Schule des Rades

Wilhelmine Keyserling

Anlage als Weg

V. Die Fragen zum Häuserkreis

I. Seele wollen · Haus der Persönlichkeit

Das I. Haus erfasst die Person in ihrer Sonderheit in Beziehung zur Welt und den Mitmenschen (VII). In Beziehung zum Du und der Welt tritt die Sonderheit des Ich erst in Erscheinung, wird unterscheidbar. Der Schauspieler, der zum V. Haus gehört, versucht dieses ungreifbare Ich (Seele) über sein Verhalten, die Art wie er aufsteht, sich kleidet, spricht, im Kontakt mit anderen benimmt, wie er seinen Kaffee oder Blümchentee trinkt, wie er schaut, was er sieht, wo er wohnt und so weiter, zu verkörpern. Das I. Haus fasst im Individuum das ganze Leben zusammen. Dem Kopf und Nervensystem entsprechend ist eins die Koordination der weiteren elf Lebensgebiete, die Integration aller Rollen: als Vater, Sohn, Freund, Direktor einer Firma, Mitreisender im Zug, Gast im Restaurant, bzw. Frau, Geliebte, Tochter, sorgende Mutter… Die Rollen sind echt; dem Leben in der Welt entsprechend, denn jeder nimmt einen bestimmten Platz ein in Beziehung zu Eltern, Vorgesetzten, Untergebenen… Diese Rollen sind alle Teil der Persönlichkeit und diese ist wieder Teil des Ganzen Menschen, Menschen der Mitte, der sein Wer und Was — dass er ist und was er ist — vereint.

Im Kleinkind (von der Geburt bis zum Alter von 7 Jahren), ist die Vielseitigkeit der Person zu erkennen. Es wechselt zwischen Zufriedenheit, Ungeduld, dann wieder vertieft es sich mit Inbrunst in die Entdeckung eines Gegenstands, tritt beim Spazierengehen in alle Pfützen, wird zornig, erfindet Strategien den Eltern gegenüber, spielt Herr Doktor oder andere Rollen; all das macht seine Persönlichkeit aus.

Beim Erwachsenen scheinen diese verschiedenen Aspekte der Person, die sich alle mit ich bezeichnen und nacheinander auftreten: ich möchte studieren — habe keine Ausdauer — Angst vor dem Vater — brauche neue Schuhe — muss meine Kollegen überzeugen — bin verzweifelt weil — als Vielzahl verschiedener Ichs.

P e r i p h e r i e

Die Seele hat ein Gedächtnis; verschiedene Aspekte der Person können, in einer bestimmten Situation, als Komplexe assoziativer Zusammenhänge auftauchen, und sich jeweils als einziges Ich vorkommen. Im Horoskop würde sich das so darstellen: alles dreht sich um eine periphere Lage, die eine falsche Mitte bildet. Das eigentliche Ich, der Seelengrund, und das spontane Wollen sind ausgeschaltet. Wieder ist es das Buch der Wandlung, das eine wertvolle Hilfe bietet, um sich nicht mit der gegebenen Situation zu identifizieren.

In der Bildsprache des Traumes oder Wachtraums ist die Seele dem fließenden Wasser gleich, das durch Felsen, Städte, öde Steppen strömt, bis es in den Ozean mündet. Im Fließen liegt die Dauer der Seele.

Ja, eines Tages stellt sich beim Erwachsenen die Frage: Wer bin ich; wer ist das Bestehende im Wandel?

Der indische Heilige Shri Ramana Maharshi hat diese Frage zur Methodik der Selbstfindung erhoben. Der Schüler sollte sich klar werden: ich bin nicht der Schwache, der Besorgte, der Unfähige… bis er alle Befindlichkeiten und Eigenschaften hinter sich lassend zum reinen, eigenschaftslosen Ich bin durchstößt.

Aber auch die entgegengesetzte Technik ist wichtig und bereichernd, nämlich die Frage: Was bin ich?

