Schule des Rades
Arnold Keyserling
Das Erdheiligtum
Vorwort
Die Ur-Riten von Raum und Zeit
Seit der neolithischen Revolution mit der Zweiteilung von Instinkt und soziokultureller Tradition ist der Zugang zur persönlichen Intuition schwächer geworden, vielen Menschen sogar verschlossen. Ideologien und Wissenschaften haben sich von Wegen und Strategien zur Bereicherung des Lebens in Sperren verwandelt. Um diese zu beseitigen, gilt es auf die Vorzeit zurückzugehen, in die Altsteinzeit, in der Instinktwissen und strategisches Wissen noch eine Einheit bildeten.
Den Schlüssel zu dieser Öffnung bieten die Qualitäten von Raum und Zeit, die den Zugang zum Sakralen bestimmen. Es gilt den Unterschied von profan und heilig neu zu verstehen:
- profan bedeutet Abgeschlossenheit des Ichs,
- heilig bedeutet Teilhabe am All.
Heilige Orte waren auf Raum und Zeit geeicht und gaben dadurch den Menschen die Möglichkeit, ihr Ich-Gefängnis zu sprengen.
Doch diese Qualitäten wurden später in den prophetischen und mystischen Religionen, in den Bekenntnissen den Liturgien unterstellt, wie etwa die Wintersonnenwende der Geburt Christi und der Frühlingspunkt der Kreuzigung gleichgesetzt wurden. Ohne, diese sinnbildhafte Gleichsetzung zu entwerten, muss der heutige Mensch ihren Ursprung verstehen, um seine Trennung von Erde und Himmel zu überwinden.
Zur lebendigen Erfahrung dieses Zusammenhangs haben wir am 7. Dezember 1982 in Hintersdorf bei Wien das Lebensrad auf Polarstern, Milchstraßenmitte und Wassermann geeicht, um die Raumzeitriten, welche dieses Buch beschreibt, in ihrer Reinheit herauszuschälen.
Das erste Kapitel erzählt, wie es zur Gründung des Heiligtums kam, indem die matriarchalische und patriarchalische Religion durch die vier Koordinaten der Erdgöttin, des Menschen im All, das Urgesetz des Rades und die göttliche Liebe abgelöst werden.
Im zweiten Kapitel wird die Einstellung zur Wassermannzeit geschildert, wie sie sich im Human Potential Movement herauskristallisiert hat: Anlage als Weg
, Durchbruch zur persönlichen Kreativität, Ichfindung in der Gruppe, Wachstumsbezogenheit anstatt Anpassung, Absage an alle Elite und Hierarchie, Freizügigkeit von Beruf und Arbeit und totale Selbstverantwortung bei bewusster Gliedhaftigkeit im Kosmos.
Das dritte Kapitel zeigt die heiligen Himmelsrichtungen, wie sie uns durch die indianische altsteinzeitliche Überlieferung wieder vertraut wurden: die Offenbarung des Ostens, das Einstehen des Westens, das Vertrauen des Südens und die Weisheit des Nordens; die Ortungen der Geschichte im Südosten, Zugang zur Traumvision und zu den Elementalen im Südwesten, zu Motiven und Wünschen im Nordwesten, und zur kreativen Mitwirkung an der Zivilisation im Nordosten.
Das vierte Kapitel schält die Urbedeutung der acht Sonnenfeste im Jahr heraus; sie bildet den Rahmen, in welchem Person und Gattung Mensch den Zusammenhang mit Himmel und Erde in der Liebe immer wieder finden.
Das fünfte Kapitel zeigt die Methoden, wie durch das Sitzen in den acht Richtungen die psychischen Probleme des Menschen zu Ansätzen der Mitarbeit an der Welt verwandelt werden, indem jedes der zwölf Themen des Bewusstseins im Tierkreis aus einer der acht Richtungen betrachtet wird, nach Maßgabe der Qualität der Zeit, persönliche Probleme vor Sonnenaufgang, gemeinschaftliche vor Sonnenuntergang, familiäre vor Mitternacht und öffentliche vor Mittag.
Die territoriale Reichsstruktur der Ideologien wird in der Wassermannzeit durch die Raumzeitstruktur des wiederentdeckten Rades abgelöst. Das Erdheiligtum von Hintersdorf macht das Urbild zugänglich, aus dem einst die Religionen entstanden und das in Zukunft in vielen Formen eine neue Verbindung von profan und heilig, Ichstrategie und Allbezogenheit ermöglichen könnte, ohne irgendeinen dichterischen Wert der Vergangenheit und Gegenwart auszuschließen.
4. Februar 1983