Schule des Rades

Arnold und Wilhelmine Keyserling

Stimme des All

Riten der Wassermannzeit

Das Weltenjahr

In jedem Zeitalter hat Gott einen neuen Namen — und damit sind die Abschnitte des Weltenjahres von 2.160 Jahren gemeint.

Die Gottesvorstellung muss, auch wenn sie das Andersartige ausdrückt, mit dem jeweiligen Verständnis der diesseitigen Welt und des Menschenlebens in ihr übereinstimmen. Sprache, Musik, Kunst und Ritus müssen zum Sprungbrett werden, um die Ebene des Unsagbaren als letzte beziehungsweise erste Wirklichkeit zu erfahren.

Erleuchtete Weise aller Zeiten und Lebensformen haben Worte und Zeichen hinterlassen, die zeitlos auf die andere Wirklichkeit hinweisen und uns zutiefst berühren. Sie sind Edelsteine aus einem zerfallenen Gefüge, die im Weltbild der Wassermannzeit ihren neuen Platz finden.

Ein schönes Beispiel dieser Wandlung der geistigen Einstellung, das zwar bloß eine Epoche von 60 Jahren betraf, war das tibetanische Fest zu Beginn des Holzhundjahres am 10. Februar 1994 in Wien.

Ein namhafter Künstler der Sandmalerei, freilich Mönch und Gelehrter der Astronomie und Symbolik, arbeitete wochenlang an einem Sandbild. Der gefärbte Sand wurde durch ausgehöhlte Stifte in Arabesken und Figuren in höchster Genauigkeit auf ein großes Leintuch ausgeklopft. Das Kosmogramm stellte die Konstellationen der letzten sechzig Jahre dar. Es ergab ein Kunstwerk von atemberaubender Pracht, das wohl mancher Sammler, hätte es Bestand gehabt, mit Millionen vergütet hätte. Das ganze Wunderwerk wurde jedoch unter Gesängen und Gebeten zusammengekratzt und als ein Bündel Sand im Leintuch verknotet in die Donau versenkt. Auf diese Weise wurden die negativen Auswirkungen der Vergangenheit aufgelöst, um die positiven Kräfte durch das Gebet zu bewahren.

Ähnlich ist es wohl auch mit den großen Epochen der Menschwerdung im Weltenjahr, das sich in seiner Zwölffältigkeit über 25.920 Jahre erstreckt. In jedem Weltenmonat, der der Lebensdauer von sieben Jahren entspricht, ist die Ablösung von der erreichten Mentalität und Lebensform schwierig und oft als Katastrophe gekennzeichnet. Die Weisheit der Epoche verschwindet wie im Sandbündel unter den Torheiten und Auswüchsen der verflossenen Periode. Unmittelbares Anknüpfen ist den Erneuerern nur im geringem Maße möglich. Es bedarf jeweils einer neuen Offenbarung, die nicht in alte Schläuche gegossen werden kann.

W e l t e n j a h r

Der Löwe stellt in vielen Kulturen zeitlos das verlorene Paradies dar, noch jenseits der menschheitlichen Entwicklung. Im christlich-jüdischen Mythos beginnt diese mit dem verhängnisvollen Apfel, wo das Menschenpaar, im negativen Sinne luziferisch inspiriert, vom Baum der Erkenntnis essend der göttlichen Allwissenheit teilhaftig werden wollte.

Nach der ersten Epoche des Krebs-Fühlens mit dem Mond, der allmonatlich an drei Tagen der Dunkelheit die Seele von falschen Vorstellungen erlöst, erzählt der Mythos von der allesbedeckenden Flut, die nur durch die Arche des Denkens den Tier- und Menschenpaaren ein weiteres Leben ermöglicht.

Am Ende der Zwillingszeit spielt das Wasser im Atlantismythos zwar wieder eine auflösende Rolle, die aber durch Stürme und Erdbeben einen Kontinent des Wissens und der Erkenntnis verschlingen lässt.

Auch Moses, in der Widderzeit, befreit sich und sein Volk von der Herrschaft des goldenen Kalbes, in die die Blüte der Stierzeit ausartete, indem er, den Strom teilend, das rettende Ufer erreicht. Auch er empfängt eine neue Offenbarung, die ihm im brennenden Dornbusch zuteil wird.

Buddha, Christus und Mohammed gründen ihre Lehren der Fischezeit auf Erleuchtung und Offenbarung. Im Buchwissen verankert wird sie in strenger Autorität die Entfaltung der einzelnen fördern und diese zu umfassenden Glaubensgemeinschaften und Reichen zusammenschließen.

Die Autorität wird in der Wassermannzeit zu einer sachlichen. Es gilt, mittels der Denkfunktion die Gegebenheiten der drei Ebenen Mikrokosmos, Mesokosmos und Makrokosmos beziehungsweise Erde, Mensch und Himmel — welch letzterer sich bis zum Unendlich-Ewigen erstreckt — kennenzulernen. Die Autorität des Lehrers, des Gelehrten, ist nicht verschieden von der des Fluglehrers, der dem Schüler in einer begrenzten Zeit ein bestimmtes Wissen vermittelt, aber nicht seelisch und geistig Verantwortung übernimmt.

Arnold und Wilhelmine Keyserling
Stimme des All · 1995
Worte der zehn heiligen Mächte
© 1998- Schule des Rades
HOMEDas RAD