrino und ein Energiequant des Lichts freiwerden, ein Vorgang, den man als Betazerfall bezeichnet. Ihr wesentliches Vermögen ist es, Teilchenidentitäten zu verändern oder vielmehr zu erschaffen, denn eigentlich sind in einem Neutron die Spaltprodukte nur virtuell vorhanden. Zudem ist sie die einzige Kraft, die beim Spin von Teilchen zwischen links und rechts unterscheiden kann. (Für den Menschen ist diese Unterscheidung der zwei Seiten einer Spiegelsymmetrie die Unterscheidung von linker und rechter Hirnhemisphäre, also das Vermögen, zur bestehenden Wirklichkeit auch noch andere Möglichkeiten zu erfassen).

Die makroskopische Zusammenballung von Wasserstoff zu einer Sonne ist durch die Gravitation bewerkstelligt. Die Fusion der Wasserstoffkerne zu Heliumkernen, bei welchen Energie frei wird, wird durch die starke Kraft bewirkt. Und was wir letztlich auf der Erde empfangen, sind elektromagnetische Wellen. Doch dass die Sonne nicht explodiert, sondern über Jahrmilliarden gleichmäßig ihre Energie verströmt, ist der schwachen Kraft zu verdanken. Ihre Eigenart ist es, den energiespendenden Prozess so zu steuern, dass ihn die Wesen auf der Erde nützen können. Dieses Vermögen, aus der Masse Energie freizusetzen und in andere Formen eingehen zu lassen, ist aber nicht erst in der Sonne, sondern eben bereits im beschriebenen Bata-Zerfall des Neutrons gegeben.

Sich zu verströmen, in andere Formen des Lebens einzugehen bzw. sich diesen zur Verfügung zu stellen, ist auch die Eigenart des Wassers. Es strebt nach Ausgleich, zerfließt, füllt leere Stellen aus und kommt allen zugute. In seiner lebensspendenden Art einerseits, und andererseits in seinem Vermögen, in jede Form einzugehen, erkennen wir das Wesen des Wassers.

Im Sinne des Wassers wirkt der Würdige. Er weiß, dass es oberhalb des egoistischen Überlebens auch ein würdigeres Leben gibt, dass sich aber erst zu erfüllen beginnt, wenn er für andere nützlich ist. Um sein banales, statisches Dasein in eine höhere Existenzform zu verwandeln, muss er Energie abgeben, muss das Bestehende immer wieder verflüssigen, damit es eine neue Form einnehmen kann. Er muss die gegebene Masse immer wieder in Energie verwandeln, die sich als mögliche neue Potentiale zeigt. Dies ist die Ebene der reellen Zahl, und somit jene des wässrigen Traumes mit seinen Möglichkeiten, die noch nicht verwirklicht sind und nach Erfüllung verlangen.

Dago Vlasits
Vom Sinn der Zahl - Teil III · 1996
Studienkreis KRITERION
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