Schule des Rades

Arnold und Wilhelmine Keyserling

Ars Magna

II. Mantik · Das Tor des Ostens

VI. Seele

Der Brunnen
48. Dsing - 1/VI Empfinden unter Seele
Der Ansatz der Seele ist die Inspiration von unten, man muss die Motive ernst nehmen. Man mag die Stadt wechseln, aber man kann nicht den Brunnen wechseln; der Zugang zur Motivation bleibt überall der gleiche. Der Brunnen nimmt nicht ab und nimmt nicht zu. Sie kommen und gehen und schöpfen daraus, er bleibt der Quell der Inspiration. Die Sorge gilt nicht dem Versiegen, sondern der rechten Haltung gegenüber dem Quell: wenn man beinahe das Brunnenwasser erreicht hat, aber doch nicht mit dem Seil drunten ist oder seinen Krug zerbricht, so bringt das Unheil.
Wer seinen Brunnen kennt, wird zur Ehrfurchtsmitte einer Gemeinschaft: so ermuntert der Edle das Volk bei der Arbeit und ermahnt es, einander zu helfen.
Nach der Vollendung
63. Gi Dsi - 2/VI Denken unter Seele
Die revolutionäre Haltung in der Jugend dient dazu, sich kennen zu lernen und zu bewähren. Wer einmal die Welt und sich kennt, der weiß, wie leicht es ist zu zerstören und wie schwer wieder aufzubauen. Ein vernichteter Baum wird erst in Jahrzehnten durch einen neuen ersetzt sein. So muss man im Kleinen, wo Gelingen ist, wirken. Fördernd ist Beharrlichkeit. Aber trotzdem ist nur am Anfang Heil, am Ende kommen Wirren. Der Niedergang ist unausweichlich. So bedenkt der Edle das Unglück und rüstet sich im Voraus dagegen. Alle Linien sind auf ihren Plätze, die Gesellschaft ist in ihrer Ordnung. Aber wenn es nichts zu tun gibt, kann nur die Zerstörung den Menschen aufwecken, da die Gesellschaft nicht das Ziel, sondern der Rahmen der persönlichen Entwicklung ist.
Die Beschränkung
60. Dsië - 3/VI Fühlen unter Seele
Nur durch Selbstbeschränkung, durch Finden eigener Regeln, kann man den Niedergang überstehen: Gelingen. Doch hier ist die Gefahr zu großer Askese; bittere Beschränkung darf man nicht beharrlich üben. Die echte Beschränkung liegt im Finden der Urstruktur, des Knochenbaus der Gesellschaft: so schafft der Edle Zahl und Maß und untersucht, was Tugend und rechter Wandel ist.
Das Zusammenhalten
8. Bi - 4/VI Wollen unter Seele
Ist das rechte Maß gefunden als Grundlage einer neuen Gesellschaft, dann gilt es zusammenzuhalten: Zusammenhalten bringt Heil. Ergründe das Orakel nochmals, ob du Erhabenheit, Dauer und Beharrlichkeit hast. Dann ist kein Makel da. Hier handelt es sich also um die Reinheit des Wollens der Seele, die hinterfragt werden muss, damit nicht alte Gewohnheiten das Streben irreführen; dann ist kein Makel da. Die Unsicheren kommen allmählich herbei; wer zu spät kommt, hat Unheil.
Wenn eine neue Bewegung beginnt, dann erhält einer vom Himmel die Berufung, und um ihn muss man sich scharen in Ort und Zeit. Als Konfuzius einmal Hunger litt und die Schüler Angst hatten, erklärte er: der Himmel hat mir die Zivilisation anvertraut, wie könnte ich da zugrunde gehen! Wer vom Zeitgeist ergriffen wird, der weiß es, und je höher die Entwicklung geht, desto ähnlicher werden sich alle Wege und jeder kann unterscheiden, ob er im Augenblick die Rolle des Führenden oder Geführten annehmen soll.
Das Hemmnis
39. Giën - 5/VI Körper unter Seele
Solch eine Berufung stößt notwendig auf Widerspruch, darum folgt das Hemmnis. Man darf nicht versuchen, das Anliegen mit Gewalt durchzusetzen: fördernd ist der Südwesten, Freunde und Mitarbeiter. Nicht fördernd ist der Nordosten, das Empfangen von Befehlen und die Suche um Bestätigung seitens der Machthaber. Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen, um nicht den Mut zu verlieren. Beharrlichkeit ist von Heil.
Der Körper ist die Anlage, Schwierigkeiten entstehen aus eigenen Mängeln: so wendet sich der Edle seiner Person zu und bildet seinen Charakter.
Das Abgründige
29. Kan - 6/VI Seele unter Seele
Die Seele gleicht einem Strom, der während der irdischen Inkarnation von der Quelle zum Meer fließt, im Tode sich mit diesem vereint, als Wolke aufsteigt und erneut als Regen den Kreislauf beginnt. Nicht nur die Stagnation, auch dem Strom zu folgen ist gefährlich. Darum ist die Mahnung hier, zum Wesen durchzustoßen: wenn du wahrhaftig bist, so hast du im Herzen Gelingen, und was du tust, hat Erfolg.
Man muss den Weg zurück zur Quelle anstreben: so wandelt der Edle in dauernder Tugend und übt das Geschäft des Lehrens. Nur in der Beziehung lehren-lernen gelangt die Seele in den vertikalen Aufstieg.
Die Anfangsschwierigkeit
3. Dschun - 7/VI Geist unter Seele
Die Bekehrung zur Senkrechten gleicht einer neuen Geburt: die Anfangsschwierigkeit wirkt erhabenes Gelingen. Man soll nichts unternehmen. Fördernd ist es, Gehilfen einzusetzen; genauso wie die Geburt der Hilfe der Hebamme bedarf und das kleine Kind noch nicht aktionsfähig ist. Nicht handeln, sondern klären führt zum Heil: so wirkt der Edle entwirrend und ordnend.
Das Warten · (die Ernährung)
5. Sü - 8/VI Pleroma unter Seele
Nicht aus eigener Entscheidung kommt der nächste Schritt, sondern als Inspiration: wenn du wahrhaftig bist, so hast du Licht und Gelingen. Auf die wahre Einstellung kommt es an. Beharrlichkeit bringt Heil; fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren. Die Geburt betrifft nicht das persönliche, sondern das historische Wesen als Teil der Gattung. Dies bedarf keiner persönlichen Sorge: so isst und trinkt der Edle und ist heiter und guter Dinge. Das Zeichen ist die letzte Integration der Seele, bevor sie vom Geist ergriffen wird.
Arnold und Wilhelmine Keyserling
Ars Magna · 1982
Kriterien der Offenbarung
© 1998- Schule des Rades
HOMEDas RAD