Schule des Rades
Arnold Keyserling
Gott · Zahl · Sprache · Wirklichkeit
3. Laute und Sprachen
Laute
Unmittelbare Gegebenheiten der Sprache sind Laute, Zeichen und Gebärden. Klärend ist hierbei die Unterscheidung von Ferdinand de Saussure: signifiant und signifié.
- Signifiant, der Sinnträger, ist ein Laut, gleichsam ein Werkzeug, welches als solches erinnert werden kann, oder ein Zeichen, das aus optischen Richtungen zusammengesetzt ist: wir lesen, indem wir in den Figuren der geometrischen Ebene Richtungen unterscheiden. Ein A zum Beispiel wird wiedererkannt, wenn zwei oben zusammenführende Diagonalen von einem Querstrich horizontal durchschnitten werden. Neige ich das A um 45° ohne den Kopf zu beugen, dann erkenne ich den Buchstaben nicht mehr.
- Signifié ist das Bild oder Ereignis, das durch Laut oder Zeichen erinnert wird.
Bei den Lauten unterscheiden wir Selbstlaute und Mitlaute, Vokale und Konsonanten. In der Kabbala haben die Konsonanten eine Zahlbedeutung, die Vokale dagegen nicht. Im menschlichen Organismus haben Vokale und Konsonanten eine verschiedene Rolle. Die Vokale sind senkrecht zu orten, haben eine bestimmte Klangfarbe. Helmholtz hat gezeigt, dass sie alle aus der b-dur/f-moll Tonleiter herrühren, also aus den Ober- und Untertönen von b und daher in allen Sprachen bevorzugt sind:
f - ges - as - b - c - d - es
Sie entsprechen also den Chakras und damit auch den Farben des Regenbogens, wobei das unterste und oberste Chakra im Laut Y, dem Vokal ohne Klangfarbe, den Kreis schließt.
Die b-Tonwerte sind die Stimmträger, deshalb kann die e-Tonleiter für die Stimme gefährlich sein. Zur Aktivierung der Chakras dagegen gilt die Slendro-Tonleiter, die auf dem Intervall der Naturseptime aufbaut und in unserer Musik nicht gebräuchlich ist. Ich habe ein Instrument konstruiert, wo diese Schwingungen verwandt werden; sie erzeugen im Raum stehende Wellen. Die Zahlen in mittlerer Tonlage sind hier angeführt.
Sahasrara
Ajna
Vishuddha
Anahata
Manipura
Swaddhistana
Muladhara violett
ultramarin
blau
grün
orange
gelb
rot y
i
e
a
o
u
y
5404
4705
4096
3566
3104
Hz
"
"
"
" Geist
Seele
Körper
wollen
fühlen
denken
empfinden
Muladhara ist darin die untere Oktave von Seele und Geist, die obere von denken. Das Wollen entspricht dem Tonwert c in der Zwölftonskala.
Die sieben Chakras sind Orte der Resonanz, die Vokale schaffen Verbindung mit anderen, sie schwingen mit. Die jüdische Kabbala hat also recht gegenüber dem Alphabet, das die Vokale auf der gleichen Ebene einbezieht und daher die affektive Bedeutung nicht mehr trägt. Da der Lautschlüssel auf den Zusammenhang zwischen Mensch und Gott hinwies, konnte tatsächlich über etymologische Verwandtschaft Bedeutungsverwandtschaft bestimmt werden, so dass das bloße Sprechenlernen den Juden zu einer bestimmten religiösen Einstellung verpflichtete. Doch blieb dieser Lautschlüssel mythisch. Heute können wir aber die wahre Bedeutung der Konsonanten bestimmen: sie entstammt ihrer Stellung im Sprechwerkzeug. Die neun Ziffern äußern sich affektiv von hinten nach vorne. Hierbei greifen wir auf die indische Linguistik zurück, die 54 Konsonanten unterscheidet.
