Schule des Rades

Arnold Keyserling

Strahlen der Wahrheit

II. Zeugende Zahlen

Neun

N e u n
Die Zahl neun ist der Abschluss der Ziffern. Sie ist die Fähigkeit der Kreativität, des Neuen in vielen Etymologien. Sie ist die strukturelle Grundlage aller anderen Zahlen, erreicht die Vollständigkeit. Was durch 9 geteilt wird, ergibt sich selbst als unendlichen Bruch:
1 : 9 = 0,11111……,
2 : 9 = 0,22222……

Der neunte Planet des Sonnensystems ist Pluto, ein Doppelplanet, da sein Mond Charon die gleiche Größe wie Pluto hat. Die ewige Wiederholung, die Iteration einer bestimmten Folge der neun Ziffern, ist die Grundlage sowohl der Natur als auch der Computer im deterministischen Chaos.
Neun ist die Zahl der Grammatik, wo allein Quantität und Qualität identisch ist, da jede Wortart in ihrem Sinn durch die Anzahl der Kategorien bestimmt wird. So sind die Wortarten die ursprüngliche Kabbala, und die Fähigkeit der syntaktischen Verbindung im Satz ist der Schlüssel, um von der physisch-sexuellen Kreativität aus Mars und Venus in die geistige des verkörpernden Denkens zu kommen. Grammatik schafft Sinn, der beliebige Andeutungen haben kann. Daher sind die Neun und das Enneagramm der ursprüngliche Schlüssel zur Befreiung und Kreativität. Die syntaktische Kombinatorik erwacht spontan beim Kind mit dreieinhalb Jahren als language instinct. Das Kegelspiel, wo die geworfene Kugel alle neun umwerfen soll, ist ein Spiel der menschlichen Befreiung; die Sonne bekennt sich zu ihrer Stellung als Lichtquelle und Schwerkraftsmitte. Sprachlich ist sie die Fähigkeit der drei Satzformen: Aussage-, Frage- und Sollsatz. So ergeben sich folgende Entsprechungen:

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Bindewort
Hauptwort
Urzeitwort
Verhältniswort
Eigenschaftswort
Zeitwortpersonen
Fürwort
Umstandswort
Zeitwortformen
Satzformen
heilen
gestalten
erkennen
wünschen
unternehmen
kommunizieren
beginnen, kämpfen
verantworten
entwerfen
tun
Jupiter
Venus
Uranus
Mond
Merkur
Neptun
Mars
Saturn
Pluto
Sonne

Aussagesatz
Sollsatz
Fragesatz
Können
Führen
Inspiration
Luzifer
Rahu
Ketu

Alles Entwerfen gleicht einer Programmierung, ist Verkörperung eines Gedankens, sobald kein mythischer Rest das Verstehen verdunkelt. Masse bedeutet regelmäßige Wiederholung wie in der Maschine oder der Iteration des Algorithmus im deterministischen Chaos.

Gurdjieff lehrte, wer die Neun hat, kann tun. Pluto ist Herr der Hölle und der Wassermannzeit. Hölle ist ewige Wiederholung als Zwang, wie bei einem eingerasteten psychischen Komplex. Maschinen dagegen sind eine Hilfe zur Befreiung aus dem Zwang; daher ist der Computer nicht materialistisch zu verstehen, sondern als Verkörperung des language instincts.

Das Enneagramm ist der Urcode aller Sprachen, also der Semiotik. Dank seinem Verständnis — die Neun ist entwerfen, planen, Strategien im Fühlen und Gerechtigkeit in der Himmelsleiter als 10 — kann die Askese des Denkens zur geistigen Wiedergeburt führen.

Ist ein sonnenhafter Satz richtig gebildet und enthält alle Wortarten, dann steht er für sich selbst, ist ausgeglichen wie ein gesättigtes achtfältiges Molekül mit dem Unterschied, dass das gesättigte Molekül statisch ist, wogegen die Neun dynamisch weiterführt.

Nur das Denken befreit aus den Gegensätzen. Fühlen ist zwischen Lust und Schmerz, empfinden zwischen schön und häßlich, wollen zwischen gut und böse. Doch das Denken hat nicht den Gegensatz wahr und falsch, sondern die Ergänzung sinnvoll und sinnlos. Das Sinnlose kann ich garnicht bedenken; es bleibt unverständlich und wird nie Teil der abrufbaren Erinnerung. Ich kann etwas nicht zweimal verstehen. Sobald ich es wirklich verstanden habe, sei es ein Witz oder der pythagoräische Lehrsatz, wird es zum Kriterium künftigen Denkens, also ein Werkzeug, das den Umfang der Weisheit und des Wirkens erweitert.

Arnold Keyserling
Strahlen der Wahrheit · 1996
Von der globalen Zivilisation zur transzendentalen Weltkultur
© 1998- Schule des Rades
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