Schule des Rades
Arnold Keyserling
Das Nichts im Etwas
4. Das Rad
3 Fühlen - Körper
Die Wirklichkeit wird im Bereich der ersten Dimension als eine Anzahl von Qualitäten durch die Sinne erfahrbar. Jede Qualität ist eine Wechselbeziehung zwischen Maß und Schwingung, Raum und Zeit. Die Anangke, die Motivation des Körpers und des Fühlens, entstammt nicht der Wirklichkeit sondern der Möglichkeit. Wie die Wirklichkeit ist auch die Möglichkeit gegeben; hier sind es die Parameter der Räume und Zeiten, die die persönliche Struktur des Gemüts bestimmen. Die Materie in Beziehung zum Menschen wurde durch die Alchemie entschlüsselt, das Gemüt und die persönliche Kombination der Weltelemente als Anlage als Weg durch die Astrologie.
Der Tierkreis ist in Entsprechung zum Farbkreis, er hat Felder, die die Bedeutung tragen. In welchem Feld die Sonne ist. In diesem dient man der Welt als Typus. Der Häuserkreis der zeitliche Horizont des Geburtsorts, hat als Gesetz den Quintenzirkel mit seinen 84 Halbtönen, weshalb die Integration des Lebenskreises auf vierundachtzig Jahre angelegt ist; jedes Jahrsiebt tritt man in ein anderes Thema.
Die Anangke der Götter, die durch die Planeten begreifbar werden, ist keine Wirklichkeit sondern eine Möglichkeit. Damit entsteht eine paradoxe Situation: der Mensch ist nur frei, seine höchste Möglichkeit zu verwirklichen, weil er erst danach überhaupt zu seiner eigenen Lebenslinie, seinem persönlichen Sinn vorstößt. Jegliche Lebensform, die nicht alle Komponenten des Gemüts einschließt, verhindert das Finden der Mitte und damit die entscheidende Integration, von der aus die Mitarbeit an der Evolution möglich wird.
Für die rationale Philosophie war die Sprache und Logik einerseits, der Kreis der Zivilisation andrerseits der Raster, der dem Einzelnen eine Sinnfindung ermöglicht. Doch jeder hat darüber hinaus eine ganz bestimmte Motivation, die als Bild dreidimensional zu erkennen ist: in Fühlen als Festhalten an der Integrationshöhe der Motive, im Körper als Verwirklichung aller Anlagen, die sich aus der Geburtskonstellation ergeben.
Nicht nur in Griechenland war der Tierkreis als Zusammenspiel der olympischen Götter das Urmodell der Gesellschaft; die zwölf Zivilisationsgebiete bildeten den Raster aller Reiche. In Europa waren sie räumlich definiert mit einer heiligen Stadt als Mittelpunkt wie Rom, in China dagegen zeitlich, wo der Kaiser jeden Monat das Thema der Audienz wechselte und andere ständische Vertreter empfing. Aber sobald der Mensch nicht mehr von Eltern und Vorgesetzten abhängig sein will, sondern sein eigenes Ich erstrebt, wie es das Ideal der Demokratie heute überall postuliert, gilt es sie als Bewusstseinsrahmen zu begreifen. Das wird am leichtesten durch ihre Bestimmung in den Kreuzen der drei Bereiche.
1 · Seele · In der Astrologie kardinales Zeichen
Seele bedeutet den Raum der menschlichen Beziehungen: zu Eltern, Kindern, dem gleichen und anderen Geschlecht.
2 · Körper · In der Astrologie fixes Zeichen
Der Körper entsteht dauernd zufolge seinem eigenen Genom; er ist kein statisches Bild, sondern muss sich artgemäß und wesensgemäß auswirken können.
3 · Geist · In der Astrologie labiles Zeichen
Geist ist die Welt des Imaginalen; der Teilhabe an der Energie des All, aber auch der sinnhafte Zusammenhang des Wissens, wie wir ihn früher beschrieben haben.
Wird eines der Gebiete zu mächtig, dann verliert der Mensch seine Mitte. Doch die Oppositionen der Formungszentren ermöglichen dem Einzelnen, das innere Nichts zu wahren, aus dem immer das neue Etwas in der Seele geboren wird. Man muss genau so viel für sein ich tun wie für den anderen (I-VII), das Gestalten und den Besitz auf die Beseitigung des Sterbenden (VIII) abstimmen, im Lernen (III) auf den möglichen geistigen Sinn (IX) achten, Familie (IV) und Beruf (X) in Gleichgewicht setzen und den Selbstausdruck als Künstler und Spieler (V) auf das große Werk der Zivilisation richten, schließlich Arbeit (VI) und Regeneration oder Muße (XII) miteinander ausgleichen. Wenn man dieses vermag, erreicht man über die Gegensätze die Mitte des Rades, sobald man die Eigenmächtigkeit der Zivilisationsgebiete überwunden hat, die nach moslemischer Ansicht den Sündenfall des christlichen Abendlandes und heute der ganzen Erde bedeuten.