Schule des Rades
Wilhelmine Keyserling
Anlage als Weg
V. Die Fragen zum Häuserkreis
VIII. Körper fühlen · Haus des Vergehens und Entstehens
Haus des Todes · Tod — das Ungreifbare, Unfassbare, in dem wir dauernd leben: das Verklingen des Tones, auf dass ein anderer folgen kann, das Sterben von Zellen, das Lassen von Gedanken und Vorstellungen, auf dass neue entstehen können.
VIII ist das Tor der Urkraft als Entstehen — Vergehen — Bewirkendes. Das eigentliche Geschehen des Todes bleibt dem Bewusstsein verborgen und doch leben wir aus seiner Kraft der Erneuerung. Wessen Gewahrsein in ihr wurzelt, heißt es, für den seien alle Daseinsformen Übergänge. Den Tod in seinem Ursprung zu fassen ist Samadhi
. Das Wort bedeutet Tod; und die Berichte der klinisch Gestorbenen zeugen von dieser Phase der Seligkeit. Wer dessen inne wird, sucht nicht und scheut nicht das Sterben. Don Juan gründet seine Belehrung auf dieser Einstellung.
Buddhistische Mönche meditieren Leichen und Verwesung; christliche (Zisterzienser) schlafen in ihren Särgen, auf dass sich ein jeder mit seinem Tod, seiner einzigen Sicherheit verbünde, um jene Gelassenheit und Lebensfreude auszustrahlen, die dem von Angst Befreiten eigen ist.
Der Tod trennt die Menschen körperlich: Verlieren, Tränen, Trauer. Der Tod löst das Bewusstsein des Menschen von seinem Körper, der oft in gelöster Schönheit ruht, bevor er in Verwesung übergeht. Aber keine Energie geht im Universum verloren; sie wird frei und kann sich anders binden.
Dem großen Tod können wir gewöhnlich nicht ins Auge schauen; wir können uns nur dem Stirb-und-Werde anvertrauen. Das VIII. Haus sollte Haus des Vergehens und Entstehens heißen.
Das Stirb-und-Werde, wie es uns zugänglich ist, birgt eben die Zweiheit der Tendenzen des Fühlens im Trennen und Verbinden (die Farbe Purpur entsteht aus der Überlagerung der niedersten und höchsten Farbschwingung).
Im Horoskop birgt das VIII. Haus die Schwierigkeit oder Fähigkeit Ungewissheit zu ertragen, die Tendenz, Sicherheit aufzugeben im Vertrauen, immer wieder neu beginnen zu können. In Bezug zur Sexualität zeigt es eine Anziehung für das Ungewöhnliche, da Gewohnheit dem VIII. Haus nicht zuträglich ist. Nicht Dauer ist sein Kennzeichen, sondern erneuter Einsatz. Der Wunsch, Veraltetes abzulegen, mag zu Enthaftungsperioden im Fasten oder zu Exzessen in Konsumation führen; um Energie zu gewinnen, denn II - VIII ist die Achse:
Materie
das Bleibende
das Wandelnde
Energie
das Gestalthafte
das Keimhafte
Das bewusste Lassen kann sich auch im vergeuden, verwüsten, verlieren äußern oder in überraschendem finden und erben auswirken.
Wir dürfen auch den Wunsch und die Sehnsucht im körperlichen Bereich und die Bereitschaft zum Kampf nicht vergessen. Im VIII. Haus kann das Unerwartete im Lebens- oder Tageslauf in einem Augenblick des Dazwischen zum Durchbruch in eine andere Wirklichkeit, zur Erfahrung der Urkraft führen.
Wovor habe ich am meisten Angst? Was scheint mittödlich? (auch im übertragenen Sinne: tödliche Langeweile…)
Was zerstört meine Initiative, wie finde ich zu meiner Kraftquelle zurück, wann habe ich Kraft?
Welche Erfahrungen waren für mich leidvoll, furchtbar, schrecklich? Entstand das Leid durch Vorstellung, durch Nicht-lassen-können, oder war es echte Trauer?
Konnte ich mich in die Trauer fallen lassen, bis ich die Kraft der Trauer erfuhr?
Welches waren die freudigsten Erfahrungen meines Lebens? Ist meine Wunschkraft auf Erfüllung des Möglichen gerichtet, oder haftet sie an Unmöglichem?
Kann ich alles einsetzen, wenn es nötig scheint? Was setze ich ein?
Worauf kann ich schwer oder nicht verzichten, wann hat mich Verzicht befreit, worauf darf ich nicht verzichten?
Wo bin ich zerstörerisch, wo verwerfe, verliere ich unnötig, warum? Habe ich Zerstörung, Verletzung, Verlust erfahren — bewirkt?
Welche Überraschungen regen mich an, welche erschrecken mich, wo freut mich Unerwartetes, Überraschungen?
Wie stehe ich zum Geheimnis? Wann, welches konnte ich bewahren; habe ich die nötige Verschwiegenheit — unnötige Verschwiegenheit? Was haben sie mir gebracht?
Wie stehe ich zum Verbrechen, zum Wahnsinn?
Welche sexuellen Vorstellungen hatte ich, habe ich? Wie verhält sich die Vorstellung zum tatsächlichen Liebesspiel?
Habe ich Angst vor Schwäche, welche Art des Muts bewundere ich?
Was bedeutet für mich der Tod, habe ich Sterbenden beigewohnt, mich um Verstorbene (Begräbnis) gekümmert?
Wie stehe ich zu verstorbenen Eltern, Freunden?
Fürchte ich mich vor einer bestimmten Form des Sterbens?
Was ist in mir stärker als die Todesangst?