Schule des Rades
Arnold Keyserling
Das Erdheiligtum
3. Öffnung des Raumes
Kriterien des Raumes
Die Welt der Zeit bestimmt die menschliche Wirklichkeit zwischen Geburt und Tod. Doch selbst ist sie mit der Erde eine einzige inkarnierte Möglichkeit des Alls, des unmanifestierten Nagual. Um in der zeitlichen tonalen Welt seine Verwurzelung zu finden, bedarf es der Kriterien des Raumes, die wie jene der Zeit während der Herrschaft der matriarchalen und patriarchalen Ideologien in Vergessenheit geraten waren. Nur die indianische Überlieferung hat sie unverfälscht aufbewahrt, und dank ihrer ist es uns heute möglich, den Lichtkreis des Menschen zu verstehen.
Physikalisch wird uns Energie auf zwei Weisen verständlich: als Materieschwingung und als Lichtschwingung. Die Materieschwingung ist longitudinal und wird über das Ohr als Zeit bewusst. Die Lichtschwingung ist transversal und wird als Vision über das Sehen bewusst.
Die Verwirklichung des Raumzeitrahmens vollzieht sich über die Vereinigung der Bereiche und Funktionen und hat als kleinsten gemeinsamen Nenner den zwölffältigen Tonkreis. Die Erkenntnis, wie Energie unmittelbar wahrnehmbar wird, geht über den achtfältigen Kreis des Lichts, der die Beziehung zwischen Masse und Energie bestimmt.
Jedes Atom ist durch acht Richtungen allverbunden. Den Beweis der mathematischen Notwendigkeit und der chemischen Veranschaulichung habe ich in meinen Kriterien der Offenbarung
dargelegt. Für das Bewusstsein sind die acht Kriterien — vier Funktionen, drei Bereiche und das Gewahrwerden — die unterscheidbaren Qualitäten des Aufnehmens des Nagual, die durch die früher geschilderte Großhirnstruktur verständlich werden.
Der Rahmen der zeitlichen Erwartung ist räumlich in Ruhe; ein Musikstück ist als Partitur vorgegeben. Im Tonal ist es nicht möglich, mehr als die gegebene Potentialität zu erfüllen. Der Rahmen der räumlichen Verwirklichung hingegen reicht ins Unendliche und ist allbezogen. Die psychischen Funktionen und Bereiche können als Komponenten des strategischen Ich betrachtet werden; doch dann bleibt der Mensch im Gehäuse seiner Reflexion, das die Indianer als Blase der Wahrnehmung bezeichnen. Doch sie können als Tore zum All geöffnet werden, wenn ihr räumlicher Ursprung verstanden wird.
Die Raumrichtungen entstehen durch die Bewegung der Erde im Verhältnis zur Sonne und zum Polarstern, der als Verlängerung der Erdachse die Himmelsmitte bildet — tatsächlich das erste Mal im Jahr 2059. Die Bedeutung der Richtungen ergibt sich aus der Art und Weise, wie ein auf die Erdmitte bezogener Mensch die Bewegungen erlebt.
In einem flächigen, sich drehenden Rad ist die Nabenmitte ruhig, da die Bewegung der Mitte zu unendlich klein wird. In einer Kugel ist es die Achse und damit die Schwerkraft. Nur in dieser gegründet, also auf der Fähigkeit der inneren Leere, sind die Richtungen überhaupt zu unterscheiden. Wer von einem Bewusstseinsinhalt, einem Wissen ausgeht, kann sie nicht bemerken. Doch diese Leere ist dauerndes Werden, vom Etwas der Offenbarung zum Nichts der Erdmitte, womit dieses Etwas zum Teil des eigenen Wesens wird.