Schule des Rades

Arnold und Wilhelmine Keyserling

Ars Magna

V. Magie · Das Tor des Südens

Wakhan · Skwan

Ursprung der Welt ist Wakhan, das Große All, die Urmutter der Welt, der alles entstammt, dargestellt als leerer Kreis.

W a k h a n

Wakhan erzeugt ununterbrochen Skwan, den Urvater, die Heilige Schöpfung, als Spirale dargestellt, für uns kosmologisch die Milchstraße.

S k w a n

Die Schöpfung ist der Urvater, der dauernd von der Urmutter erzeugt wird. Und während man die Urmutter gläubig im Urvertrauen verehrt, muss man in seiner Leistung der urväterlichen Schöpfung gewachsen sein, ihre Schönheit vermehren und ihr nicht schaden. Nur in dieser Haltung wird das innerste Wesen Wakhan und Skwan gleich, der Mensch ein echtes Kind Gottes.

Die dauernde Verwandlung von Wakhan in Skwan, von der Urmutter zum Urvater geschieht für den Menschen in der Bewusstseinsmitte, dem Zentrum des Rades, welches durch die Einserdiagonale mit dem Chi, dem Holon verbunden ist. Sobald der Mensch aber die innere Ruhe verlässt, um an der Welt mitzuwirken, bedarf er der bewussten Beziehung zwischen Tonal und Nagual, zwischen Lambdoma und Gamma. Diese Beziehung ist das Geheimnis der Magie, die heilige Zählweise der Menschen der Altsteinzeit. Um sie zu verstehen und sie dem Rad zu integrieren, müssen wir eine weitere Überlieferung einbeziehen, die germanische, die mir durch Emil Rüdiger vertraut wurde.

Dieser hatte von seinen Lehrern der Bauhüttentradition das sogenannte Schöpfergesetz überliefert bekommen und versuchte es sein Leben lang als Runenzauber zu interpretieren. Zu seinen Lebzeiten war das Wissen nicht groß genug, um den Zusammenhang mit den anderen Überlieferungen zu verstehen. Doch heute ist es möglich, die germanische und indianische Zählweise als Einheit zu schauen. Die germanische Kabbala, der Futhork hatte als Grundsymbol die Hagalrune, das Chi. Sie bedeutet: der Atem schwingt im Heiligen All. Sie besteht aus folgenden Runen:

HAGAL
H a g a l
IS
I s
NOT
N o t
EH
E h
MAN
M a n
YRR
Y r r

I s
Die Is-Rune, die Grundlage des Ich, ist die innere Achse des Chi. Nur wenn diese auf die Erdmitte bezogen ist, dann wird der Mensch aufrichtig durch seine senkrechte Achse und fähig, die Offenbarung zu aktualisieren.
M a n
Die Man-Rune zeigt, dass der Mann aus dem Nagual empfängt, von oben und seine Vision im Tonal verwirklicht.
Y r r
Die Yrr-Rune veranschaulicht, dass die Frau von unten aus der Erde empfängt, vom Tonal her, und deren Bedürfnisse versteht. Beide zusammen in der Zwillingskreuzigung schaffen die Voraussetzung der Verbindung von Himmel und Erde, Hagal. Der gleiche Zusammenhang wird im Schöpfungsmythos der Navaho beschrieben, wo erster-Mann und erste-Frau, nachdem sie im Aufstieg aus dem Dunkel auf die fünfte Stufe des Menschen gestiegen waren, sich im Hogan mit den Köpfen gegeneinander nach Ost und West legten, um in ihren heiligen Gedanken das Werk der Zivilisation mit der Schaffung des Tierkreises zu beginnen.

Durch die beiden anderen Runen, die Eh-Rune und die Not-Rune, entstehen die beiden heiligen Zählweisen,

E h
mittels denen der Mensch über die Eh-Rune die Geister anrufen kann, da er sich im Sippengesetz zur Familie des Kosmos gehörig weiß,
N o t
als auch in der Not-Rune dann, wenn Not besteht, diese durch Beschwörung wenden kann.

Indianisch heißen sie Invocation-Count und Conjurers-Count. Die Eh-Rune, das Sippengesetz, geht von unten nach oben, ist rechtsläufig im Sinne des Himmels. Die Not-Rune ist linksläufig, von rechts nach links, und gibt dem Menschen die Macht, magisch einzugreifen.

