Schule des Rades

Richard Wilhelm

I Ging · Das Buch der Wandlungen

Zweites Buch: Das Material — Über das Orakelnehmen

a) Das Schafgarbenorakel

Das Orakel wird befragt mit Hilfe von Schafgarbenstengeln. Zum Wahrsagen gehört die Zahl von 50 Stengeln. Davon wird einer beiseitegesteckt und kommt weiter nicht in Betracht. Die übrigen 49 Stengel werden zunächst in zwei Haufen geteilt. Darauf nimmt man vom Haufen rechts einen Stengel und steckt ihn zwischen Goldfinger und kleinen Finger der linken Hand. Darauf nimmt man den linken Haufen in die linke Hand und nimmt mit der rechten Bündel von je vier Stengeln weg, bis vier oder weniger Stengel übrigbleiben. Diesen Rest steckt man nun zwischen Gold- und Mittelfinger der linken Hand. Darauf wird in derselben Weise der rechte Haufen durchgezählt und der Rest zwischen Mittel- und Zeigefinger der linken Hand gesteckt. Die Summe der zwischen den Fingern der linken Hand befindlichen Stengel ist nun entweder 9 oder 5 (die verschiedenen Möglichkeiten sind 1+4+4 oder 1+3+1 oder 1+2+2 oder 1+1+3; daraus ergibt sich, dass die Zahl 5 leichter zu erreichen ist als 9). Beim ersten Durchzählen der 49 Stengel bleibt der erste Stengel zwischen kleinem und Goldfinger als überzählig außer Berechnung. Man rechnet daher 9=8 und 5=4. Die Zahl 4 bedeutet nun eine volle Einheit, der der Zahlenwert 3 zugemessen wird. Die Zahl 8 dagegen bedeutet eine Doppeleinheit und wird nur mit dem Zahlenwert 2 berechnet. Hat man also beim ersten Durchzählen 9 Stengel übrig, so zählen sie 2, hat man 5 übrig, so zählen sie 3. Diese werden zunächst beiseitegelegt.

Nun werden die beiden Haufen, die übrig sind, wieder zusammengenommen und aufs neue abgeteilt. Wieder nimmt man von der rechten Hälfte einen Stengel und steckt ihn zwischen kleinen und Goldfinger der linken Hand und verfährt dann mit dem Durchzählen wie zuvor. Diesmal bekommt man als Summe des Restes entweder 8 oder 4. (Nämlich

1+4+3 Klammer = 8
oder 1+3+4
1+1+2 Klammer = 4,
oder 1+2+1

so dass diesmal die Chancen zwischen 8 und 4 dieselben sind.)
8 zählt 2 und 4 zählt 3.
Mit dem übriggebliebenen Haufen verfährt man darauf ein drittes Mal wie zuvor und erhält als Summe des Restes ebenfalls 8 oder 4.
Nun wird aus dem Berechnungswert der drei Restsummen ein Strichelement aufgebaut.

Ist die Summe 5 (= 4, Wert 3) + 4 (Wert 3) + 4 (Wert 3),
dann ergibt sich die Zahl 9, d. h. das sogenannte alte Yang. Das wird ein positives Strichelement, das sich bewegt, also für die Einzeldeutung in Betracht kommt. Es wird bezeichnet mit oder .

Ist die Summe 9 (= 8, Wert 2) + 8 (Wert 2) + 8 (Wert 2),
so ergibt sich die Zahl 6, d. h. das sogenannte alte Yin. Das wird ein negatives Strichelement, das sich bewegt, also für die Einzeldeutung in Betracht kommt. Es wird bezeichnet mit oder ×.

Ist die Summe
9 (2) + 8 (2) + 4 (3) Klammer = 7
oder 5 (3) + 8 (2) + 8 (2)
oder 9 (2) + 4 (3) + 8 (2)

so ergibt sich die Zahl 7, d. h. das sogenannte junge Yang. Das wird ein positives Strichelement, das ruht, also für die Einzeldeutung nicht in Betracht kommt. Es wird bezeichnet mit ,

Ist die Summe
9 (2) + 8 (2) + 4 (3) Klammer = 8,
oder 5 (3) + 8 (2) + 8 (2)
oder 5 (3) + 8 (2) + 4 (3)

so ergibt sich die Zahl 8, d. h. das sogenannte junge Yin. Das wird ein negatives Strichelement, das ruht, also für die Einzeldeutung nicht in Betracht kommt. Es wird bezeichnet mit .

Indem dieser Prozess im ganzen sechsmal vorgenommen wird, baut sich ein sechsstufiges Zeichen auf. Wenn dieses Zeichen aus lauter ruhenden Strichelementen besteht, so kommt für das Orakel nur die Gesamtidee des Zeichens in Betracht, wie sie in dem Urteil des Königs Wen und dem Kommentar zur Entscheidung des Kungtse zum Ausdruck kommt, ferner noch das Bild des Zeichens und die dem Bild beigefügten Textworte.
Finden sich in dem so gewonnenen Zeichen ein oder mehrere bewegte Striche, so kommen außerdem die vom Herzog von Dschou diesem Strich beigefügten Worte in Betracht. Daher haben diese die Überschrift: 9 auf xtem Platz oder 6 auf xtem Platz.
Außerdem entsteht durch die Bewegung, d. h. Wandlung * der Striche ein neues Zeichen, das mit seinem Sinn ebenfalls in Betracht zu ziehen ist. Wenn z. B. das Zeichen gezogen wird, dessen vierter Strich sich bewegt , so wird außer dem Text und Bild dieses Zeichens im Ganzen der dem vierten Strich beigegebene Text in Betracht kommen und dann außerdem der Text und das Bild des Zeichens ; und zwar wäre dann das Zeichen der Ausgangspunkt, von dem aus durch die Lage der 9 auf 4. Platz und den beigefügten Rat die Endsituation sich Entwickelt. In dem zweiten Zeichen kommt der Text des bewegten Strichs nicht in Betracht.

Anmerkung:
* Durch Bewegung oder Wandlung entsteht aus einem starken ein schwacher und aus einem schwachen ein starker Strich.
Richard Wilhelm
I Ging · Das Buch der Wandlungen
Über das Orakelnehmen
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