Schule des Rades

Arnold und Wilhelmine Keyserling

Ars Magna

I. Astrologie

Tonkreis

Der Einstellungskreis entspricht den Pigmentfarben; in ihnen weist das Bewusstsein eine bestimmte Färbung auf, ist gleichsam grün oder blau. Gleichzeitig steht das persönliche Horoskop, der eigene Äquator in einem bestimmten Verhältnis zum Tierkreis. Dies bedeutet die Eingliederung des persönlichen erdbezogenen Ichbewusstseins in das kosmische Bewusstsein des Menschen im All.

Die Gefahr des Einzelnen ist, sich auf wenige Gebiete zu beschränken, die er zufällig erlebte, und daher die Mitte nicht zu erreichen, die nur über die Gegensätze zum Erlebnis wird. Daher ist der Weg, das imaginale Bewusstsein in seiner Fülle zu erringen, im Mythos und im Märchen zu finden, in der frei spielenden Einbildungskraft. Jeder Vorstellungszusammenhang unterhalb der Erdstruktur ist nicht im Einklang mit dem instinktiven Bewusstseinsgefüge. Es ist aber nicht schwerer, den imaginalen Rahmen auf die tatsächliche Erde auszudehnen, als sich als Deutscher, Chinese oder Amerikaner zu fühlen. Die Problematik der Entwicklung des Menschen ist nicht räumlich, sondern zeitlich. Daher ist sie nicht im Bereich der rechten imaginalen Hemisphäre, sondern der linken analytischen und zeitbezogenen, die durch die Welt der Töne verständlich wird.

Ton bedeutet eine longitudinale Schwingung, die über Resonanz im Rahmen der Intervalle von einem Körper auf andere übertragen wird. Ursprung des Tones ist der Rhythmus als regelmäßige Pendel- oder Kreisbewegung. Auf der Erde ist der Grundrhythmus der Zeit die Sekunde, mit der das menschliche Gewahrwerden gekoppelt ist, das zwischen Beobachtung und Erinnerung alterniert.

Wird der Rhythmus schneller, so wird er als Ton vernehmbar. Diese Schwelle liegt bei 16 Hertz und gilt nicht nur für das Ohr, sondern auch für das Auge: 16 kinematographisch dem Auge in der Sekunde dargebotene Bilder werden als kontinuierliche Bewegung erfasst. Hierbei ist das qualitative Grundgesetz die Oktave: doppelte Schwingung hat den gleichen Tonwert wie die einfache: 2 = 1.

Dieses Grundgesetz bestimmt die ganze Natur. Auch der menschliche Organismus entsteht nach Vereinigung von Same und Ei zur Urzelle durch laufende Zweiteilung bei gleichzeitiger Identität: 1 · 2 · 4 · 8 · 16 · 32 · 64… Nach 47 Teilungen ist die Gesamtheit der Zellen vorhanden und wird fortan nur noch ergänzt.

Das Oktavgesetz ist der Schlüssel der Astrologie. Alle Rhythmen des Kosmos sind durch Entsprechung aufeinander bezogen. Die Kreisläufe der Planeten stehen im Einklang mit den Schwingungen der Atome. Hieraus ergibt sich die pythagoräische Harmonie der Sphären, der Zusammenklang von Makrokosmos, Mikrokosmos und menschlichem Größenbereich.

Die Maßlängen der hörbaren Töne als Luftschwingung sind im Einklang mit dem Organismus: der unterste hörbare Ton hat mit 16 Hertz bei der Schallgeschwindigkeit von 340 m pro Sekunde eine Wellenlänge von etwa 22 m, der oberste von 20.000 Hertz liegt bei 1 mm. Der Tastsinn ist erdbezogen, das Auge kann die kleinsten Energieeinheiten wahrnehmen. Nur das Ohr schafft die Orientierung des Menschen in seiner Welt, die er im Einklang mit seinem Tonal gestaltet.

Die Tonschwingung ist eine regelmäßige Longitudinalschwingung, bei der Maßlänge und Frequenz im umgekehrten Verhältnis stehen. Nehmen wir als Tonerzeuger eine Saite eines Monochords. Diese Saite schwingt im Grundton erst der Breite nach. Dann gliedert sie sich der Länge nach und erzeugt dadurch die Obertöne.

  • Bei Grundton c erklingen die zwei Hälften der Saite als obere Oktave c;
  • die drei Drittel als Quinte g,
  • die vier Viertel als zweite Oktave c;
  • die fünf Fünftel als große Terz e;
  • die sechs Sechstel als Oktave der Quinte g;
  • die sieben Siebtel als Naturseptime, die außerhalb des Tonsystems liegt
  • die acht Achtel als dritte Oktave c;
  • die neun Neuntel als große Sekund d;
  • die zehn Zehntel als Oktave der großen Terz e.

