Schule des Rades

Arnold Keyserling

Geschichte der Denkstile

8. Das rationalistische Denken

Thomas Hobbes

Bacon war der Überzeugung, dass seine Methode nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für Moral und Politik gültig sei. Sie aber auf den Staat anzuwenden, wurde das Anliegen seines jüngeren Freundes und Zeitgenossen Thomas Hobbes, 1588-1679. Dieser nahm im Unterschied zu Bacon großen Anteil an den naturwissenschaftlichen Entdeckungen von Galilei und Kepler und erkannte auch die wesentliche Bedeutung der Mathematik. Er definierte Philosophie als die Erkenntnis von Ursachen, um Wirkungen vorauszusehen. In der Physik führte er alle Qualitäten auf Quantitäten der Bewegung zurück, wie dies sich in der Wärmelehre nachweisen lässt. Doch von Anfang an zielte seine Philosophie auf das öffentliche Leben. Gegenstand der Untersuchung seien immer Körper. Bei solchen unterschied er natürliche und künstliche, und an erster Stelle unter den künstlichen stehe das menschliche Gemeinwesen, der Staat.

Das wesentliche Werk von Hobbes war der Leviathan; eine Staatsphilosophie, die den Absolutismus verherrlichte. Im Unterschied zu Bacon hielt er den Menschen nicht für gesellig, sondern der Naturzustand sei der Krieg aller gegen alle. Da dieser Zustand unbefriedigend ist, trete man aus ihm heraus, indem man sich freiwillig unter die Obhut eines Fürsten in vertragsgemäße Unterwerfung begibt. Innerhalb des Staates gebe es Zivilisation: Herrschaft der Vernunft, Friede, Sicherheit, Reichtum, Schmuck, Geselligkeit, Wissenschaft und Wohlwollen; außerhalb dagegen nur Triebverfallenheit, Krieg, Furcht, Armut, Vereinsamung, Barbarei, Unwissenheit und Wildheit.

Hobbes wandte die Vertragstheorie im gegenteiligen Sinn von Grotius an. Ihm stand die Gefahr und Tyrannei der religiösen Sektierer vor Augen, wie sie sich im dreißigjährigen Krieg und im Kampf zwischen Puritanern und Royalisten auswirkte. Daher blieb er in der Religion konformistisch; man müsse das Bekenntnis des Fürsten teilen. Innerlich zweifelte er wohl überhaupt am Wert der Religion, die in seiner mechanistisch-kausalen Auffassung von Mensch und Natur keinen Platz finden konnte. Sein Zeitgenosse Herbert von Cherbury, 1581-1648, betonte dagegen diesen Wert in der rationalen Übereinstimmung aller Wahrheiten. Seine Lehre sollte später im Unterschied zur transzendentalen Religion als Deismus bezeichnet werden: eine überkonfessionelle rationalistische Religionsauffassung, die sich die Aufklärer zueigen machten. Ihr positives Ergebnis war eine Förderung der staatlichen Toleranz. In gleicher Richtung wirkten verschiedene skeptische Denker, die diese Einstellung mit einer vertieften Wissenschaftspflege verbanden, wie etwa Joseph Glanvill, der Hofkaplan Karls II., der 1680 starb. Trotzdem entwickelten sich alle diese Denker in Verbindung mit oder im Gegensatz zu der Scholastik; sie waren immer noch Nominalisten.

Arnold Keyserling
Geschichte der Denkstile · 1968
8. Das rationalistische Denken
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