Schule des Rades
Arnold Keyserling
Das magische Rad Zentralasiens
V. Astrologie
Widderzeit
In der Widderzeit erschien die Vorstellung der persönlichen Unsterblichkeit. Während in den früheren Weltenmonaten die goldene Zeit hinter dem Menschen lag, wird sie nun in die Zukunft verlegt als neues Paradies und Neue Erde, die der einzelne nach dem Tod erreichen könnte. Gott erscheint in der Widderzeit in vier Weisen:
- Als die Stimme ohne Bild und Name, der man sich öffnen kann und der man gehorsam sein soll wie Abraham.
- Als der Mensch im All, Adam Kadmon, Mahapurusha, der sich am Anfang der Schöpfung schamanisch zerstückelt und von dem einzelnen Menschen über das Werk zusammengefügt wird.
- Drittens als die neun heiligen Ziffern mit ihrem Ursprung in der Null, die die Kosmisierung ermöglichen.
- Viertens als die Heilsgeschichte, die im Aufstieg den Sinn des irdischen Lebens erkennt. Daher ist die Gottesbezeichnung Tetragrammaton, der Vierfältige.
Widder ist Seele-wollen. Der Alltag wird ritualisiert. Im heiligen Volk sind sämtliche Handlungen bis zum Essen und der Sexualität als Opfer zu verstehen. Das Gesetz ist offenbar als immanente Struktur des Menschen, der zum Heil strebt, ob dieses nun in der Tora gefasst ist, im brahmanischen Sanatana Dharma oder im I Ging. Es ist eigentlich keine patriarchalische Religion, sondern die Entfaltung und Verantwortung des Ich wird zum Weg; Gott offenbart sich als Ich; jüdisch Ich werde dasein als der Ich dasein werdet.
In der Welt, der Zuwendung zum anderen, in der Liebe wird das Selbst angejocht; der Auferstandene ist Glied des Großen Menschen, des Urbilds der Gattung. Im Jüdischen sind die Gottessymbole der Plural Elohim und das Schöpferische Jahwe, das ewig Zukünftige. Fortan wird der Geist für alle zugänglich, die sich Gott als dem einzigen Ziel zuwenden. Damit verlässt das Ich das Selbstbild und wird Teil des Großen Ich. Der Gegenstand als Mittler tritt zurück, das goldene Kalb wird zum Feindbild. Der seelische Zusammenhang entscheidet, ist aber völkisch ausschließlich und genetisch mit Gott zurückverbunden. Für den einzelnen Menschen heißt es, immer die Fügung zu berücksichtigen, aber nicht mehr als Vision, der man gehorcht wie in der Zwillingszeit, sondern als Lebensform, als Gesetz, das die Trägheit überwindet.
Die ganze Widderzeit, von Fu Hi und Abraham bis zu Buddha, Zarathustra, Konfuzius, Pythagoras und Sokrates, bedeutet die Erweckung des Ich, während das Selbst seine Wurzeln in die familiäre Herkunft verlegt. Das Ich erscheint als Aufgabe, als Person, als Rolle; das Ziel ist nicht die Verwirklichung eines Traumes, sondern das Hineinwachsen in das Gesetz, das Diesseits und Jenseits als Offenbarung vereint.