Schule des Rades
Arnold Keyserling
Das Erdheiligtum
4. Feste der Sonne
Die acht Feste
Das Fest des Ostens, 0° Widder, ist der Frühlingspunkt der Ekliptik, am 21. März, der Zugang zum Göttlichen im Jahr. Hier ist jegliche persönliche Dichtung zu Hause, von den Skripten im Sinn der Transaktionsanalyse über Märchen und Mythen bis zur tatsächlichen Kreuzigung und Auferstehung Christi als Verkörperer des Gottessohnes, des Sonnenboten. Bei diesem Fest gilt es, jegliche Geschichte auf ihren göttlichen Ursprung hin zu durchschauen, denn jeder Mensch ist Sohn der Sonne in seiner Teilhabe an der kosmischen Kreativität. Um dies zu erreichen, muss man die ganze Verantwortung und Schuld auf sich nehmen, weil nur damit der Durchbruch gelingt: Verantwortung für was man tut, was einem zustößt, und was für eine Bedeutung es für die Menschen hat.
Alle Offenbarungen entstammen dem Osten, und die Haltung des Menschen gegenüber der schöpferischen Kraft ist der Gehorsam, der Glaube, das Nicht-in-Frage-Stellen. Jüdische, christliche und islamische Offenbarung sind eines Sinnes, vergleichbar der Dreieinigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Immer wieder wird der Mensch die Auferstehungsbotschaft aus jeder Tradition heraushören, wenn er das göttliche Wort nicht als Information, sondern als Berufung erfährt.
Das Fest des Nordostens am 8. Mai auf 15° Stier ist die Kommunion mit allen Wesen, mit Steinen, Pflanzen, Tieren und Menschen. Die Ideologien haben das Fest als Walpurgisnacht verteufelt, aber der gehörnte Gott Pan ist das Bindeglied der gesamten Natur, der die Verbindung zwischen allen Wesen schafft. Dies ist das Fest der Schönheit, auf die hin alle Wesen angelegt sind, alle Kunst, alle Vollendung, alle Anziehung soll hier ihren Ausdruck finden. Im Tanz, in der Musik, in der Freude an der großen Harmonie treffen sich alle Wesen und lassen sich in die Bande des ungreifbare Mitschwingens fallen, dessen zarte Fesseln in Wirklichkeit echte Kommunion darstellen. Dies ist der Ort des Empfindens im Achterrad.
Das Nordfest der Sommersonnenwende und Mitternacht am 21. Juni auf 0° Krebs ist der Durchbruch zum Denken, zur Integration, zur Klarheit. Nur auf diese hin wird Initiative förderlich, führt Strategie zum Erfolg. Im Norden steht der Mensch als Ich, als klares Bewusstsein anderen gegenüber, indem er seine jetzige Inkarnation zwischen der Motivation der vorigen und der Intention der gegenwärtigen, zwischen Karma und Dharma erlebt, wie es der Buddha gezeigt hat. In jedem Wesen lebt die Seinsvernunft, die Klarheit des Nordsterns. Sie gilt es durch Ruhe der Konzentration und der Meditation zu erwecken, jeden Menschen an diesem Fest als Mitwirkenden in der großen Menschheitszivilisation aufgrund seines Wissens und seiner Kompetenz anzuerkennen.
Das Fest des Nordwestens auf 15° Löwe am 8. August ist das Fest der Freunde Gottes. Das letzte Mal wurde es als Verkündigung in El Alamut vom Alten vom Berge
am 8. August 1164 gefeiert, da er die Freunde Gottes als Vollendung des Propheten bezeichnete, zu welchem Bewusstsein jeder findet, der zu seinem Wesen durchdringt: es ist der Ort Luzifers im Jahr. Freund Gottes ist der Lichtträger, der die Illusion der Eigenmächtigkeit überwindet. Und während im gegenüberliegenden Fest des Wassermanns die Menschen nach ihrer Rolle im Werk geschieden sind, werden sie hier im Fest des Fühlens in eine neue Kommunion gebracht von Wesen zu Wesen, da die Motive jedes einzelnen anerkannt sind.
