Schule des Rades
Wilhelmine Keyserling
Anlage als Weg
I. Die sieben Prinzipien des Bewusstseins
Funktionen und Bereiche
In allen Mythen und Religionen der Vergangenheit stoßen wir auf die besondere Bedeutung der Zahl sieben. Bei den Navaho Indianern sind es vier Schichten der Menschwerdung, die mit Hindernissen und Gefahren durchschritten, ins tatsächliche fünfte Reich des Menschen führen, über dem es noch ein sechstes und siebtes gibt. Auch im Christentum gilt der siebte Himmel als der eigentliche.
Die indischen Yogis kennen sieben dem Bewusstsein zugrunde liegende Kraftfelder als Chakras, als Energiewirbel, die es zu erwecken und zu verbinden gilt, um aus dem unsichtbaren Kraftstrom des Bewusstseins zu leben, über den Urkraft und Urlicht im Menschen wirksam werden.
Die sieben Prinzipien sind uns aber auch aus dem täglichen Leben bekannt, denn unser ganzes Wirken und Erfahren geht auf sie zurück. Wir wollen sie jetzt im einzelnen bestimmen, als ob wir die ersten wären, die sich damit befassen.
Die vier zeitlichen bezeichnen wir als Funktionen, die drei räumlichen als Bereiche. Aus der Vermählung der Vier mit den Dreien entstehen die zwölf Formungszentren des Bewusstseins, womit das erste Mal in der Geschichte der Astrologie die zwölf Tierkreiszeichen eine kritische Erklärung gefunden haben.
Unser Ansatz ist das Denken. Es geht im Denkweg nicht nur darum, dem Wirken der Natur auf die Spur zu kommen, sondern über diese Unterscheidung selbst zum Mitwirkenden zu werden. Auch dem Maler müssen die Farben in ihrer Sonderheit zur Verfügung stehen, damit er mit ihnen gestalten kann. Die Rückkehr zu den Wirkursachen (Konstanten und Parametern) ist in vielen anderen Gebieten bereits vollzogen: in der Physik und Chemie, in der Musik und Malerei ist die Suche nach den Prinzipien der Philosophie vorausgegangen, die erst heute für uns als Kritik aller Voraussetzungen aktuell geworden ist. Die moderne elektroakustische Musik geht auf Geräusch und Ton an sich zurück; die Maler des 20. Jahrhunderts untersuchten die Wirkung der Formen und Farben ohne Rücksicht auf den Bildinhalt.
In der Philosophie obliegt uns jetzt und hier diese Unterscheidung und Bestimmung der Prinzipien. Die Vierfältigkeit der Urvorgänge wird bereits durch die Entdeckung der vierten Dimension in der Mathematik (Einstein) nahegelegt. In der deutschen Sprache haben wir tatsächlich noch vier verschiedene Bezeichnungen für die Funktionen: empfinden, denken, fühlen, wollen. Aber auch bei uns wird fühlen oft fälschlich statt empfinden verwendet; zum Beispiel: etwas fühlt sich weich oder hart an; ich habe das Gefühl, dass mich der Schuh drückt.
In den vergangenen 2.160 Jahren im Zeichen der Fische, dem Zeitalter des Geist-fühlens, war letztere Funktion so dominierend, dass manche Sprachen wie englisch, französisch oder italienisch überhaupt keine Unterscheidung zwischen fühlen und empfinden kennen: to feel, sentir, sentire wird für beide Funktionen verwendet. So wurde die vierfältige Unterscheidung in eine falsche Dreiheit verstümmelt, und die Dreifältigkeit von Körper, Seele, Geist ist besonders in Europa zu einer Zweifältigkeit von sterblichem Körper und unsterblicher Seele entartet. Es wurde zwar viel von Geistigkeit und Geist geredet, aber der geistige Zusammenhang wurde von der Kirche gewahrt und durch den Heiligen Geist symbolisiert, der für den gewöhnlichen Sterblichen unwirklich und ungreifbar blieb. Auf ungarisch heißt der Heilige Geist zu allem Überfluss noch Heilige Seele (szent lèlek); für empfinden gibt es keinen Begriff.
Obwohl die sieben Prinzipien des Bewusstseins nie allein für sich auftreten, da sich jedes Zeitliche nur über ein Räumliches verwirklichen kann, lässt sich dennoch ihre Eigenart bestimmen und beschreiben.
Wir wollen nun versuchen, zuerst die vier Funktionen zu definieren.