Schule des Rades
Arnold Keyserling
Das magische Rad Zentralasiens
V. Astrologie
Fischezeit
Der Tierkreis wird in der Widderzeit gleichläufig mit dem Lebenskreis. Das genetische Erbe entspricht der Arterhaltung; man setzt bewusst wie in China die Arbeit der Ahnen fort, schließ an ihnen an. Doch der Übergang zum Ich als jenem Teil, worin der Mensch am künftigen Gott Teil hat, erscheint historisch erst während der tausend Jahre um den Frühlingspunkt, dem Nullpunkt des Rades und des Chi, der erst durch die Griechen aus dem Mythos gelöst und zum Logos verwandelt wurde.
Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen
kündet Goethe. An den Fehlern der Eltern muss man anknüpfen, um sie wieder gut zu machen. Sowohl in der Bibel als auch in den Frühlings- und Herbstanalen von Konfuzius werden persönliche und völkische Schicksale auf moralische Leistungen oder Verfehlungen zurückgeführt. Die Auferstehung bleibt noch kollektiv bis zu den drei großen Religionsgründern:
- Buddha erkennt, dass das Erwecken der Vernunft als mittlerer Weg zwischen Sinnlichkeit und Askese Befreiung bringt; nur jener, der für die Erweckung der anderen unter Einschluss aller Wesen lebt, einen Sinn finden kann, im Unterschied zum brahmanischen oder jüdischen ewigen unverrückbaren Gesetz.
- Christus als Sohn des Menschen zeigt, wie jedes äußere Schicksal für den Strebenden, liebenden Menschen zum Sinn wird; es gibt kein böses Fatum.
- Mohammed geht noch einen Schritt weiter: jegliches Geschehen ist eine persönliche Antwort Gottes auf eine Frage, die man bewusst oder unbewusst gestellt hat. Die Verantwortung wird im Islam absolut. Die Vorschriften des Gesetzes heiligen für die Gläubigen der drei Weltreligionen nicht mehr das Volk, obwohl es noch weiter viele gibt, die in der hinduistischen oder jüdischen Tradition ohne Sehnsucht nach persönlicher Entfaltung ihre Zufriedenheit finden. Für den strebenden Einzelnen wird jede Entscheidung oder Wahl zur Verantwortung. Die tiefste Sehnsucht ist die Vereinigung mit Allah; er trauert über jeden, der den Anschluss nicht gefunden hat.
Mit der Fischezeit, mit Geist-fühlen als Inbegriffspaar, tritt der Weg des einzelnen zum Heil in den Vordergrund. Die Mythen tauchen in Form von Legenden wieder auf; im Christentum erhält jeder Mensch in der Taufe einen Vornamen nach einem Heiligen, dessen Weg er folgen sollte. Übertragen auf unsere Zeit bedeutet das nun, seine eigene Aufgabe zu finden, seinen Weg, der das Erlernte der Vergangenheit zum Werkzeug des eigenen Aufstiegs verwandelt. Die Menschen folgen den Pionieren in allen Gebieten. Doch das Jenseits ist unerkennbar, es liegt für die Fischezeit nach einer Katastrophe der Wandlung, dem Jüngsten Gericht, womit das ägyptische Totengericht zu einer kollektiven Erwartung geworden ist, die nur ihre Parameter verändert, vom unausweichlichen Atomtod zur Umweltkatastrophe.
Das Neue Jerusalem der Fischezeit im Gottesdienst im Zeichen Jungfrau, vereinte die vielen Völker zu Reichen; im buddhistischen Indien von Kaiser Ashoka bis zur islamischen Eroberung, in Europa im römischen Reich, schließlich in den Imperien Russlands und Westeuropas. Der Kolonialismus brachte in den letzten fünfhundert Jahren unfassliche Grausamkeiten und Zerstörungen. Doch positiv vermittelte er allen Menschen die Erkenntnis, dass der Weg des Ich fortan für jeden gangbar wird.