Schule des Rades
Arnold Keyserling
Atlas des Rades
I. Numerologie
5. Selbstaktualisierung
Die Ziffern bestimmen räumlich und zeitlich die Selbstaktualisierung:
Die Ordnung der Attraktoren geht durch die Mitte des Rades, das Selbst. Die Ordnung der Bewusstseinsschichten folgt den Diagonalen des Ichs und ist durch die verschiedenen Gehirnströme im Neocortex bestimmt. Sie ist gleichzeitig sieben- und achtfältig in den Rechnungsarten und fünffältig in den Zahlenarten. Ihre Rolle zeigen die 4 Diagonalen der Zahlenarten: die ganzen Zahlen der ersten Dimension, die rationalen der zweiten, die reellen der dritten und die komplex-fraktale der vierten. Sie schließen vom Ich her einander aus, das nur in einer Rechnungsart assoziieren kann. Die fünf Stufen bilden die mystische Einweihung der Hypnagogik. Jede Nacht durchläuft der Mensch die Stufen von Wachen, REM-Traum oder Reflexion, Träumen und Tiefschlaf. Bei acht Stunden Schlaf vollziehen sich die Perioden der Integration der mentalen Problematik in folgenden Abschnitten:
7, 14, 21, 28, 35 Minuten. Jedesmal, wenn man die Wachschwelle erreicht, kommt erneut der Befehl zum Einschlafen. Verfehlt man eine Periode, so ist es besser, wach zu bleiben, zu lesen und dergleichen, weil erst nach dem Abschnitt ein neues Einschlafen leicht möglich ist. In der Mystik lauten die Initiationen, etwa im griechischen Heilungstempel von Kos:
- Schlaf - Frage, Situation oder Berufung,
- Traum - Abwaschung aller Vergangenheit, wo die christliche Taufe herrührt,
- Reflexion - entsprechend zum REM-Traum, fasten, Trennung von den Trieben,
- Wachen - Vereinigung des Gegensatzes von männlich und weiblich, Mondgöttin und Sonnengott,
- Gewahrsein - mit dem Heiler Asklepios, dem Schlangengott. Damit wird die Enthüllung des Jenseits rituell für das Ich aus dem Wollen erreicht, die in Afrika, Australien oder Amerika mit schwerer Askese verbunden war.
Der Ansatz ist der Tiefschlaf · Deltawelle Δ · mit der Schwingung 2-3 Hertz, dann der tiefe Traum · Thetawellen θ · 4-7 Hertz, der REM-Traum oder die Assoziation · Alphawellen α · 8-15 Hertz, das Wachen · Betawellen β · mit der Sinnesschwelle bei 16 Hertz, von 16-32 Hertz und schließlich das Gewahrsein von 32-64 Hertz, die Schwelle des keimhaften Denkens im Einklang mit dem genetischen Code und dem chinesischen Buch der Wandlung, welches das 11. Kapitel erhellt. Diese hat als Subjekt die Sekundenschwingung, die zwischen Beobachtung (linke Hemisphäre) und Erinnerung-Integration (rechte) alterniert mit der Frequenz von einem Hertz.
Betrachten wir nun die vier Schichten im Großhirn:
Wir müssen aber das Gehirn nicht geviertelt betrachten, sondern linke und rechte Hemisphäre, vordere und hintere Verbindung zwischen beiden, sie funktionieren jeweils als Hälften. Links im Wachen ist das Bewusstsein digital. Die Zeit ist wirklich, die Vergangenheit ist nicht mehr, die Zukunft noch nicht. Rechts im Traum ist der Raum wirklich als Erinnerung. Ich kann genauso trauern über ein vergangenes Ereignis wie Angst haben vor einer negativen künftigen Erwartung.
Im Wachen muss ich mich aller Vorlieben enthalten und die Sinnesdaten akzeptieren wie sie sind nach ihrem Gesetz, also für die Töne der Tonkreis, für die Farben der Farbkreis, für die Materie das periodische System der Elemente. Sie haben keine Substanz, diese liegt nur im Ich, das sie funktionell zusammenfügt.
Im Traum muss ich dessen Sprache der vier Elemente und das astrologische Körperbild als Raster kennen, die Bilder nach diesem Schlüssel interpretieren und auf die Zukunft hin deuten. Der Traum hat im Schlaf einen bestimmten Rhythmus, wie folgende Darstellung zeigt (bei acht Stunden Schlaf).
Jede Nacht schläft man fünfmal. Zuerst wandert der Schwerpunkt vom Wachen hinunter in den Tiefschlaf; dann kommt noch jenseits der phänomenologischen Erfahrung der Thetatraum, ein großer Traum im Sinne von Mythos oder Märchen, dann folgt der REM-Traum mit der Tendenz der Wiederherstellung des mentalen Gleichgewichts. Danach geht es wieder zur Schwelle des Wachens, woher der Befehl zum wieder Einschlafen kommt. Die REM-Traumperioden, durch die schnelle Augenbewegung hinter den Lidern erkennbar, sind bei einem achtstündigen Schlaf steigend: 7, 14, 21, 28, 35 Minuten. Währenddessen ist die Alphatätigkeit stärker als im Wachen, wie sich an den Gehirnströmen feststellen lässt.