Es gibt stimmlose, stimmhafte und aspirierte Mitlaute. Die stimmlosen Laute sind körperlich, die stimmhaften seelisch und die aspirierten geistig, das ergibt zusammen 27. Hierzu hart und weich, Yang und Yin: dieserart entstehen die 54 Mitlaute. Wir führen im folgenden nur auf deutsch gebräuchliche an:
1 Kehle
2 Kehle-Gurgel
3 Gurgel
4 Gurgel-Zunge
5 Gaumen
6 Zunge-Zähne
7 Zähne
8 Zähne-Lippen
9 Lippen stimmlos
Schrei
ch
k
r
tl
d
ss
v
p stimmhaft
Ton
ng
?
j
l
n
s
w
m aspiriert
Hauch
ch
g
j
sch
th
hs
f
b
Aus der Stellung der Laute in den Chakras und im Sprechwerkzeug entsteht die emotionelle Bedeutung. Die Sprache kann aus ihrem Vokalgehäuse — U O A E I — nur entrinnen, wenn sie die Mitlaute und das sprechen-Lernen einbezieht. Die Laute sind Sinnträger, haben also viele Bedeutungen. Der physiologische Lautschlüssel, auf den persönlichen Namen angewandt, eröffnet einen gleichsam magischen Zugang nach unten und oben, zu Kraft und Licht.
Alle Numerologien der Sprache und besonders die Kabbala entstammen einer vorgegebenen Verbindung von Ziffer und Buchstabe. Die physiologische Lautordnung geht tiefer als die kulturell fixierte. Doch die jeweilige Bedeutung ist symbolisch, entsteht durch Glaube an eine Folge, also deren Umsetzung in der Wirklichkeit. Als Beispiel mein Vorname: Arnold.
Aus dem Wollen der Fülle (4) entsteht ein Gegenstand der Kommunikation (6), der über das Fühlen (0) zum Mitschwingen (5) in einer sachlichen Verwirklichung (6) einen anderen anspricht.
wollen – 4 – 6 – fühlen – 5 – 6 Quersumme 21 = 3
Schwerpunkt des Namens ist zahlenmäßig die dialektische Entfaltung in Entsprechung zum Uranus.
Oder: Die Offenheit gegenüber der Fülle verbindet im Fühlen die Zusammenhänge zu einer artikulierten Information, die anderen mitgeteilt wird.
Laut kabbalistischer Überlieferung der Seelenwanderung, Gilgul, sucht sich der Mensch selbst seinen Namen, hat also die Eltern angeregt oder gezwungen, ihm genau diesen zu geben. Wenn man einem Menschen die Frage stellt, warum hast du dir gerade diesen Namen ausgesucht, und er aus dem Wesen antwortet, erhält man die erstaunlichsten Formulierungen, die selbst dem Sprechenden neu sind. Der Name führt also über die physische Existenz hinaus, er verbindet den Menschen mit Gott. Deshalb ändern manche ihren Namen, wenn sie spüren, dass die Lautfolge ihrer Aufgabe nicht entspricht oder sich diese plötzlich ändert, wie bei der Wandlung von Abram zu Abraham.
Die letzte Zielsetzung eines Namens hat als Hintergrund die Sprache, worin sich das Lesen, der Sinn des sechsten Chakras, vollzieht.
Lesen geschieht nach acht Richtungen, die den Raumrichtungen entsprechen. Dabei haben wir das Rad im Rücken.
Rechts oben
Rechts Mitte
Rechts unten
Unten Mitte
Links unten
Links Mitte
Links oben
Oben Mitte O
NO
N
NW
W
SW
S
SO Gewahrsein
empfinden
denken
fühlen
wollen
Körper
Seele
Geist Blick auf die Vision
Verwirklichung ist im Vordergrund
Erkennen der Strategie
Ergreifen der Motivation
Verantworten Daseins
Erfahrung des eigenen Traums
Beharren in der Eigenheit
Blick auf Geschichte und Kultur
Die Bedeutung dieser Richtungen ist von Erickson ohne Kenntnis der kabbalistischen Überlieferung empirisch erforscht worden.
Im Lesen bedeutet die Verschiebung um ein Achtel eine neue Deutung der Buchstaben, in der Augenhaltung wird die entsprechende Einstellung tragend. Das gleiche gilt für die Gebärde, mit Armen und Beinen, die ebenfalls Laute ersetzen kann, bewusst beim Futhork, dem germanischen Lautschlüssel der Runen. Doch um lesbar zu werden, müssen die Buchstaben, zu Worten vereint, auf eine Fläche projiziert werden und entweder, wie bei den europäischen Alphabeten, aus den Figuren der geometrischen Ebene bestehen (Dreieck, Kreis, Kreuz und Viereck) oder aber aus Richtungen der Striche wie bei den Chinesen.