Schule des Rades
Wilhelmine Keyserling
Anlage als Weg
IX. Die Planeten als Archetypen der Wassermannzeit
Immer wieder wurde in der Menschheitsgeschichte wie im Traum und der Vision, die neun Verwirklichungskräfte als Götter und Göttinnen gesehen: Merkur als Götterbote, Venus als Göttin der Schönheit und Liebe, Mars als Helfer im Kampf, Mond als Göttin der Familie, Jupiter als Göttervater, Saturn als Herrscher des goldenen Zeitalters aber auch als Sensenmann. Neptun, Uranus und Pluto sind erst im Zeitalter der Aufklärung wiederentdeckt worden, trotzdem entsprechen sie ebenfalls den unbewussten mythischen Vorstellungen des Menschen, die sich in jedem Zeitalter wandeln — in Relation zum Erstrebenswerten, Beängstigenden und Heldischen der Epoche.
Mit der Aufklärung und dem Fortschritt des technischen Zeitalters sind Mythen und Götter überhaupt in den Hintergrund gedrängt worden. Die Wirklichkeit wurde zu einem Laboratorium unbeseelter mechanischer Vorgänge, vom menschlichen Gehirn mittels Computer gesteuert.
Aber als Erbe der in der Neuzeit Besiegten und Unterworfenen — im besonderen der Indianer — kommt eine Einstellung zur Erde und zum All zurück, die den Menschen nicht als Herren der Natur, sondern als Teil des Ganzen sieht. Eine Generation wächst heran, die bei allem Interesse für die neueste Forschung mit Bäumen redet, die Erde als lebendiges Wesen, als Mutter Erde versteht, die Kraftlinien der Himmelsrichtungen als kosmische Mächte anspricht. Denn das beseelte Wesen Mensch kann nur mit Wesenheiten in Kommunion treten, und der autistisch vereinsamte Denker sehnt sich nach dem lebendigen Dialog mit der Natur und dem All.
Die moderne Psychologie greift auf die Kunst des Dialogs zurück, Mutter bin ich mir Kind, um Probleme zu erkennen und zu lösen: zum Beispiel soll das gekränkte Kind in mir mit der weisen Mutter (bzw. Vater in mir) im Zwiegespräch klären, was es eigentlich möchte, was ihm nicht passt.
Der Mensch entfaltet sich über das Wort. Von der Kommunikation, nicht nur mit Menschen, sondern mit allen Wesenheiten der Welt, hängt seine Entwicklung ab.
Es hat mich oft gewundert zu sehen, dass auch moderne Astrologen von Saturn oder Venus reden, als seien diese verehrte notable Bekannte, mit denen sie auf Du und Du sind. So werden Ihnen diese neun Ausdrucksformen der Schöpfung vielleicht mit der Zeit auch als Wesenheiten vorkommen, die sie zwar nie zur Gänze durchschauen, aber immer neue Aspekte ihres Wirkens erkennen. So die
- Mondgöttin als hohe Schwester, die uns Wort, Zeit, Augenblick und Freude zeigt — ohne Kummer. Sie hat nichts Bergendes, sondern bringt uns zum Wagen.
(Es ist nicht ihre Schuld, wenn wir uns aus mangelnder Erdverbundenheit in Phantasien verlieren). - Venus, Licht der Schönheit, mal führend, mal mitreißend, von Intensität zu Intensität springend, tanzend.
- Mars ist die Fähigkeit, der Sehnsucht Kraft zu verleihen und nicht zu ruhen, bis das Ziel erreicht ist; keine Mühe zu scheuen, aber auch den anderen dabei brüderlich verbunden zu bleiben.
- Merkur der Heitere hüpft durch alle Welten, sorgt dafür, dass wir nie Mangel erleiden und immer den Ausweg finden. Er gibt uns aber auch für andere die echte Formulierung der Antwort, die ihnen eine höhere Seinsstufe zugänglich macht — Unterscheider der Welten. Merkur bestimmt die Dinge und Qualitäten ohne Verbrämung. Er ist das Verbindende und Trennende in Heiterkeit.
- Saturn ist Können ohne Schmach, Beschränkung auf das Notwendige in Heiterkeit. — Er entspringt der Gestalt des Thor als Helfer.
Und was ist Jupiter, die königliche Kraft des vergangenen Zeitalters?
- Jupiter lebt die große Gemeinsamkeit, in die wir hineinwachsen, die in unserer Zeit neu erstehen muss.
- Uranus ist Walter des Kommenden, Helfer der Forschenden, aber unerbittliche Grenze für jene, die die Stufen nicht bewältigen. Es scheitert, wer nicht imstande ist, das nötige Wagnis zu unternehmen, um in ein höheres Sein zu treten, sich in Frage zu stellen: der Rechtschaffene. Uranus ist der Fortschritt im Geistigen.
- Neptun schafft Verbindung zwischen Menschen, ist die Kraft des Überzeugens aber auch des Zerstörens, wenn kein Weg mehr aus der Verhärtung führt.
- Pluto ist der Weg des Unwegsamen, die Kraft, das Unwahrscheinliche durch Schaffung richtiger Bedingungen dennoch zu meistern. Pluto heißen die Mächte der Verkörperung und Verwirklichung, weil Verwirklichung das Bestehende betrifft, Verkörperung das Ungegebene.
- Sonne ist die Wesensteilnahme, Freude an Sein und Leben.