Schule des Rades
Arnold Keyserling
Das magische Rad Zentralasiens
II. Kosmogonie
Schalen
Die geschilderten Gruppen sind der mikrokosmische Aspekt der Chakras, die von den Indern entschlüsselt wurden und den Weg der Läuterung — der Erreichung der kristallinen Struktur, buddhistisch des Diamantleibes — zugänglich machen und bestimmen. Die nun folgenden Ausführungen gehen über den Bereich der Naturwissenschaft hinaus, sind aber der existentiellen Erfahrung nicht verschlossen. Man kann sie analog zur wissenschaftlichen Methode begreifen; das Experiment ist in diesem Fall kein Objekt, kein Sachverhalt, sondern das menschliche Wesen selbst.
Die Atome können als Elemente betrachtet werden, ohne Rücksicht auf ihre Verbindungsfähigkeit; jedes ist beschreibbar. Doch kommen sie zu Molekülen zusammen, dann entstehen aus ihnen die Schichten der Information.
Mikrokosmos ist Raum, Makrokosmos Zeit und Mesokosmos Zahl. Die Struktur der Zahl schafft den Leerraum und die Leerzeit als Potentialität, worin sich Zusammenfügungen, Bedeutungen ergeben können.
Die erste Schale enthält 2 Elemente im Grundzustand und ebenfalls 2 Elektronen. Die Elektronen bestimmen die Atomzahl und stehen entweder in einem festen Gefüge zueinander in den Schalen und Bahnen oder frei im Weltraum. Werden nun Protonen miteinander verschmolzen — 4 Protonen ergeben einen Heliumkern — dann entsteht durch den Massendefekt nach der Einsteinschen Formel E = mc² Energie, die von der Sonne aus das Leben auf der Erde ermöglicht. Wenn wir nun die Subjekthaftigkeit des All als Ursprung aller Energie, und unseren Wesenskern als Quant betrachten, so hat dieses Quant durch den musikalischen Charakter der Beziehung 1-2, Prim-Oktave, in sich die Möglichkeit des Wachstums zur Vollendung.
Das Quant entspricht also dem Inneren des Moleküls, biologisch dem Genom des genetischen Codes mit seinen vier Nukleotiden, die als Buchstaben des Lebens in vierundsechzig Variationen, alle systemisch-organischen Formen schaffen. Das Quant ist in seinem Ursprung nullhaft. Da es sowohl zeitliche Einzelheit, Punkt ist als auch räumliche Allteilhabe, ist seine Energie unendlich groß. Diese Energie als Vereinigung von Urkraft und Urlicht im Chi äußert sich für das sprachliche Bewusstsein als Zweiheit von Ich und Selbst, deren Bahn im Kern fixiert ist. Das Wesen entstammt also dem Kern, der nur zahlenmäßig, synchronistisch mit der Elektronenanzahl übereinstimmt.
Das Einzelelektron entstammt dem Wasserstoff. Die Integration des Wesen vollzieht sich also über den Wasserstoff, der auf allen 118 Plätzen des Atoms auftauchen kann und frei beweglich ist. Verschwindet das Elektron aus einer Bahn und Schale, dann taucht es bei Energieaufnahme in der nächsthöheren und bei Energieabnahme in einer niedereren auf. So gleicht das Wesen einem Wort, einem Namen, einem gleichbleibenden Molekül. Der Mensch wächst nicht im Gewahrsein an Masse oder Energie, sondern diese bekleiden seine Information, die aus der zahlenhaften Ja-Nein-, Null-Eins-Entscheidung als Bit entsteht. Die unterste Schicht in Entsprechung zum Empfinden ist nur diese Entscheidung, sie ist Wahrnehmung oder Gestaltung. So ist das Wesen feurig wie die Sonne. Die Urkraft wird als Feuer erlebt, das etwas verbrennt, das Licht als Strahlung, die in das All wirkt.
Die Strahlungsenergie entspricht mikrokosmisch dem Photon, das für den Wachzustand den Zusammenhang des Raumes schafft. Um nun den Prozess des Aufbaus zu beginnen, gehen wir zur nächsten Schale, aus welcher wir die Charakteristik der acht Urelementegruppen erfahren, mit den Zahlenwerten 3 · 4 · 5 · 6 · 7 · 8 · 9 · 10. Hier wird das Feuer als Verbrennung zum Träger des Denkens. Denken bedeutet eine Reduzierung der Vielfalt der Empfindungen auf die Elemente, auf die Urteile im Ursinn des Wortes.
Die erste Schale birgt das innere Licht ähnlich der Fusionsenergie, die zweite erzeugt als Prana das Feuer des Lebens. Die dritte Schale nun mit den Elementen der Verdauung und des Wachstums hat die chemische Energie des Stoffwechsels. In der ersten werden Elektronen integriert, in der zweiten Elemente und in der dritten Moleküle. Bei der Nahrungsaufnahme werden die Stoffe auf diese reduziert, in Fette, Proteine und Kohlenhydrate aufgebrochen, um assimiliert zu werden. Das Gleichgewicht im Stoffwechsel ist auf die körperliche Außenwelt bezogen.
In der vierten Schale treten die magnetischen Eisenelemente hinzu, die die Verbindung zum Kosmos schaffen; zu Beginn der Geschichte gab es wie erinnerlich nur Meteoriteneisen. Für das Wollen wird entscheidend, dass die Leere der Aufmerksamkeit den Rhythmus zwischen Licht und Kraft, und im Herzen zwischen Diastole und Systole aufrechterhält. Der Zusammenhang ist innerkörperlich, nicht mehr umweltbezogen. Doch kann über die Schallenergie der Herzrhythmus mit anderen in Resonanz gebracht werden. Dadurch entsteht zwischen Einzelwesen im Wollen eine transpersonale Kommunion ohne Verlust der Individualität.