Hier ist es nützlich, sich eine Liste zu machen: ich bin Ärztin — aufmerksame Mutter — freudige Hausfrau — ausgezeichnete Kuchenköchin — gerne verzeihend — bewegungsbegabt und bewegungsfreudig — zurückhaltend im Verkehr mit Fremden — begeisterungsfähig… — Es ist wesentlich das Gegebene, die Gaben anzuführen und nicht das Nicht.

Das I. Haus, die Person ist das Tor zum wer ich bin, über das was ich bin. Das Wer kommt uns leicht abhanden im täglichen Geschehen.

Der Wer wird oft als das Selbst bezeichnet. Der kürzeste Weg zum Selbst ist die Ichvergessenheit (im Sprachgebrauch selbstvergessen). Die Zen-Geschichte der Wunderbaren Katze, in der Übersetzung von Dürckheim herausgegeben, ist eine eindrucksvolle Schilderung dieser Zugewandtheit im Tun.

Aber nun bitte ich Sie, die angestellten Betrachtungen über das Ich zu vergessen, um die Fragen spontan zu beantworten.

Wann verliere ich mich — wann finde ich mich?
Wann habe ich Angst vor mir selbst, — vor anderen?
Welche meiner Rolle erfülle ich — wann verberge ich mich hinter meiner Rolle?
Kann ich über mich erzählen, ohne mich in ein bestimmtes Licht zu stellen, in welches Licht?
Wann bin ich selbstvergessen und ganz da?
Wann stehe ich mir selbst im Weg?
Habe ich Vorbilder? Was konnte ich von anderen Menschen auf meine Person übertragen, in mir verwirklichen — wo habe ich nur nachgeahmt?
Wo habe ich Fehler erkannt und abgelegt?
Wo habe ich bloß nutzlose Kritik an mir geübt?
Ermangele ich der Selbstkritik?
Was habe ich an mir gern, was kritisiere ich, woher kommt mein Urteil — ist es angebracht, zweckvoll, was bewirkt es?
Wie finde ich Selbstvertrauen?
Wann und wem gegenüber bin ich führend — in welchen Situationen? Von welchen Menschen lasse ich mich führen?
Wann ist mein Führungsanspruch angebracht? Wann bin ich rechthaberisch?
Wann habe ich mich behauptet — durchgesetzt, wann nicht?
Wann bin ich gescheitert? — Warum? — Wann bin ich stolz?
Wann bin ich beschämt? Wann bin ich mutig? — tapfer — feig?
Wofür bedauere ich mich am meisten? — wie häufig?
In welcher Situation erwarte ich Mitleid?
In welcher Situation möchte ich bestätigt werden?
Kann ich Verzweiflung durchhalten? Was bringt, brachte sie mir? Wann habe ich sie vermieden? Wann habe ich mich in sie fallen lassen? Wie bin ich herausgestiegen?
Wie bin ich traurig? — gleichgültig — depressiv — verloren — zornig? Welche Trauer ist unnötig, vermeidbar? Was ist echte Trauer? Nehme ich sie auf mich?
Wo entscheide ich persönlich — spontan?
Wo nehme ich persönliche Verantwortung auf mich? Wann nehme ich Schuld auf mich? Wie unterscheidet sich dies Schuld-auf-sich-nehmen von einem undefinierbaren Schuldgefühl? Habe ich Schuldgefühle, deren Ursache mir unbekannt ist? Wie kann ich versuchen die Wurzeln zu ergründen?
Wo habe ich mich für mich selbst eingesetzt?
Was kann ich für mich fordern? — was ablehnen?
Wie kleide ich mich? Nach wem richte ich mich in Kleidung, Bewegung, Redensart, Manieren?
Wie stehe ich zu, reagiere auf, persönliche Kritik? Warum?
Was betrachte ich im Spiegel?
Wen bewundere ich, schätze ich als Mensch (Person)?
Wer hat mich beeinflusst? Wen beeinflusse ich?
Wilhelmine Keyserling
Anlage als Weg · 1988
Theorie und Methodik der Astrologie der Wassermannzeit
© 1998- Schule des Rades
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