Schule des Rades
Arnold Keyserling
Geschichte der Denkstile
4. Das theologische Denken
Jüdisch-Hellenistische Theosophie
Für Philon war der jüdische Gott der Quell der Welt; die Bibel sei philosophisch zu deuten. Gott befindet sich jenseits von der Notwendigkeit, aber auch jenseits der Ideale wie Wahrheit, Schönheit und Güte. Er stehe nicht in Berührung mit der Materie, da solche ihn beflecken müsste; ja die Gleichsetzung von Gott und Welt wäre frevelhaft. Der echte Gott ist unbegreiflich und unerkennbar. Was wir erkennen können, ist immer nur seine Wirkung; sein Wesen bleibt uns verborgen.
Zwischen Gott und der Welt steht als Mittelwesen der Logos: als Ort der Ideen, die Teilkräfte der göttlichen Vernunft sind. Auch der Logos ist jenseits der Welt, doch von Gott geschaffen, sein Sohn. Er vertritt die Welt vor Gott als Paraklet (Tröster), hoher Priester und Fürbitter. Teilnahme am Logos bedeutet die Erkenntnis; nur wer sich selbst verleugnet, kann sie erlangen.
Die schöpferischen Kräfte, die sowohl Teile der Vernunft Gottes als auch Teile des Logos sind, entsprechen den keimhaften Ideen, den rationes seminales: sie seien personal zu verstehen
- als Dämonen in der Unterwelt,
- unsterbliche Seelen in der Menschenwelt
- und Engel in der himmlischen Welt.
Der Logos ist demnach der Mittler zwischen Welt und Gott; und der Mensch erlangt die Unsterblichkeit durch Teilhabe am Logos, die nur in der Selbstentäußerung erreicht wird.