Das vierte Chakra ist das mittlere und damit Schwerpunkt des Wesens, es gründet auf der schwarzen Sonne der Aufmerksamkeit, Sie kann die Kräfte einsetzen. In Wahl und Entscheidung steht der Mensch entweder einem Teil gegenüber oder dem Ganzen, also Gott. Der Wortleib kann den Lichtleib des Makrokosmos und den Kraftleib des Mikrokosmos manipulieren und über die Sprache kann der Wille auch andere Menschen beeinflussen oder von ihnen Anregung erhalten.
Die Reihe der Edelgase im Rad entspringt dem Inbegriffspaar Körper-wollen, die sieben Elementegruppen sind im Fühlen und Empfinden. Empfinden erfasst den Lichtleib, Fühlen den Kraftleib. Doch zugänglich werden beide über das Denken und den Wortleib, die achte und neunte Gruppe.
Die fünfte Schale der Körperlichkeit füllt sich wie die vierte mit 18 Elektronen. Mit der sechsten Schale der Seele erscheint mit der Vierzehnerbahn der Seltenen Erden in der neunten Gruppe die Möglichkeit inneren Wachstums, also mehr Licht zu integrieren, mehr Traum und Vision seelisch zu assimilieren. Hier ist die Resonanz mit anderen Wesen, nicht nur den lebenden, sondern auch den toten, den Ahnen und den Geistern die Fähigkeit der Seele. Die Vierzehnerbahn der Seltenen Erden in der Schale des Wollens sprengt nicht die molekulare Struktur, sie lässt sich noch im irdischen Leben integrieren.
In der siebten Schale des Geistes sind die Elemente radioaktiv. Das Edelgas 118 ist nicht zu erreichen; das letzte natürliche Element ist Uran, das in seiner Fission die anderen Elemente bis herunter auf Silber, die Mitte des periodischen Systems, hervorbringt und das weder fusioniert noch fissioniert.
1 …… Fusion …… 47 Ag
60 …… Fission …… 92 U
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Silber enthält 47 Protonen und 60 Neutronen; es entspricht also dem Zeugerton 512 der Tonskala.
Der Geist hat seinen Schwerpunkt nicht auf der Erde sondern in der jenseitigen Welt, wo das Leben nicht aus dem Feuer, sondern aus dem Licht gespeist wird. Daher kann man am Geist nur teilhaben, nicht ihn besitzen. Er bejaht die Zerstörung, die Fission, wenn dadurch die Einheit mit der großen Liebe und der Neuen Erde gefördert wird: das Bild Shivas als Vereinigung von Bhairava und Bhairavi, Urlicht und Urkraft.
Das Mineral ist unsterblich ebenso wie der genetische Code den man als flüssiges Kristall bezeichnet. Somit ist das Verstehen der Kosmogonie die Voraussetzung, dass man die Möglichkeit der Unsterblichkeit nicht nur vermutet und glaubt, sondern auch begreift und erweist. Die wahre Naturphilosophie steht erst am Anfang; ohne Kosmogonie bleibt sie Stückwerk.
Erst in der Wassermannzeit ist Weisheit zum Ansatz des geistigen Weges geworden. Dieser verlangt nach der Schicht der erdbezogenen atomaren Pflanzen die Erkenntnis des Traumes. Das Bewusstsein schläft im Mineral, träumt in der Pflanze. Es zeigt uns sowohl physisch als auch geistig, wie wir diesen Bereich der dritten Dimension anjochen können.
Im Mineral wirken Licht und Kraft zusammen; in der Pflanze trennen sie sich voneinander. Die Pflanze alterniert zwischen Same und Gestalt, ihr Wachstum ist von irdischen und kosmischen Parametern abhängig. Sie hat eine senkrechte erdbezogene Achse, unterliegt dem Zyklus von Leben und Tod, wechselt ihren Atem im Rhythmus von Tag und Nacht. Das Leben der Gattung wird von neuen Individuen weitergetragen, die in der Zeit als Same durch lange Perioden auf Inkarnation warten können. Viele Pflanzen sind für den Menschen traumschaffend, halluzinogen, und wurden in alten Kulturen zu Visionsreisen verwendet. Wie in der Physik ist auch in der Biologie ein Umdenken notwendig. Die Linnéesche Botanik vergaß, dass Menschen aus den gleichen Molekülen bestehen wie die Pflanzen. Sie sind Wesen wie die Menschen und können einen aus der induzierten Traumwelt wertvolle Einsichten vermitteln.
Das Mineral ist zu erlernen. Seine Kriterien im Uratom sind vorbewusst, sie lassen sich aus den Zahlen deduzieren. Sind sie bekannt, dann hat der Mensch ein Richtmaß für das Wachstum seines Wortleibes. Die kristalline Form des Moleküls ermöglicht, Raum und Zeit in der Zahl zu harmonisieren. Mit der Pflanze wird die Fähigkeit, von der Sonne über das Chlorophyll zur Calziumreihe gehörig — die Sonnenenergie für die Synthese der Kohlenwasserstoffe zu verwenden. Beim pflanzlichen Menschen entspricht dies der Teilhabe an der schwarzen Sonne der Aufmerksamkeit, die die Bilder erscheinen lässt.
Aus dem Traum kommt die Vitalität, er offenbart die Mängel. Die Koordinaten der Pflanze in der dritten Dimension sind: