Schule des Rades
Arnold Keyserling
Atlas des Rades
III. Semiotik
5. Inbegriffspaare
Die Division schafft das Denken, die Multiplikation die Seele. Die Funktionen bestimmen das Empfinden der Sinne, das Denken der Worte, das Fühlen der Triebe, das Wollen der Kräfte. Der Bereich des Körpers umfasst die Materie, jener der Seele die personalen Beziehungen und der Geist die imaginale Welt. Funktionen können sich nur in Bereichen abspielen, daher entstehen im Rad zwölf Inbegriffe.
Die Funktionen sind linksläufig, die Bereiche rechtsläufig im Rad abzulesen.
In der Ekliptik sind die Inbegriffe der logische Zugang kollektiv und räumlich zum Tierkreis, persönlich und zeitlich zum Häuser- und Lebenskreis. Die Inbegriffe sind die letzten Worte des Rades. Kein anderes Wort ist Kriterion. So gibt es 22 Grundbegriffe: Wortarten und Inbegriffe. Sie sind die Grundlage der großen Arkana des Tarot.
Eine zeitliche Funktion kann sich nur in einem räumlichen Bereich vollziehen. Ich kann im körperlichen Bereich denken, dann erzeugt mein Bewusstsein Geräte und Maschinen. Im seelischen Bereich entstehen Recht und Sitte, Verkehr und Kommunikation. Im geistigen erkenne und bestimme ich Informationen, Wissenschaften und mathematische Zusammenhänge.
Die Bereiche sind zu vereinen, die Funktionen sind zu trennen, aus dem assoziativen Bewusstsein zu lösen, wie es der indische Yoga lehrt.
Die zwölf Inbegriffspaare sind das Weltfeld, worin sich alles vollzieht, was dem Menschen zur Schaffung seines Wortleibes dienen kann. Das Urbild dieses Kreises ist im Himmel mit den Sternen und Planeten. Der Tierkreis ist das immanente Bild Gottes, er entsteht durch die Vereinigung von Sonne, Mond und Erde. Die Reihenfolge der Funktionen verläuft gegen den Uhrzeigersinn, jene der Bereiche im Uhrzeigersinn. So haben wir im Rad einerseits sieben Grundbegriffe, die die Welterfahrung gliedern, andererseits die zwölf Inbegriffspaare, die das gesellschaftliche Geschehen und ferner den Entwicklungsweg von Mensch und Menschheit veranschaulichen.
Grundbegriffe
- Gewahrsein
- Geist
- Seele
- Körper
- wollen
- fühlen
- denken
- empfinden
Inbegriffspaare
- Seele-wollen
- Körper-empfinden
- Geist-denken
- Seele-fühlen
- Körper-wollen
- Geist-empfinden
- Seele-denken
- Körper-fühlen
- Geist-wollen
- Seele-empfinden
- Körper-denken
- Geist-fühlen
Persönlich bestimmen die zwölf Inbegriffe den Rahmen der Entfaltung des Bewusstseins, wobei die Wesensstruktur des Einzelnen sich als Kombination der Komponenten aller vier Gebiete des Rades darstellt. Doch der Schwerpunkt des Gemüts liegt im Geist, in der Vorstellung. Daher ist die menschliche Umwelt als Feld der Verwirklichung nicht persönlich, sondern gattungsmäßig zu verstehen. Erst durch Einverleibung in einen der Inbegriffe kann eine Handlung rationalisiert werden, wobei kollektive und persönliche Aspekte ineinandergreifen.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII. Seele-wollen
Körper-empfinden
Geist-denken
Seele-fühlen
Körper-wollen
Geist-empfinden
Seele-denken
Körper-fühlen
Geist-wollen
Seele-empfinden
Körper-denken
Geist-fühlen ·
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· Politik
Kunst
Wissenschaft
Heim
Erziehung
Wirtschaft
Recht
Kampf
Religion
Staat
Technik
Heilkunst
Die zwölf Inbegriffe in all ihren Bedeutungen bilden den Rahmen der menschlichen Zivilisation, aus dem alles Sprechen und Handeln ansetzt; nichts kann bewusst werden, was nicht über eines der Gebiete begreiflich wurde. Diese Tatsache, undeutlich gespürt, war der Seinsgrund der Reiche im unterschied zu den Staaten als Interessengemeinschaften; denn wenn nicht alle zwölf Gebiete raumzeitlich aufeinander abgestimmt sind, bilden sich falsche Zentren in Entsprechung zu falschen psychischen Identifikationen (Komplexen), die eine persönliche Erfüllung in der Öffentlichkeit unmöglich machen.
Zwischen den Inbegriffen ergeben sich ganz bestimmte Beziehungen:
Im Gegensatz stehen:
Person · PolitikKunst · Reichtum
Wissenschaft · Information
Heim · Familie
Meisterung · Erziehung
Arbeit · Wirtschaft ·
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· Gemeinschaft · Recht
Kampf · Zerstörung
Bildung · Religion
Staat · Beruf
Werk · Technik
Heilkunst · Erfüllung
Im ergänzenden Dreieck befinden sich:
vom Denken aus:vom Fühlen aus:
vom Empfinden aus:
vom Wollen aus: Wissenschaft
Heim
Kunst
Politik Recht
Kampf
Wirtschaft
Erziehung Technik
Heilung
Staat
Religion
Jeder Mensch ist für sich der ganze Kreis, im Verhältnis zu anderen tritt er jeweils über eines der Gebiete in Beziehung als:
- Führer
- Künstler
- Forscher
- Familienvater
- Erzieher oder Darsteller
- Kaufmann
- Unterhändler
- Kämpfer
- Dichter und Künder
- Beamter
- Techniker
- Arzt
Andere erleben ihn gleichsam als Ton — mit dem Schwerpunkt auf der Person (personare = durchklingen), grammatikalisch dem handelnden Subjekt — er sieht sich als Feld, muss sich als solches erkennen; denn nur aus der Gesamtheit der Inbegriffe kann er die Mitte des Kreises, das wahre Bewusstsein erreichen.
Diese Mitte ist verankert im Unerschöpflichen, sie ist jenseits aller Person — die Nabe des Rades, welche im Strudel der Ereignisse ruht. Diese Nabe wird dann und nur dann zum Träger, wenn das Rad selbst in all seinen Aspekten zum Werkzeug wird — wenn der Mensch sowohl sich selbst, seine Anlage, als auch die äußere Wirklichkeit der Erde und des Kosmos als Weltalphabet, als Klaviatur seines Denkens versteht.