Schule des Rades
Wilhelmine Keyserling
Anlage als Weg
VIII. Die Planeten im Enneagramm
Die Mondknoten
Die Mondknoten, Rahu und Ketu, sind nicht Planeten, sondern die Schnittpunkte von Sonnenbahn und Mondbahn, die sich rückläufig im Tierkreis verlagern.
Rückläufig bedeutet: nicht auf persönliche Erfüllung, sondern auf Abstimmung der eigenen Intention auf die Evolution der Menschheit gerichtet. Sie sind die Treffpunkte der inhaltslosen, integrierenden Lebenskraft der Sonne mit der Vorstellungskraft des Mondes. Es sind keine Impulse, sondern Einstellungen, Haltungen des Wollens.
Bei der Konstellation Rahu in Opposition mit der Sonne (Vollmond) kann Mondfinsternis eintreten; der Schatten der Erde verdeckt den Mond, die Vorstellungskraft ist ausgeschaltet. Bei Konjunktion Ketu-Sonne (Neumond) kann Sonnenfinsternis eintreten. Das Beschattetsein der einenden Mitte des Planetensystems (Sonne) hat die Menschen von jeher beängstigt. Doch Ketu, im Zeichen des Schützen beheimatet, weist darauf hin, dass die geistige Richtung des Menschen auf einen weiteren Zusammenhang bezogen ist — hinter dem Schützen das unsichtbare Zentrum der Milchstraße, ein schwarzes Loch, um das auch unser Sonnensystem kreist.
Rahu
EinstellungDomizil
Rahu bedeutet sich persönlich einsetzen, behaupten, durchsetzen; als Person auftreten; eintreten für besondere Anliegen von Personen, die man herausstellt, für die man einsteht. Der Impuls bedeutet Eigenart und Sonderheit zu erkennen und zu fördern. Wo man derart für ein Besonderes eintritt, wird man selbst ernstgenommen und beachtet.
Rahu stößt in persönlichen Anliegen zum Wesentlichen vor, zur Intention des Mitmenschen, macht sie zum Brennpunkt der Aufmerksamkeit. Um Handlungen herbeizuführen, sind andere Planetenkräfte nötig.
So mag sich mancher Erzieher besonders für seine Schüler einsetzen; ein anderer für die schöpferischen Künstler oder die Kunst eintreten; für Ideen, die ihm wesentlich erscheinen; für den Schutz der Tiere; für seine Mitarbeiter; für das Wohlergehen der Eingeborenen in Afrika.
Die Führungskraft des Rahu besteht eigentlich darin, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, indem man sein Augenmerk auf etwas richtet: wie ein Mann auf der Straße, der stehen bleibt und intensiv auf einen Punkt am Turm blickt; nach kurzer Zeit schart sich die Menge um ihn.
Ketu
EinstellungDomizil
Wo Ketu im Horoskop auftaucht, ist der Mensch empfangend; er ist offen, unmittelbar zu erfahren, einen tieferen neuen Zusammenhang zu erleben. Er wird begeisterungsfähig, spürt die Intensität, die Intention, die einem Geschehen, der Begegnung mit einem Menschen ( I.), einem Werk ( XI.), der Beethovensonate, einer Ausstellung im Museum, dem Sonnenuntergang zugrundeliegt.
Diese Fähigkeit, inspiriert zu sein, kann sich (über andere Planetenkräfte) mittels des Wortes, des Bildes, einer Handlung oder Bewegung auf andere Übertragen. So mögen wir oft tiefer erleben, wenn ein derart Inspirierter uns über einen Menschen oder ein Buch erzählt, als wenn wir diesem selbst begegnen oder jenes lesen.
Über die Auswirkung von Rahu und Ketu im Leben entscheiden Reife und Reinheit des Menschen. Wenn falsche Wünsche, mangelnde Bereitschaft, Teil des Ganzen zu sein, wenn Hintergedanken sich einschleichen, dann werden sie die reine Zuwendung (Rahu), den möglichen Empfang (Ketu) stören; dann mag Rahu zum Verführer statt Führer werden, Ketu ein Irrlicht für Offenbarung halten, sich in Irrwege und Sackgassen verlieren; denn Ketu sollte die Offenheit wahren.
Wir verwenden für die Mondknoten ihre indischen Bezeichnungen, weil die Hindus deren Bedeutung am tiefsten verstanden und in einem Mythos lebendig veranschaulicht haben:
Der Dämon der Erde hatte sich beim Göttermahl eingeschlichen, um vom Soma, dem Trank der Unsterblichkeit, naschend, das Göttliche dem Irdischen einzuverleiben. Er wurde entlarvt, die Götter waren entsetzt, weil damit die Menschen verloren wären. Indra fand einen Ausweg: ein nach dem Dämon geworfenes Beil trennte dessen Kopf vom Rumpf. Seither rotieren diese in gegensätzlicher Position im Tierkreis.
Der Wille ist das Unsterbliche, ewig Einende. Aber er verlangt immer Einung des Irdischen mit dem Transzendente. Rahu als Kopf ohne Rumpf entscheidet — aber nicht für das eigene Wohl, nicht für den eigenen Magen! Ketu, der Rumpf ohne Kopf, macht den Menschen zum Gefäß der Offenbarung.