Im Rad hebt die Eh-Rune bei der Achse Stier-Erde an, also im Empfinden, sowohl im Tonal als auch im Nagual. Der Ansatz beginnt in der praktischen Bemühung des Sadhanapada. In der Not-Rune beginnt sie im Wassermann, Körper-denken im Tonal, Geist im Nagual, der Weg des Wunders, Vibhutipada. Beide treffen sich im Punkt zehn, sonst der Nullpunkt des Chi, und schreiten weiter bis zur Zwanzig an das Ende der beiden Achsen des Gamma. Die Zählweise beruht auf den ganzen Zahlen — Geist und empfinden gehören zur ersten Dimension, die sowohl für die Anrufung als auch für die magische Beschwörung dienen.

In der germanischen Überlieferung heißt die Summe aller Zahlen das GOT, das den männlichen und weiblichen Runenkräften gleich dem indischen Brahman als Es, gleichzeitig männlich und weiblich, zugrundeliegt. Rüdiger nannte sie das Schöpfergesetz, das im Einklang mit der Edda nur bis zur Zahl 18 überliefert war und so die entscheidende Befreiung des Menschen dem Bewusstsein entzog.

20 ist die Zahl von Tonal und Nagual, von Tonkreis und Lichtkreis, 12 und 8. Es ist die Zahl der menschlichen Finger und Zehen, die mit dem ganzen Körperbild in Einklang stehen: die rechte Hemisphäre kann nicht weiter als bis 20 zählen, wie Sperry nachgewiesen hat. Sie muss also alle Inspirationen in diesem Rahmen erfassen können.

Der Schlüssel der 20 hat unterschwellig in vielen Traditionen weitergewirkt, so auch im Tarot. Erst durch Storm ist die Klärung so weit gelungen, dass die alte Überlieferung den Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Wissen findet und das Tor des Südens eröffnet.

Bei den Indianern wird die heilige Zählweise auch in der Sweatlodge geübt, wo sich der Mensch in eine Schwitzhütte begibt, um die Einheit mit Großmutter Erde in der Reinigung wiederzugewinnen, eine immer wiederholte Neugeburt. Diese hat vier Abschnitte gemäß den Himmelsrichtungen.

  • Im ersten Viertel des Südens bitten nach Anrufung von Wakhan, Skwan, den Mächten der vier Richtungen und allen Heiligen die Adepten unter Führung des Schamanen für sich selbst, um Unschuld und Vertrauen wiederzugewinnen.
  • In dem zweiten westlichen Viertel bittet man für das Wohl aller Verwandten und Bekannten, die man gern hat und denen man helfen möchte.
  • Im dritten nördlichen Viertel entscheidet man sich to take ones power seine Macht zu erreichen, indem man alle Leiden, Schmerzen, Demütigungen und Schwächen weggibt, giveaway.
  • Im vierten östlichen Viertel kommt nun die eigentliche Anrufung, durch welche die Mächte des Himmels und der Erde in die Schwitzhütte eintreten, um das Wollen und Wesen des Menschen zu stärken.

Der Süden ist die Richtung der Seele, von Vertrauen und Unschuld. Es ist gleichzeitig im Rad Medium Coeli, die Himmelsmitte, also die Öffentlichkeit. Dies ist nun der entscheidende Gedanke. Die Einheit zwischen Mensch und All darf nicht nur privat im Verborgenen geschehen wie in den letzten 10.000 Jahren, da sie das Anliegen der Gattung ist: sie muss öffentlich werden, die Ehrfurchtsmitte bilden, damit der Urzusammenhang zum GOT wiedergefunden wird.

Die Reihe der Anrufungen von 1 - 10 ist innerhalb des Tonal im Lambdoma, jene von 10 - 20 im Nagual im Gamma. Beide Zahlenreihen spiegeln sich, 11 - 20 bedeuten das gleiche wie 1 - 10, nur eben vom All her gesehen.

Arnold und Wilhelmine Keyserling
Ars Magna · 1982
Kriterien der Offenbarung
© 1998- Schule des Rades
HOMEDas RAD