Schule des Rades
Wilhelmine Keyserling
Anlage als Weg
XIV. Die Betrachtung des Horoskops
Der Lebenskreis als Zeitrahmen
Sie wissen bereits, dass jedes Haus (ob breit oder Schmal) den Abschnitt von 7 Jahren anzeigt. Jeder tritt mit dem 7. Geburtstag in den zweiten Lebensabschnitt, mit 14 in den dritten ein. Man kann sich dies bewusst machen, wie man einen Geburtstag feiert, an dem sich äußerlich keine sichtbare Veränderung vollzieht.
Die Thematik des Häuserkreises steht in einer bestimmten Verschränkung zum Tierkreis. Der Mensch durchwandert somit auch den Tierkreis, und hier zeigt sich die Veränderung. Mit dem Eintritt in ein neues Zeichen wird jeweils, der zu diesem Zeichen gehörige Impuls (Faktor, Agent, Determinator
in astrologischer Terminologie), mit all den von ihm ausgehenden Aspekten, aktiviert. Dieser Impuls wird für die ganze Dauer, solange wir das Zeichen durchschreiten, tragend, latent wirksam als Entfaltungsträger. Bei Erreichen der einen oder anderen Planetenkraft der Figur hingegen sind wir akut im Brennpunkt des jeweiligen Geschehens. So ist in diesem Beispiel, kurz nach dem 40. Lebensjahr, wenn der Geborene am Mars sitzt, eine ausschlaggebende Veränderung der Arbeitsweise zu erwarten, die sich innerhalb von Tagen — wenigen Wochen — vollziehen kann. Das auf der Sonne sitzen kann eine Wesenswandlung und Vertiefung bringen, die sich oft über ein Jahr hinzieht, und häufig ungemütlich ist, weil der Mensch nicht recht weiß, was ihm geschieht; es ist ein in-sich-gehen.
Auch der Ort im Lebenskreis, wo man einer Planetenkraft genau gegenübersteht, macht sich bemerkbar. Das Lebensalter der Übergänge in ein neues Tierkreiszeichen, habe ich in der leeren Hälfte des Horoskops in Klammern notiert (weil es dort keine Zahlenverwirrung anrichtet).
Gehen wir nun vom Aszendenten aus durch den Kreis. Die ersten 5 Jahre stehen unter dem Zeichen Waage; also ist Neptun im XII. Haus tragend. Überlegen wir: XII. Haus = Einsamkeit — Heilung — Erfüllung; = Kontakt mit Menschen. Der Säugling wird wohl noch nicht — wie später im Leben — um Kommunikation mit Menschen bemüht sein, wie wir diese Konstellation formuliert haben. Aber vielleicht werden andere um sein Wohl bemüht sein; er mag in Abgeschiedenheit besonderer Liebe und Betreuung bedürfen.
Mit 5 Jahren kommt er in den Skorpion. Mars wird tragend. Man wird bereits eine Arbeitsinitiative erkennen — ein aktives Kind, das zugreift. Vielleicht werden die aufmerksamen Angehörigen auch im intensiven Zerlegen von Spielsachen diesen Tätigkeitsdrang sehen und die Entdeckerfreude beobachten. Auch eine Verletzung am Kopf könnte eintreten, und ihn weiterer Pflege und Abgeschiedenheit XII. unterziehen. Seine originelle Phantasie wird auffallen , seine Initiative (er ist immer noch im Spannungsfeld Quadrat-Opposition) eine gewisse Unruhe und Sorge (bei seinen Betreuern) verursachen. Mit 13 Jahren (+ 2 Monaten), mit Eintritt in den Schützen, beginnt eine Periode geistiger Aufnahmefähigkeit. Vielleicht auch von der Schule angeregt, aber jedenfalls im Heim IV, beschäftigt er sich mit allerlei, was ihm einen systematischen Zusammenhang eröffnet — Landkarte — Sprache — Komposition — Konstruktion; er geht den Dingen auf den Grund.
