Schule des Rades

Arnold Keyserling

Strahlen der Wahrheit

IV. Offenbarung der Erde

Skorpionland - Mars

S k o r p i o n l a n dSkorpion-Adler ist das Haus des Todes, hat im Rad die Farbe purpur, die nicht im Regenbogen vorkommt, aber durch das Chlorophyll der Pflanzen aus rot und violett, also aus den Farben des untersten und obersten Chakras synthetisiert wird. Skorpion ist Schwerpunkt der Tiere, wie Stier Schwerpunkt der Pflanzen. Stier ist reine Materie, Skorpion reine Energie. So finden wir hier die Lehre des Todes, er ist allgegenwärtig. Ob man nun im Skorpion den Aspekt des Adlers erlebt, der alles Verderbliche frisst und nur das Unsterbliche vorbeilässt, wie Don Juan lehrt, oder als das Tier das sich selbst tötet, wenn es keinen Ausgang sieht, oder als das männliche Geschlecht, die Potenz und den Zugang zum Chaos, dem allumfassenden Energiemeer — ob man im persönlichen Lebenskreis das VIII. Haus als Erkenntnis des Todes als Schwelle fühlt, wo man frei in die Energie hinüberwechselt — immer ist die Begegnung mit dem Tod die große Befreiung.

Castaneda schildert den Ort des letzten Tanzes, wo der Tod, der als Freund links neben einem weilt, zuschaut und den Kummer in Freude verwandelt. Die Indianer der großen Ebene werteten das Ertragen von Schmerzen als Prüfung und die Überwindung der Angst war Teil der Initiation, ebenfalls der Schmerzen im Sonnentanz der Sioux.

Im Wassermann ist das Chaos mathematisch und physikalisch zu erfassen, im Skorpion sinnlich. Das Stierland erfährt im Yoga die Energie, Prana, die den Menschen im Atem zusammenhält. Der Adlermensch kann das Feld der Energie als leuchtendes Ei erkennen, das über Lichtfäden mit allen anderen dem es seine Aufmerksamkeit zuwendet in Beziehung ist. Auch Gurdjieff eröffnete nach der Beschreibung Ouspenskys einen Übungsweg, um den energetischen Aspekt sichtbar zu machen. Mit Meskalin erlebte ich, wie die Assoziationen wie in einem Glas um den Kopf kreisen, der Mensch sozusagen eine Lichtbirne trägt, bis er das Licht in krakenhafte Fäden verwandelt, wie die Aka-Fäden der Hunas, wo der Tastsinn zum Erfassen der energetischen Information, also der Schwingungsstruktur führt.

Don Juan beschrieb die Welt der wachen Sinnlichkeit als Tonal, als Bereich der linken Großhirnhemisphäre, als brainmind, die rechte als Nagual, nur durch die Trommel oder die Entscheidung zugänglich. Der Nagual öffnet sich dem Gewahrsein, nicht dem Bewusstsein, durch die Verschiebung des Fokus der Aufmerksamkeit durch die Sammelpunkte in den Chakras.

Felicitas Goodman beschreibt, dass jede Körperhaltung, veranschaulicht in den olmekischen Skulpturen in Mittelamerika, kosmologische Ausblicke ermöglicht. Die größte Hilfe ist der große Bär, bei den Eskimos im Norden der Eisbär. Man stelle sich einen großen Bären vor, in dessen Armen man sich geborgen fühlt, und durch trommeln oder rasseln steigt man dann mit seiner Hilfe, oder mit Hilfe des eigenen Krafttiers bis zum Polarstern und zur Region der seligen Ahnen auf.

Die Erfahrung des Krafttieres wird in einer Visionsreise in die Unterwelt vermittelt, wo ein Tiergeist einen erweckt. Hierbei ist die Zahl vier entscheidend, da sie sowohl das vierte Chakra der Sonne in der Himmelsleiter als auch den Mond im Enneagramm bestimmt. Man muss in der Vorstellung über eine tatsächlich erinnerte Höhle in das Land der Tiergeister unter die Erdoberfläche dringen und lässt sich von einem Tier, das viermal vor einem auftaucht erwählen. Dann kann man die Reise zur Milchstraße auch von einem rauchenden Kamin beginnen, wobei dann in der Mondstufe, also bei tatsächlicher Imagination seiner Bahn, der Weg in die Erkundung anderer Welten anhebt, wobei das Krafttier einen führt.

Die künstlerische Einbildungskraft ist nicht so stark wie die tatsächliche Vision. Der indianische Medizinmann Smoahla lehrte 1880 das Träumen und den Geistertanz und verteidigte die indianische Auffassung, dass der Traum und nicht das wache Arbeiten der Weg zur geistigen Auferstehung sei. Don Juan unterschied die beiden Wege des Pirschens und Träumens, wobei das Pirschen von der Wirklichkeit in die Möglichkeit führt, und das Beachten der Traumvisionen die Fügungen der Wirklichkeit ergänzt. Jeder Mensch gehört einem dieser beiden Wege zu, die sich wie Yin und Yang verhalten. Träumen ist Yang — seine Wahrheit ist eindringlicher als die sinnliche Erfahrung.

