Schule des Rades
Arnold und Wilhelmine Keyserling
Stimme des All
Riten der Wassermannzeit
Zeit ist Qualität
Zeitrhythmen als Träger des Fortschritts in der persönlichen Entfaltung haben wir schon frühzeitig erkannt. Die Basis dieser Erkenntnis: Zeit ist Qualität. Sie hat nicht, sondern ist. Es gibt im Diesseits keine blanke, undifferenzierte Zeit. Sogar wenn wir selbst den Beginn eines Ablaufs setzen, ist der zweite Tag potentiell ein anderer als der erste und so fort. Uns darauf besinnend kann die Zeit unsere Lehrerin im Wirkfeld werden.
Das erleben wir im Ritus der Zwölf Tage
, die wir vor der Wintersonnenwende begehen. Wir durchschreiten unseren Häuserkreis im Horoskop, vertiefen dadurch das unterscheidende Verständnis des zwölffältigen Themenkreises, der dem Bewusstsein zugrundeliegt, und merken aus den Begebenheiten der täglichen Verrichtungen, den Erfolgen und Schwierigkeiten, wo wir selbst eine Veränderung ersehnen und diese fördern können. Zwölf Tage, die sonst quasi linear im Nacheinander verlaufen, werden zum Kreis, der die Plattform weiterer Entwicklung bildet, denn im Fortschritt ist jeder Zeitkreis eine Entwicklungsspirale. Da sich eine Gruppe allabendlich trifft, um die eigenen Erlebnisse mitzuteilen, erfahren die Teilnehmer mehrere Aspekte der zwölf Lebensgebiete. Der zwölfte Tag ist dann der Tag der Liebe, der Erfüllung und Heilung, der Wiederkehr des Lichts. Da uns Zeit und Raum — als Träger der aus der Einung von Himmel und Erde geborenen Qualitäten — heilig sind, feiern wir dieses Fest auch zum exakten astronomischen Zeitpunkt, meist am 22. Dezember, egal, ob es z. B. auf 2 Uhr morgens oder vielleicht 11 Uhr Vormittag fällt.
Eine weitere Begegnung mit den Freunden der Wassermannzeit, die uns zum Ritus geworden ist, sind die Monatsgespräche im Tierkreis
.
Der Tierkreis, das Bild des Menschen im All, stellt mit dem Enneagramm auch das Urhoroskop dar. Er ist der ganze Mensch, wie einer, der die Sonne in allen zwölf Häusern und die Planeten im Enneagramm hätte. Wir sind sonnenhaft ein Zwölftel und in der Gesamtanlage vielleicht ein Billionstel der Menschheit und trotzdem ein besonderes, dem ein ganz eigener Wirkplatz am Werk zusteht. Indem wir in der Jahresspirale die zeitliche Zwölffältigkeit des Großen Menschen erleben, wird er zum Träger unserer Entfaltung. In der Frage Wer bist du verstehen wir allmählich das Wer bin ich besser. Niemals aber können wir umgekehrt über letzteres auf ersteres schließen. Das ist der Sinn und Zweck der astrologischen Bemühung.
Im Jahreskreis versuchen wir uns in den jeweiligen Abschnitten über die Begriffspaare Seele-wollen, Körper-empfinden etc. und die dazugehörigen Planeten, deren Wesensart bewusst zu machen. Der geringe theoretische Einblick — niemals kommt man an ein Ende — wird durch das Erleben ergänzt. Leben im Rad
, was sowieso nicht zu vermeiden ist, wird wie für die Pflanzen und Tiere zum Entwicklungsweg.
Im monatlichen Treffen werden wir durch den Einblick der Freunde bereichert. Indem unsere Worte einen Aspekt des Menschen im All darstellen, gleicht diese gemeinschaftliche Bemühung nicht einem Gespräch im Kaffeehaus, sondern ist vielmehr ein Ritus der Erkenntnis.
Zum Ritus wird die Zusammenkunft, indem wir uns im klaren sind, dass nicht der bloße Austausch menschlicher Intelligenzen Einblick gewährt. Wir Freunde in der sichtbaren Welt — die gelegentlich an Chips knabbern und ein Glas Wein trinken — versuchen uns gemeinsam auf die unsichtbare Welt zu besinnen, die Einstimmung auf Himmel und Erde herzustellen. Der Geist des Himmels ist immer, aber in unserem Bewusstsein nur, wenn wir ihn anrufen, einladen. — Nehmen Sie mit ihm das kosmische Telefongespräch auf. Auf irgendeine Weise kommt Antwort.
Die Zeitrhythmen waren uns seit Jahrzehnten eine lebendige Erfahrung. Die Raumrichtungen blieben noch lange theoretische Kenntnis. Dass dem Raum die Acht als vier und vier zugrundeliegt, wird keiner bezweifeln, das war seit Menschengedenken selbstverständlich. Wenn wir die Achse oben-unten hinzunehmen, sind es zehn Richtungen.
Besinnung auf den Himmel setzt uns mit dem unendlichen Raum in Beziehung, wie es schon in der Meditation des Vijnana Bhairava Tantra heißt:
Besinne dich auf den unendlichen Raum — ohne Stützen — leer — alles durchdringend — löse dich auf im Nichtraum.
In der Besinnung auf unten kommen wir an ein Ende, erreichen die Mitte der Erde als Zentrum unserer endlichen Welt. Zwischen Erde und Himmel, vertreten durch die Sonne, ergeben sich die acht Richtungen, die von hier ausgehend ebenfalls ins Unendliche weisen. Sie verbinden endlich mit unendlich. Don Juan sagt zu Castaneda:
Wenn du nur dessen gewahr wärest, dass die Unendlichkeit genau hier beginnt!
Das Unendlich-Ewige, Nichtraum und Nichtzeit, ist, ist Urgrund und Ursprung, ist aber nicht wirksam.
Wirksam wird es in unserer Mittelwelt über acht verschiedene Unendlichkeiten, die wir als acht Qualitäten des Raumes — denn auch der Raum ist Qualität — unterscheiden und als acht geistige Wesenheiten ansprechen können.
So ist das Rad, der Lebenskreis, wie durch acht Kraftlinien im All verankert. Kraft und Licht der Wahrnehmung vereinen sich. So können wir die acht Unendlichkeiten als Wesenheiten, als Subjekte erfahren.
Wie die jüngste Naturwissenschaft sagt, liegt dem erfahrbaren Raum-Zeit-Kontinuum das zero-point field zugrunde, der Äther der Inder oder das Chi der Chinesen;
und weiter:
jede Erscheinung, jedes Ereignis ist Subjekt.