Der Schritt von c zu d, und von d zu e, als Schwingung 9/8 und 10/9 wird von Gehör in beiden Fällen als Intervall der großen Sekund wahrgenommen, als großer und kleiner Ganztonschritt. Dies zeigt ein weiteres Grundgesetz der Tonwelt: die Resonanz erfolgt im Rahmen der Toleranz. Intervalle werden im Rahmen des diatonischen Kommas 81/80 als stimmend wahrgenommen, woher die Möglichkeit besteht, in Kreuztonarten, b-Tonarten und auf der temperierten Skala des Klaviers zu musizieren und damit die Töne dem Kreis der Intervalle einzugliedern.

Den Obertönen entsprechen Untertöne, wo die Vermehrung die Raumlänge, die Verminderung die Frequenz bestimmt. Beide weisen verschiedene Qualitäten auf:

1
c
c
2
c
c
3
g
f
4
c
c
5
e
as
6
g
f
7
x
x
8
c
c
9
d
b
10
e
as
Obertöne
Untertöne

Ihr Zusammenhang im Verhältnis zur Geometrie wird durch das von Pythagoras entdeckte Lambdoma veranschaulicht, das im vorigen Jahrhundert von Freiherr von Thimus in den Schriften des Jamblichos gefunden, und von Hans Kayser in diesem Jahrhundert ausgearbeitet und kommentiert wurde,

Die mittlere Diagonale hat den Wert 1. Links von ihr sind die Obertöne, als Schwingungen höher, als Maßlängen kleiner als 1; rechts darüber weist die Tafel auf die Untertöne bis zur zehnfachen Länge des Grundtones.

Dank dem Oktavgesetz entspricht nun die Obertonreihe als Zeitrhythmen den verschiedenen Planeten, wobei der Nullpunkt des Lambdoma als die Sonne, die Lichtquelle wirkt, vergleichbar der singenden Stimme, die die Töne erzeugt, oder dem Spieler eines Instruments. Hier wird nun die Dramatik des Tonal verständlich: jeder Rhythmus, jeder Ton, bedeutet eine eigene Tätigkeit, die instinkthaft gesteuert ist.

Wo wir Sinnesqualitäten beobachten und denkerisch verstehen, ist jede von ihnen als Wechselverhältnis von Maß und Schwingung zu begreifen. In den Planeten haben wir die Parameter von Schwingungen und Maßen, die Qualitäten sind zu erschließen. Das hat seit Beginn der Geschichte die Forschung der Astrologie gekennzeichnet, die immer neue Parameter entdeckte. Wir wollen hier nur die Ergebnisse und nicht die historische Entwicklung betrachten, da durch diese allein die Integration der Wesenskräfte verständlich wird.

Das Lambdoma vereint Raum und Zeit, gehört also nicht mehr zum Empfinden, sondern zum Denken. Töne lassen sich im Rahmen der Toleranz miteinander in Beziehung setzen, wenn jener gemeinsame Nenner gefunden wird, der alle Intervalle der Ober- und Untertonreihe einbegreift. Dieser Nenner ist der geometrisch temperierte Quintenzirkel, dessen philosophische Bedeutung Josef Matthias Hauer als Rahmen allen Verstehens begriffen hat. Die Quinte kehrt nach einem Raum von sieben Oktaven zum Ausgangspunkt c zurück; wobei jede Quinte sieben Halbtöne umfasst, sodass der Quintenzirkel 84 Halbtöne einschließt. In diesem Rahmen lassen sich die Intervalle geometrisch veranschaulichen, woraus die Aspekte der Astrologie entstanden sind.

A s p e k t e

180°, die Opposition, musikalisch der Triton 1 : W u r z e l - 2 bestimmt das Wollen. 120°, Trigon, musikalisch die große Terz und die kleine Sext als Gegenintervall, bestimmt das Empfinden. Zur gleichen Funktion gehört das Sextil, 60°, die große Sekund, und deren Gegenintervall, die kleine Septim. Alle Intervallaspekte, die zusammen 180° ausmachen, gehören funktionell zusammen.

90°, das Quadrat, die kleine Terz und die große Sext bestimmt das Fühlen. 150°, der Quincunx, die große Septim und die kleine Sekund, gehört zum Denken; ebenso das Halbsextil, 30°, die Quinte mit dem Gegenintervall der Quarte, die fünf Halbtöne einschließt.

Arnold und Wilhelmine Keyserling
Ars Magna · 1982
Kriterien der Offenbarung
© 1998- Schule des Rades
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