Doch auch die Sinne des Körpers bergen in sich die Fähigkeit zu weiteren und tieferen Erkenntnissen, denn wir leben zwischen unendlich vielen Welten, die parallel zu unserer sind. Alle sind durch Wege zugänglich, und man muss unter diesen einen mit Herz aussuchen, sonst geht man zugrunde.

Wie in Afrika sind der Stein, das Metall und die Knochen die Träger der Erinnerung. Daher auch die Möglichkeit, die Statuen der Olmeken und Tolteken zu lesen, durch Einnahme einer Haltung eine Visionsreise zu beginnen.

Im Skorpionland spielen die energetischen Substanzen der Pflanzen eine wesentliche Rolle, um von der Ebene des Tonal in die des Nagual überzuwechseln. In Europa wurden sie als psychotropische Drogen bekannt und meistens missverstanden. Soweit ich ihren Gebrauch dort erfahren habe, ging es nicht darum, sich ganz in der Welt des Nagual zu verlieren, sondern vielmehr im Sinne der Teilung der Aufmerksamkeit da und dort in sich zu vereinen, Vision und Verstand in Beziehung zu setzen.

Auch im Skorpion bilden die Himmelsrichtungen des sacred count die Orientierung. Aus jeder Richtung erfährt man andere Welten. Auch das Bild des Menschen im All taucht als human mold in bestimmten geistigen Verfassungen als Helfer auf, ebenso Pflanzenseelen wie der Geist Mescalito, der einem beisteht, vergangene Leiden zu lassen und sich vollständig dem Weg zu widmen.

Aber um einen Weg jetzt zu beginnen, muss man die vier unteren Chakras als Feinde überwinden und integrieren.

  • Der erste Feind ist das Empfinden, planetarisch hauptsächlich im Saturn als Angst verkörpert. Er wird überwunden und integriert, wenn man zur Klarheit kommt, also das Denken dem Empfinden als Fähigkeit der Verknüpfung der Sinnesdaten zur Strategie überordnet.
  • Diese Klarheit wird zum zweiten Feind, man wird zynisch, kann alles durchschauen, was einem Angst gemacht hat.
  • Jetzt gilt es hinter diese trügerische Klarheit zu treten und den dritten Feind zu besiegen, der im Fühlen, in der Sehnsucht nach Macht lauert. Wer diesen Feind nicht kennt, den wird er binnen kurzem in einen grausamen kapriziösen Tyrannen verwandeln.
  • Die Macht wird erst dann als Feind überwunden — sie ist eigentlich ein neuer Aspekt der Angst — sobald man als eigentlichen Feind die Müdigkeit und Trägheit erkennt, die dem Tod verschwistert ist. Diesem Feind unterliegt man im Sterben; aber jener, der sein Lichtwesen erweckt und geschaffen hat, weilt bereits im Leben in der Kommunion mit den Ahnen und seine Reise führt nach dem Tod in neue Abenteuer.

Die Vernichtung der indianischen Kultur war in Nord- und Südamerika von beispielloser Grausamkeit. Sie zeigt die Gefahren der christlichen Mission. Die Religion der Liebe wird zur Aufforderung zum Hass durch die Erfindung des Teufels und der Hölle. Damit ergibt sich die Möglichkeit, die eigenen Verfehlungen und Sünden oder Verbrechen des unbewussten Schattens mit Feindbildern zu identifizieren und mit gutem Gewissen zu morden, welche Verfallenheit in den meisten prophetischen Überlieferungen aufgetaucht ist.

Die Magie der Zauberer ist zugänglich, negativ wie positiv, als Helfer und als Zerstörer. Es gibt keine bösen Geister, nur böse lebende oder gestorbene Menschen, die aus ihrer verfehlten Mentalität nicht herauskamen. Don Juan erschien nie in der Öffentlichkeit, sondern nur im Verborgenen, das heißt im kleinen Kreis.

Die Skorpionmenschen, bereits im Gilgamesch Epos die Wächter vor dem Weg der Unsterblichkeit, haben mit Castaneda das Tor des Todes endgültig geöffnet. Anschließend können wir die große jenseitige Offenbarung für die Erde verstehen, die sich im Bereich des Schützen verkörperte und durch die Prophezeiungen von Celestine, wenn auch in romanhafter Verfremdung, zum erstenmal seit Beginn der Neuzeit besprochen wurden.

Arnold Keyserling
Strahlen der Wahrheit · 1996
Von der globalen Zivilisation zur transzendentalen Weltkultur
© 1998- Schule des Rades
HOMEDas RAD