Die Folge der Traumstufen gibt den Schlüssel zur Einweihung in die griechischen Mysterien, wie bei Asklepios in Kos, die ich in einem anderen Buch beschrieb. Das Wachen und die Vorstellung sind bewusst. Der Traum, sowohl als REM als auch als Tiefentraum und der Schlaf sind nicht bewusst, sie müssen ermittelt werden.
Betrachten wir nun diesen Zusammenhang nach dem kosmogonischen Schema, dann erfahren wir das Wachen durch die Klärung der Sinne zur unassoziativen Wahrnehmung, wie sie der Einführungsunterricht einer Kunstschule lehrt. Die Sprache verlangt Unterscheidung von Meinung und Wissen, die Traumwelt dagegen eine Interpretation. Sie ist bis heute nur therapeutisch untersucht worden, das gleiche gilt für den unbewussten Tiefschlaf. Das Gewahrsein ist die Kurve selbst.
Im Schlaf, der durch die Aufmerksamkeit in der Ruhe integriert wird, ist der Rhythmus der Deltawellen auch die Spanne, in der eine Erfahrung zur Erinnerung werden kann, zwischen 2 und 3 Sekunden. Die Schwingung von 1 Sekunde ist das Subjekt des Gewahrseins, es alterniert im Sekundenrhythmus zwischen links und rechts, Erinnerung und Beobachtung. Die Erinnerung ist Integration, sie gleicht der Oktave. Die Beobachtung macht neue potentielle Inhalte bewusst, sie hat als Rahmen den Quintenzirkel.
Die sagitale Teilung des Gehirns macht die Verschiedenheit zwischen Traum und Wachen, Raum und Zeit bewusst. Hier gilt es die rechte unterbewusste Hemisphäre zu erwecken. Die laterale Teilung trennt den vorderen Motorcortex des Wollens vom hinteren sensorischen Cortex der Integration; er bildet die Grundlage der Vorstellung. Vorne wechselt die Aufmerksamkeit zwischen rechts und links, hinten ebenfalls, aber nicht formal sondern inhaltlich. Während für das Wollen nur der Sinn entscheidet und über die Zahl ins Handeln führt, ist hinten die Ebene des Wortes und der Sprache, die Bedeutung. Bild wird zum Wort von rechts nach links (im Gehirn); Wort zum Bild von links nach rechts. Wir sind gewöhnt, die eine Richtung zu akzeptieren, nämlich Worte zu veranschaulichen, etwa bei einem Roman einen inneren Film ablaufen zu lassen. Nur die Künstler erlauben sich, die Einfälle in Wort oder Gebärde, in Gestaltung zu verwandeln. Aber wer nicht beide Richtungen kennt, ist nicht imstande, seinen Geist als Sahasrara zu integrieren.
Wahnsinn entsteht, wenn Traumerlebnisse nicht mit dem Wachen zu versöhnen sind. Man könnte den Wahnsinnigen aber dem Stumpfsinnigen gegenüberstellen, wenn einer überhaupt an keine Begeisterung, an keine Phantasie herankommt.
Die Stufen von empfinden und denken sind bewusst in der linken Hemisphäre; im Körper werden sie nach der Geburt integriert. Ab dem Fühlen sind die Chakras oberhalb des Bewusstseins. So bedeutet die Beschränkung auf den Rationalismus wie im logischen Positivismus eine mangelnde Integration.
In der Traumwelt ist das Subjekt das Selbst, in der Wachwelt das Ich. Beides sind verschiedene Personen. Die Raumperson ist das Selbst, das seit der Schöpfung als Quant existiert; die Zeitperson ist das Ich, dessen Existenz zwischen Geburt und Tod besteht, das aber den Überstieg in die göttliche Welt des Gewahrseins schaffen kann. Seele und Geist, also der Kopf — das Vishuddhachakra ist noch im Nacken — sind nicht persönlich sondern überpersönlich. In der physiologischen embryonalen Entwicklung haben sie als Befruchtung und Polarisation noch keine Individualität. Diese beginnt mit der Oktavierung der Urzelle, die sich dann später nach Maßgabe der drei Keimblätter entfaltet. So gibt es in der embryonalen Entfaltung fünf Stufen, die zu den fünf Sinnen der Erfahrung werden:
- sehen für empfinden,
- riechen für denken,
- schmecken für fühlen,
- hören für wollen und
- tasten für den Körper.
Seele und Geist gehören einem höheren Zusammenhang an. In der Oktavierung der fünfstufigen Skala wird das Sehen zum Lesen, aus dem Riechen entsteht das Sprechen.
Der Buddhismus hat die Zweiheit der Sinne passiv und aktiv verstanden. Tatsächlich aber steht durch das Begeistern der energetische Kraftleib, durch das Führen der Lichtleib im Vordergrund. Beide umgeben den Körper gleich einer Aura, wenn der Sinn des Schreibens im höheren Selbst den Wortleib schafft, der als einziger der Entwicklung fähig ist.
Fühlen, empfinden und wollen kennen keine Entwicklung. Das Wollen führt zu einer höheren Integration, das Empfinden zur Verfeinerung der Sinne, das Fühlen zur Läuterung der Triebe. Nur das Denken wird durch das Gedächtnis von weniger zu mehr. Der Körper ist zu akzeptieren in seinem Grundzustand, der Geist ist Teilhabe am Weltgeist oder Zeitgeist. Nur die Seele kann durch die beiden neuen Leiber — Kraftleib und Lichtleib, begeistern und führen — das Wesen erschaffen.