Schule des Rades

Arnold Keyserling

Das große Werk der göttlichen Hände

III. Teil:Entschleierung des Göttlichen

Urmacht der Zwei — Stein

Das Feuer spricht aus tausend Zungen; der Stein entstammt dem Berg, dem Träger allen Lebens. Der Alte vom Berge ist der große heilige Weise, der einem die Richtung zeigt.

In der Mitte des Kristalls strahlt der Funke, doch seine Kraftlinien müssen vom Lichtbewusstsein durchzogen werden. Nur durch den Berg erschafft sich der Körper und wächst zu seiner Vollendung.

Der Alte vom Berge sorgt, dass niemand seine Schönheit verödet, dass du immer wieder deine Bewegung und deine Wesenheit auf die Mitte eichst. Wer kein Berg ist, wird Sand, Metall oder Salz; er dient anderen, aber er hat damit sein Feuer verlassen und wird verzehrt. In sich den Stein zu finden, die Kohle des Lebens zum Diamantleib zu läutern, geht nur, wenn die Schwere als Hilfe, als Gewicht verstanden wird.

Der Alte vom Berge ermöglicht dir, deine Motive zu gewichten; zu wissen, was die Hauptlinien deines Wachstums sein müssen und wie diese als Wirkungsfeld über deinen Leib hinausreichen.

Du hast Angst vor dem Fallen, aber weiter bis auf den Grund kannst du nicht hinunter. Die Liebe des Feuers ist das Brennen und Leuchten, die Liebe des Steines das Haften am Grund und das Beharren des Raumes.

Feuer schafft Zeit. Liebe verlangt erkennen des Rhythmus. Berg schafft Raum, erkennt und hält die Mitte. Der unsterbliche Feuerleib ist im beharrenden Kristall. Feuer und Kristall sind zu erringen durch Arbeit an sich selbst, indem du jedes Ereignis, sei es als Brennstoff, sei es als Mitgestaltung oder Gelegenheit zu solcher erlebst. Die acht Richtungen weisen über die Grenzen des Körpers hinaus. Sie umfassen die ganze Welt. Die Kraftlinien fördern den anderen. Metall und Salz lassen den Strom fließen, aber er muss aus der Echtheit des Steines anheben.

Alle Minerale sind rein, gehören zu den zehn Richtungen der Elemente. Gesund kannst du nur wirken, wenn du die Rolle deines Steines ergreifst. Sie macht dich krank, solange du sie nicht begreifst; solange du nicht bemerkt hast, dass deine Schwere, dein Wuchtendes die anderen fördert und nicht belastet.

Alle Körper des All stehen in Wechselbeziehung, und auf ihrem Grund entfaltet sich der Reigen der Geister. Sage ja zu deiner Schwere, denn die Trauer ist lauter, rein, sie erzeugt den Edelstein. Aller Berg, aller Stein strebt zum Juwel. Doch die großen Berge, die euch beschützen und Sitz der Götter sind, bringen die einzelnen Kristalle zur Entfaltung, an denen ihr sehen könnt, wie ihr selbst durchstrahlend werdet.

Achtet jedes Juwel, doch nehmt keines, das nicht zu euch gehören will. Fragt die Steine, was sie euch sagen möchten. Manche sind nicht mehr sie selbst, sie haben ihr Feuer verloren. Andere haben noch die Kraft des Orientierens, wie die Kaaba in Mekka, die den Ostpunkt der Erde bestimmt und daher allen Menschen Orientierung gibt, die den Stein und den Alten vom Berge achten.

Der Stein spricht: Lass dich nicht ein in Dinge, die nicht zu mir gehören. Wesen ist Heiliger Stein der Weisheit, das Wer ist seine Mitte. Durch Vertiefung in deine Mitte hast du keine Angst mehr, du bist am Grund deines Fallens. Solange du ihn nicht hast, ist dein Denken metallisch oder salzig, ausbreitend oder harmonisierend, aber du bist nicht dabei. Den anderen Mächten ist dies gleichgültig, aber der Alte vom Berge leidet an jedem Wesen, das nicht seinen Stein verwirklicht hat.

Steine bauen Häuser, Metalle ermöglichen Hilfe der Wirkung und übertragen Kraft, das Salz des Meeres ist Ursprung allen Lebens. Doch du musst wuchtender Stein werden, der seinen Ort mit sich trägt und immer an seinem Platz weilt. So wuchte dich ein, finde deine Mitte und erkenne ihren Zusammenhang mit allen Mitten des Universums; nur dann kann Unterscheidung und Kommunion den göttlichen Reigen anführen, und niemand ist ausgelassen.

Trage den Edelstein, der dir den Weg zu deiner Farbe oder deiner Tiefe über das Metall eröffnet. Trage aber nie Schmuck ohne Bedeutung, auch wenn diese sich darauf begrenzt, Züge deines Wesens zu betonen. Wie der Berg sich mit Bäumen bekleidet, die auf ihm wurzeln, so betrachte deine Kleider als Einstimmung zu anderen Wesen, denen die immer erneute Vielfalt Freude macht, weil jedesmal eine andere Beziehung zwischen euch erwacht.

Die Liebe des Feuers findet zwischen Körpern statt, und alle Körper sind letztlich Teil des Steines und des Berges. Die Vision deines Berges zeigt dir, wo du zu ihm und mit ihm stehst. Er ist einzigartig, nicht Elementargeist wie die Trolle, die ihm helfen. Er ermöglicht dir, in Ruhe zu verharren und alles zu spüren, aus dieser Ruhe aber auch anderen den Weg zu ihrer Feuermitte zu eröffnen.

Alle Erde meint den Berg, daher verletze nicht ihre Kraftlinien. Auch dein steinernes Haus sei Orientierung. Aber dort, wo du im Heiligtum eine Beziehung zwischen der Erde und dem Himmel über ihre Achse schaffst, da kannst du immer wieder hingehen, um deine Mitte durch alle Schlacken und Hindernisse, alle Krusten hindurch anzupeilen und zu erleben. Und wo immer ein Erdheiligtum besteht, wo immer Menschen im Steinkreis zusammenkommen, finden sie wieder Mut und Glaube zu sich selbst, erreichen ihr Beharren, woraus das Wachstum dann ansetzen kann.

Arnold Keyserling
Das große Werk der göttlichen Hände · 1986
III. Teil:Entschleierung des Göttlichen
© 1998- Schule des Rades
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