Schule des Rades
Wilhelmine Keyserling
Gott · Zahl · Sprache · Wirklichkeit
3 - Süden
Der Süden, 3, bin ich selbst. Hier geht es um mich. Hier muss ich mich meiner annehmen, wie ich soeben bin, und so den anderen entgegentreten, sie nehmen wie sie sind. Die Erscheinung wird zur Wirklichkeit der Seele in der Begegnung.
Zu Mittag weist die Sonne auf den Süden. Sie steht im Zwischen Werden und Vergehen. Und dieses Zwischen gibt das Maß im Sonnenstand des Tages. Und hier ist auch der Mensch im derzeitigen Stand bemessen; nicht durch sein Tun, nicht als Gefäß der Urkraft und nicht als Mittler, Nachfolger der Ahnen oder Wirkender am Werk. Sein schlichtes Dasein, seine Sonderheit als Seele, Mensch wird hier beachtet. Er wird betrachtet, wie die Blume, wie ein Baum; sie wirken, eben weil sie sind, im derzeitigen Stande der Vollendung. Und dieser Stand — um ihn dreht sich das Rad des Lebens — wird dann zum Träger alles Weiteren. Hier steh ich
krank oder gesund, alt oder jung das ist die wahre Unschuld, die den Stand (die Situation) zum Ausgang nimmt und Ausschau hält nach vorne, nicht zurück; nicht mehr bedingt von der Vergangenheit, genährt aus Erde, Wasser, Luft und Licht durch Stamm und Wurzel.
Die Achse Nord-Süd ist ruhend in Beziehung zur Bewegung (der Erde). So bedeutet Süden das Vertrauen der Seele in das Dasein im Vergehen — Vertrauen in sich und Wecken des Vertrauens im anderen.
Gleichzeitig ist ein jeder Kind und Ahnung aus dem Alter. Des Alten Weisheit ist ihm angeboren, und diese zu entfalten ist ihm Pflicht.
So bitten wir die Macht des Südens um den Zustand der Unschuld und die Kraft des Vertrauens — Vertrauen schenken wir dem Himmel und der Erde; das ist unsere Gabe. Vertrauen in uns erflehen wir von dem Süden.