Schule des Rades

Arnold Keyserling

Gott · Zahl · Sprache · Wirklichkeit

1. Zahl und Maß

Vierfältigkeit

V i e rDas Quadrat hat vier Ecken aber sechs Beziehungen. Es schafft eine Mitte. Treten vier Komponenten zusammen, dann greift diese Mitte ein. Vier ist der erste Ausdruck der Ganzheit.

Aristoteles bezeichnet den Ursprung der Metaphysik mit den vier Gründen, die allein eine vollständige Beschreibung ermöglichen: formal, material, Wirkursache und Zweckursache. Ein Tisch zum Beispiel hat als Denkursache den Plan, als Empfindungsursache das Holz, als Wirkursache die Hersteller, die das Motiv hatten, und als Zweckursache das, was man mit einem Tisch macht — darauf schreiben, essen usw. Die vier Elemente Feuer, Erde, Wasser und Luft bestimmen den Wandel der Wirklichkeit und auch des Organismus, wenn wir sie in ihre funktionelle Bedeutung Übersetzen. In der Alchemie bringt die schamanische Zerstückelung des Welteneis durch die vier Elemente die Öffnung. Wer nicht zur Vierheit durchdringt — dem vierfältigen Gott der Kabbala Tetragrammaton, kann in der Welt nicht als Wesen leben, er bleibt in einer Gruppe gefangen.

Vier bedeutet den Raum, drei den Lebenskreis, zwei die Gestaltwerdung, und eins die Ganzwerdung aus dem Nichts. Im vierfältigen Impuls empfange ich mich als Teil eines größeren Ganzen. Ich verstehe, dass nicht nur die Kreativität, sondern auch die Motivation durch mich hindurch wirkt und bin imstande, durch Anjochung meiner vierten minderwertigen Funktion im Sinne von C. G. Jung, anderen gerecht zu werden, also die Gemeinsamkeit der Vorstellung zu erleben.

Der vierte Impuls zeigt die Motivation, die immer auf Wechselwirkung der vier tierischen Triebe Aggression, Nahrung, Selbsterhaltung und Reproduktion beruht. Sich als Bündel der Triebe zu erleben und diese zu steuern, also nicht ihrem traumhaften Wechsel ganz zu folgen, ist der Ursprung der Raumgottheit, mit vorne, hinten, rechts und links, wobei die Mitte die Verbindung zur Erdmitte und Himmelsmitte, dem Polarstern bedeutet.

Arnold Keyserling
Gott · Zahl · Sprache · Wirklichkeit · 1987
Die kabbalistischen Grundmächte des Seins
© 1998- Schule des Rades
HOMEDas RAD