Schule des Rades
Arnold Keyserling
Vom Eigensinn zum Lebenssinn
3. Integration der Motive
Die Inbegriffe
Empfinden, Denken, Fühlen, Wollen sind zeithafte Funktionen; sie zeigen die Beziehungen zwischen Wesen und Welt an. Körper, Seele, Geist sind raumhaft beharrende Bereiche.
Wenn man nun denkt, so kann man dies nur im Bereich von
- Körper — der Welt der Maschinen und Geräte,
- Seele — Welt der Sitten und Verhältnisse und
- Geist — Welt des Imaginalen und der Abstraktionen.
So ergeben sich aus der multiplikativen Vereinigung von Raum und Zeit, Ton und Intervall, zwölf Formungsgrenzen des Bewusstseins, welche die ursprüngliche Bedeutung des Tierkreises der Ekliptik darstellen und den tonalen Bewusstseinsrahmen bestimmen.
Quinten entstehen durch Multiplikationen; dies ist das Feld der Seele:
1 × 3/2 — 9/4 — 27/8 — 81/16
usw.
Gemäß dem Gesetz der Farben schaffen Gegenfarben weiß, die reine Aufmerksamkeit. Die Begriffspaare haben zwei Bedeutungen: Als Tierkreis der Sonne bilden sie den großen Menschen, die Teilnahme an der Gattung; als Häuserkreis dagegen die Einstellung zur Welt.
Somit ist der Motivationsrahmen des Menschen verschränkt:
- Widder Seele-wollen Kopf Person
- Stier Körper-empfinden Nacken Besitz
- Zwillinge Geist-denken Arme Lernen und Beziehungen
- Krebs Seele-fühlen Brust/Magen Heim und Familie
- Löwe Körper-wollen Rücken/Herz Kinder, Spiel und Erziehung
- Jungfrau Geist-empfinden Bauch Arbeit
- Waage Seele-denken Hüfte Gesellschaft
- Skorpion Körper-fühlen Geschlecht Tod
- Schütze Geist-wollen Oberschenkel Aufgabe und Reisen
- Steinbock Seele-empfinden Knie Beruf und Öffentlichkeit
- Wassermann Körper-denken Unterschenkel Zivilisation, Freundschaft
- Fische Geist-fühlen Füße Einsamkeit und Regeneration
In der wachen Wirklichkeit erscheinen diese Kategorien willkürlich, im Traum bilden sie die Grammatik. Hierzu erscheint
- Denken im Traum als Luft, Fliegen,
- Empfinden als Graben, Erde,
- Fühlen als Eintauchen ins Wasser und Meer,
- und Feuer als Wollen oder Wiedergeburt.
Gaston Bachelard, Jung und Assagioli haben zum Teil die Welt der Phantasie und Möglichkeit entschlüsselt. Uns geben sie aber den Einstieg, um zu verstehen, wie man affektiv die Entfremdung überwindet, indem man an die Stelle einer Kultur, einer Tradition oder eines äußeren Rahmens die eigene Grundstimmung, das Horoskop setzt. Hier gibt es persönliche Ansätze, wie die Erkenntnis der Planeten und ihrer Aspekte gemäß den vier Funktionen
- Quadrat-fühlen,
- Trigon und Sextil-empfinden,
- Quincunx und Halbsextil-denken,
- Opposition und Konjunktion-wollen,
gleichzeitig aber auch solche, die in der Gruppe gemeinsam erarbeitet werden können.
In die Mitte kommt man durch Wahrung der Gegensätze:
- wenn man so viel für seine Person tut wie für andere, I-VII,
- beim Gestalten nicht den Abfall und den Neuanfang vergisst, II-VIII,
- beim absichtslosen Lernen nicht den Sinn außer acht lässt, III-IX,
- Beruf und Familie, Öffentlichkeit und Heim als gleichwertig achtet, X-IV,
- Spiel und Mitarbeit an der Kultur beidermaßen anstrebt, V-XI,
- und schließlich Arbeit und Ferien, Regeneration, im Ausgleich hält, VI-XII.
Alle Kultur, alle Religion ist aus diesem Bewusstseinsraster entstanden. Auf die Urgrammatik zurückgeführt, kann ein Mensch der Tradition entrinnen; mit Recht haben daher die Machthaber aller Ideologien die Astrologie zu untersagen versucht oder sie in die Harmlosigkeit pseudo-wissenschaftlicher Wahrsagerei absinken lassen. Aber nur aus der Mitte, der Erde, heraus kann der Mensch sein Wesen finden und zum lebendigen Strahl werden, der ihn mit dem unendlichen Kosmos verbindet.