Kurz nach dem 18. Lebensjahr, dem Mond gegenüber, ein wegweisendes inneres Erlebnis, ein Umpolen der Vorstellungswelt — vielleicht durch Lektüre oder Begegnung mit einem Menschen angeregt — das wohl unbewusst bleibt, ihm aber eine innere Ausrichtung gibt.
Kurz darauf: im 19. Lebensjahr beim Eintritt in den Steinbock, findet er sich in methodischem Verarbeiten von Information, denken, lesen, forschen; — eine Zeit, in der er weniger persönlichen Kontakt pflegt, aber seine Arbeitsmethoden entwickelt und am Zeitgeschehen X teilnimmt.
Mit 23 (+ 3 Monaten) findet er eine berufliche Auswirkung, über systematische Zusammenfassung theoretischer Art, die ihn mit gleichgesinnten Strebenden in Kontakt bringt. Diese Tätigkeit ist zuerst sporadisch — wie Vortragstätigkeit; mit dem Eintritt in die Fische, 30½ bis 39, schafft sie einen Zusammenhang, der den Bedürfnissen einer Institution entspricht: ein Verantwortungsgebiet. Von 39 bis 47 kommt wieder das persönliche Auftreten, sich in der Öffentlichkeit durchsetzen, in den Vordergrund — bis mit dem Eintritt in den Stier etwas Bleibendes geschaffen wird X., vielleicht Gruppen ins Leben gerufen werden, die an den Bedürfnissen seelischen Wachstums anknüpfen (psychische Grundlage).
Am Hintergrund dieses Geschehens findet mit 41 ein intensiver Arbeitseinsatz, Erneuerung der Arbeitsweise, im Kampf um die eigene Richtung statt. Am Merkur, mit 52 gelingen konkrete neuartige Unterscheidungen auf dem Gebiet seiner Materie, die am Uranus mit 54½, zu neuen Denkschlüssen, mit 56 zu Seinserkenntnissen , kurz darauf 8 zu deren methodischer Verarbeitung führen: durch die Folgen , die alle in Konjunktion kurz nacheinander zur akuten Auswirkung kommen.
Seit dem Alter von 55 (+ 2 Mo.) ist außerdem die Forschung, die denkerische Erkenntnis wieder tragend ; die öffentliche Auswirkung bleibt über Sextil und Halbsextil zum X. Haus, aber sie ist nicht mehr das primäre Wirkungsfeld.
Neun Monate nach dem 60. Lebensjahr wird die Sehnsucht und Bemühung, die persönliche Richtung der eigenen Arbeit zu erfahren — sie anderen Suchenden mitteilen zu können — zum wesentlichen Anliegen. Kurz darauf,
am Mond, wird ihm wohl eine Schau zuteil, die seine Spannkraft in der Arbeit, seine Beziehung zu Strebenden erneuert; er kann diese Vision jetzt auch mit seiner Forschung und seinem öffentlichen Aufgabenbereich in Beziehung bringen.
Sich von dieser Weg-Vorstellung tragen zu lassen, sie zu vermitteln, daraus zu schöpfen und zu wirken, bildet bis 65 (+ 3 Mo.) den Grundton seines Lebens. Es besteht keine Gefahr, sich darin zu verlieren oder zu spintisieren, denn der Mond kann es sich (ohne Trigone und Sextile) nicht leicht machen. Von der Kraft der Vorstellung getragen,
werden Jupiter und Venus (mit 64 und 65) in der Öffentlichkeit nur eine seiner Richtung entsprechende Verwirklichung einleiten.
66 bis 72½ ist abgesehen von der beruflichen Tätigkeit am Pluto, eine Zeit der Verinnerlichung; ein inneres Einstehen für die eigene erkenntnistheoretische Grundlage. In der Jungfrauperiode wird die Unterscheidung und Prüfung neuer Sachverhalte vordringlich, und in der Waage, ab 81, wird er im menschlichen Kontakt Hilfe und Inspiration vermitteln.