Schule des Rades
Wilhelmine Keyserling
Anlage als Weg
V. Die Fragen zum Häuserkreis
III. Geist denken · Haus der Beziehungen
Das erste Feld betrifft, was ich bin, dass ich bin. Das Tor zum Ursprung ist der Durchbruch zum Selbst, bzw. zum Sein. Das zweite Feld erfasst das zu-Habende, sieht im Gegebenen den Keim der Vollendung; erfährt die Urkraft in der Materie — die Schwingung als Leben-und-Tod-spendende-Kraft.
Das dritte Feld, in Entsprechung zum Zeichen des erkennenden Menschen, Zwillinge, betrifft das Werden, das Erfassen der Zeit als Ablauf, in Abschnitte geteilt — als wiederkehrender Rhythmus, Zyklus, und damit die Betrachtung des Lebens als Werdegang, Entwicklung. All diese Begriffe sind Abstraktionen; sie sind nicht greifbarer als die vergangene Stunde, oder am Himmel — Spuren verflogener Vögel, oder die Bahn eines Planeten; die Bahn ist meßbar, aber sie bleibt unsichtbar: Zeitorte eines Körpers aneinandergereiht.
Das Essen vom Baum der Erkenntnis hat dem Menschen eine seltsame Bedrängnis gebracht: die Eile und Ungeduld, die Angst, dass er sein Leben versäume. Die Angst vor diesem Ungreifbaren, der Zeit als Faktor, die es für sich ja auch wiederum nicht gibt. Das Zerlegen der Phänomene in ihren räumlichen und zeitlichen Aspekt — die Entdeckung der Reziprozität von Maß und Frequenz der Schwingung — ist aber die Grundlage der Mathematik und Naturwissenschaft, der Erkenntnis.
Was sich in der Materie, in einem Atom tut, wird über das Medium des Geist-denkens, über Zahl und Wort zur Information; und jede Information bezieht sich wieder auf ein Tun — wird zum Hinweis. Selbst in der Tierwelt ist Information, beim Vogelflug, bei der Nahrungssuche: Anweisung zum Tun. Das III. Haus bringt Bewegung, ein gemeinsames sich — Rühren, als Zeichen des Lebendigen; das Leben als Reigen. Beim Mensch stellt sich bald die Frage nach dem Sinn und der Richtung des unentwegten Tuns (IX). Ist es ein Lernen, ein Mitschwingen in der Zeit, ist es zweckmäßig oder Zeitvertreib?
Durch das Erfassen der Etappen eines Vorgangs wird dieser zur Information, wird wiederholbar und lehrbar. Die Entwicklung des Menschen und der Menschheit bezieht sich auf die Mehrung des Wissens (im Unterschied zum allmählichen Wachstum oder der Entfaltung). Und wohin soll dieses Wissen führen (IX)?
Erkenntnis und Zweifel gehören zusammen; aber auch Wissen und Weisheit — Weisheit, die Wissen und Sein vereint, sie ist freudige Erkenntnis; ein Entdecken, das der Entstehung der Welt auf die Spur kommt. Diese Entdeckerfreude anzuregen und zu bewahren, sollte das Anliegen jedes Lehrers und Lernenden sein. Information darf nicht zur Anhäufung des Wissens werden. Ursprung der Begriffe und Worte ist das Schweigen — die frohe Botschaft der Zahl ist die Null. Sie ist als Chiffre die unerschöpfliche Potentialität, die alle Zahlen und Denkbarkeiten in sich birgt, der sie entspringen, in die sie zurückführen. Und alle zyklischen Zeiten sind für das Bewusstsein im Augenblick, in der zeitlosen Ewigkeit geborgen. Und alles Wissen des Geist-denkens ist einerseits Anlass zum Tun, andererseits Tor zum Nichtwissen, dem die Entdeckerfreude ewiglich entspringt.
Wo erwacht mein Interesse, wann horche ich auf, möchte mehr wissen, verstehen?
Wo versuche ich dem Geschehen auf den Grund zu gehen, zu erkennen? Worin liegt meine Schwierigkeit?
Ist mein Studium sporadisch, systematisch, was habe ich abgeschlossen?
Wo folgt einem Abschluss ein neuer Anfang?
Wo zeigt sich eine Kontinuität in meiner Entwicklung?
Kann ich meinen Werdegang beschreiben?
Was kann ich schnell erfassen, was nicht?
Wie kann ich die Lernfähigkeit und Erkenntnisfähigkeit fördern?
Wo und wie habe ich Hürden überwunden, welche sind noch zu nehmen? Wie werde ich es angehen?
Wann fühle, fühlte ich mich von der Zeit getragen in Einklang mit der Zeit?
Wann und wo meine ich etwas zu versäumen?
Wann bin ich ungeduldig, dass nichts geschieht? Wann tue ich nur um etwas zu tun? Wann tue ich zu wenig, habe Angst vor dem Tun? —Du findest IHN im Tun in allen Dingen
Wann, in welchem absichtslosen Tun bin ich glücklich und gelassen?
Wann ist mir das Tun lebendige Erfahrung, Gestaltung der Zeit?
Wann bin ich beschwingt, leichtfüßig, leichtfertig, wann lieblos?
Wann habe ich Klarheit, Vielseitigkeit, Freude im Tun? Wann und warum nicht? Wie kann ich dem Abhilfe schaffen?
Welches waren meine Freuden, meine Schwierigkeiten in der Schulzeit?
Was habe ich mit meinen Geschwistern gemeinsam?
Wann ergibt sich, worin besteht Gemeinsamkeit mit Gefährten in einer Gruppe? Wie schaffe ich den anderen Gedanken, Bewegung?
Welches Tun scheint mir besonders unsinnig, sinnlos?
Wo führt mein Wissen in Erkenntnis über? Was weiß ich wirklich? Was habe ich vergessen? Was vergesse ich niemals?
Wo neige ich zu oberflächlichen Verallgemeinerungen, zu vorschnellen Schlüssen?
Wo beobachte ich Vorgänge genau? Wo entnehme ich Information und gehe um einen Schritt weiter?
Wie gebe ich Information weiter?
Wo finde ich in der Freude am Geschehen meinen Lohn?