Schule des Rades
Wilhelmine Keyserling
Anlage als Weg
V. Die Fragen zum Häuserkreis
II. Körper empfinden · Haus des Besitzes
Während das I. Haus die seelische Identität, — wer und was ich bin — erfasst, zeigt das II. Haus des Horoskops was ich habe. Dazu gehören wiederum auch mein Körper und meine Bekleidung, aber nicht als Kennzeichen meiner Person, sondern als Grundlage meiner Existenz und Lebensgestaltung. Das II. Haus ist das realste des ganzen Häuserkreises. II, VI, X heißen Häuser der Verwirklichung. Das zweite aber beinhaltet die Wirklichkeit, die Gegebenheit der gestalthaften Welt, auf der mein Überleben gründet. Grund und Boden, Häuser und Geräte sind Urbild des Be-sitzes. Dieses Wort deutet schon auf das Beharrende, Bestehende der sinnlich fassbaren Welt, das für mich wertvoll und brauchbar sein kann. So wünschen viele Besitz zu be-halten, um ihn vielleicht im Gegenhaus VIII zu vererben, um auf diese Weise selbst im Tod nicht verlustig zu werden. Wesentlich in Hinsicht auf die Dinge, die zu mir gehören, ist, dass ich über sie verfügen kann. Wenn ich den nötigen Raum habe um mich auszubreiten, zu arbeiten (VI), Kontakt zu pflegen (III, VI, XI), ist es nicht relevant, ob ich rechtlich Besitzer bin, oder diese Realitäten zu meinem Territorium zählen kann.
Im Gegensatzpaar:
Materie
Gestalt
Energie
Keim
tritt die weibliche Wesensart des II. Hauses hervor. Die Mitgift der Frau besteht teils aus materiellen Gütern, die sie schätzen und nützen kann — Schönheit und Zierde sind zu beachten — teils aus Fähigkeiten wie kochen, gebären, pflegen und andere mehr. Üben und meistern gehören zum V. Haus; das Vermögen des Gelernten kann als Lebensgrundlage im II. auftauchen.
Der Besitz des II. Hauses kann freilich auch ein geistiger oder seelischer sein, je nachdem in welchem Tierkreiszeichen die Häuserspitze (der Beginn des Hauses) liegt.
Bei einem Schriftsteller zum Beispiel mag die Arbeit (VI) im Sichten des Materials liegen, die Meisterung (V) im Artikulieren und Anordnen der Ideen, aber wie wird das Schriftstück zu Lebensgrundlage? Das Horoskop könnte zeigen, dass es seine Fähigkeit des Verkehrs mit bedeutenden Menschen ist, die ihm die materielle Basis verschafft. Sein wertvollster Besitz besteht in diesem Fall aus einem Dutzend Namen im Telephonbuch.
Nachdem das II. Haus sich auf den Kontakt mit der Welt bezieht, kann es auch die Verwaltung, Gestaltung, Sammlung — jeglichen Umgang mit Gütern — betreffen. Die Kreation eines Plakats kann ihren Schwerpunkt im Feld der Information haben, während beim Bildhauer oder Keramiker offensichtlich der Gegenstand im Vordergrund steht; eine Planetenbesetzung des II. Hauses ist höchst wahrscheinlich. Auch der Kontakt zur Natur, zu Blumen, Erde, Felsen, Bäumen… kann sich im II. Haus zeigen. Ein Lieblingsberg mag für manchen zum eigenen Territorium werden, und das Schlägern eines Baumes ihn so schmerzlich berühren, als wäre er sein Eigentum. Jedem wird die Wirklichkeit der Welt auf andere Weise zugänglich; ist sie nur Schein, nur materieller Ausdruck, oder ist sie ein Tor zur Erfahrung des Vollendeten?
Wann und wie wurden mir die Erde, meine Umgebung, mein Körper bewusst?
Wann habe ich Liebe, Freude, Dankbarkeit erlebt, dass es sie gibt?
Was empfinde, sehe, bemerke ich von der Welt um mich?
Welche Materialien, Stoffe, Farben, Formen sind mir angenehm — unangenehm? In welcher Weise bin ich empfindsam?
Wie kann ich meine Wahrnehmungsfähigkeit wecken?
Wo erkenne ich das Wunderbare in der Wirklichkeit?
Wird es mir im Lesen, über Erzählungen anderer, in der Kunst, im Kino besonders greifbar?
Was bedeutet mir Kunst? — Welche?
Wo ist meine Achtung vor Dingen, Pflanzen mangelhaft?
Wann hat mich Materielles (Landschaft, Mensch, Gegenstand) belastet, wann habe ich es als starr, überwältigend, störend empfunden?
An welchen Dingen hänge ich? Wie reagiere ich, wenn man sie mir streitig macht? — Warum?
Worauf bezieht sich mein Haben? (Bestandsaufnahme)
Was steht mir zu Verfügung?
Habe ich was mich freut? Freut mich was ich habe?
Behaupte ich weniger oder mehr zu besitzen?
Wo mehre ich, mindere ich, spare ich, teile ein?
Habe ich, hätte ich gerne Reichtum? Beneide ich, verachte ich, kritisiere ich die Reichen? Warum?
Kümmere ich mich um Besitzverhältnisse anderer?
Über welche Dinge rede ich?
Nehme ich Geschenke an? Was ist meine Reaktion? Wie bedanke ich mich?
Was verleihe ich, teile ich, entbehre ich, was nicht?
Was verwalte ich, was eigne ich mir an, was habe ich gestohlen?
Kann ich anderen zu ihrer Lebensgrundlage verhelfen?
Welchen meiner Anlagen und Fähigkeiten verdanke ich meine Lebensgrundlage?
Wie verändere ich, gestalte ich meinen Körper?
Liebe ich die Welt?