Die tatsächliche Geschichte ist dem Wassermannfest zugeordnet, die Heilsgeschichte dem Osten, die Kommunion mit den Rollen der anderen dem Nordosten, und die Wege zur Seinsvernunft dem Norden. Die Geschichte aller Bruderschaften und Orden, von den Lauteren Brüdern von Basra bis zu den Freimaurern, gehört dem Nordwesten zu. Jeder Mensch, der zum Nagual durchbricht, ist in dieser lebendigen Kette der Lichtträger, Catena Aurea. Während er im Wassermannfest seinen Auftrag findet, zeigt ihm das Fest des Nordwestens, wen er lehrt und von wem er lernen kann.
Das Fest des Westens am 23. September auf 0° Waage, in der jüdischen Tradition Yom Kippur, christlich Michaelsfest, germanisch Walitag, ist der Tag des Entschuldens; sowohl Gläubiger wie Schuldner machen rituell einen Schlussstrich unter die Vergangenheit, um das Neue gemeinsam anzugehen. Der Westen ist auch der Ort der Heilung, die dann geschieht, wenn man total für sich eintritt und alle Krankheiten und Leiden im indianischen Sinne weggibt, aufgibt, opfert, auf dass die Gemeinschaft zur Gemeinde wird. Die Offenbarung des Westens ist der persönliche Weg zur Befreiung in jeder Weise, vor allem im Yoga. Sie bedeutet nicht Aufsichnahme der Schuld wie im Ostfest, sondern deren Abgeben, um den anderen als unabhängigen Mitarbeiter in der Zeit akzeptieren zu können. Hierzu gehören auch all jene psychischen Techniken, die zur Befreiung führen.
Das Fest des Südwestens auf 15° Skorpion am 8. November ist das Erleben der Nahtstelle zwischen Körperganzheit und Traum. Hier werden die Träume durchlässig. Man findet den Zugang zu den Naturgeistern, den Elementalen, Feen, Elfen, Zwergen, Trollen, Sylphiden, Undinen und Salamandergeistern; die schamanische Reise in die Oberwelt und Unterwelt geht durch dieses Tor. Während im Maifest die Kommunion mit der lebenden Natur und Schönheit erfahren wird, erlebt man hier die Hilfe der nicht-inkarnierten Wesen, bis zur Fähigkeit, sich von seinem Körper im Geist zu lösen und andere Welten schon im Leben zu erfahren.
Die Sonne im Süden, am 22. Dezember auf 0° Steinbock ist der Ort der Seele, der Heiligen zwölf Nächte der Erdfrau, in denen der Mensch sich traditionell im Kreis mit anderen durch die zwölf Tierkreishäuser erlebte. Viele Formen hat dieser Ritus gefunden. Doch im Grunde kennzeichnet das Weihnachtsfest die Geburt des Helden, in der der Mensch zur Ganzheit seiner Erwartungen durchdringt. Erreicht er seine Rundheit und achten die anderen seine innere Dichtung, dann tritt er neugeboren in den Wiederaufstieg des Lichts ein, er erlebt die Freude seiner geistigen Neugeburt im Sinn des Lichterbaumes, der Pflanze, die für alle den Zugang zum Universum reinigt.
Das Fest im Südosten, am 4. Februar auf 15° Wassermann ist zwischen der Offenbarung des Ostens und der sonnenhaften Seele. Dies ist der Geist, personifiziert in den Ahnen. In der pazifischen Religion soll die Initiation des Sterbens den Adepten in einen Ahnen verwandeln. Nicht die Vorfahren, sondern die Ahnen und lebenden Menschen auf der Erde bilden den Zusammenhang der fünffältigen Menschheit. Ahnen sind nur jene, die ihrem Selbst über den Wortleib das Ich zufügten. Das nullhafte Ich ist ein Organ des Werkes, also der Mitarbeit an der Geschichte. Es gibt keine negative Geschichte, sondern nur die positive des morphogenetischen Feldes. Was immer Menschen gefunden und erschaffen haben, steht über die Inspiration allen zur Verfügung, aber nur dann, wenn man bereit ist, die negative Geschichte zu verlassen, das gestrige persönliche Unrecht persönlich wie kollektiv zu vergessen.