Schule des Rades
Arnold Keyserling
Urreligion Astrologie
3. Mars - Jupiter
Heilen
Das Erreichen der Erdmitte und die Anjochung der Chakras sind die Voraussetzung, um die Nahtstelle von Leben und Tod, von Masse und Energie, von Kosmos und Chaos zu erfahren. Die Wurzel des Selbstes in der Erdmitte, ja aller Mitten ist unendliche Kraft. Wer sie in der Meditation erreicht, kann die Mitte des Horoskops und damit des Bewusstseinskreises nicht nur denkerisch anpeilen, sondern auch existentiell erleben.
Körper und Seele haben eine Reihe von Motiven, die nicht inhaltslos sind, sondern das Ergebnis früherer Erlebnisse und unerfüllter Erwartungen. Sobald der Mars der Himmelsleiter als fünfte Stufe der Menschwerdung zum Mut des Kämpfers wird — also den eigenen Tod nicht zu fürchten und einsichtige Werte zu verwirklichen — kommt die große Entscheidung. Mars bestimmt den Beginn der Liebe, aber auch jegliche Initiative des Einsatzes. Wenn nun das Töten aus dem Hass diese Rolle einnimmt, fällt der einzelne und auch das Kollektiv in das Spiel der vier Überlebenstriebe zurück; Evolution wird zur Involution, zur Stagnation und Regression. Wenn aber das Denken als Division im Enneagramm eingesetzt wird, dann ist das Ziel des Mars der Jupiter, der die Integration beginnt, die sich fortan durch elf Stufen fortsetzen wird.
Jupiter als Planet bringt die Fähigkeit des Heilens. Heilen bedeutet anderen zu ihrer Integration, zu ihrer Ganzheit, ihrem Heil zu verhelfen. Jupiters Heim ist im Geist-fühlen der Fische, bezogen auf den Lebenssinn, die Teilhabe an der Welt der Ahnen und damit der Neuen Erde. Er ist Kennzeichen des Inbilds, der inneren Aufgabe, der Zauberperle.
Ohne Jupiter hätte der Mensch keinen Kompaß. So zeigt nicht die europäische, sondern die chinesische Astrologie den Einsatz zur Ichwerdung im jupiterischen Sechzigjahreszyklus, wo die Zehnerordnung — zweimal die fünf Hsing, Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser, mit der Zwölferordnung von Mond-Jupiter übereinstimmen. Abgesehen von der persönlichen Vergangenheit, dem Karma, tritt die kollektive Lage der Gesellschaft als Attraktor hinzu.
Alle zwölf Jahre wiederholt sich im Lebenskreis die Oktave des Geburtsmoments. So wird auch das Inbild im Weg durch die Chakras erkennbar, auch in den Jahren:
0 - 12
12 - 24
24 - 36
36 - 48
48 - 60
60 - 72
72 - 84 empfinden,
denken,
fühlen,
wollen,
Verkörperung,
Beseelung,
Vergeistigung.
Der uranische Lebenskreis zeigt die Ichwerdung im Kollektiv, der jupiterische die fortschreitende Integration.
Mars 7, Jupiter 1 und Mond 4 wirken in der imaginalen Sphäre der chaotischen Traumwelt. So sind die drei ersten Schritte des Enneagramm im Fühlen frei, denn das Chaos lässt sich beliebig kristallisieren, wenn einmal die entsprechende Zahlenstruktur, der iterative Algorithmus gewählt wurde.
Hieraus entstehen die Mythen als geprägte raumzeitliche Modelle sinnvollen Handelns. Überall galt Jupiter als Götterfürst, als Herr des Himmels. Er ist aber nicht Gott, sondern das Durchgangstor der inneren Aufgabe, des nicht inkarnierten höheren Selbst, also der Zauberperle. Seine Koordinaten sind Heilen, Inbild, Bindewort als Fähigkeit der Namensgebung eines Ideenzusammenhangs, also die Verbindung der Ideen zu einem beständigen Archetypus der Intuition, und die Erkenntnis der eigenen Rolle als Medizin im indianischen Sinn in der Heilsgemeinschaft der Neuen Erde.
Fühlen verlangt die Entscheidung für die Liebe gegen den Tod, für gut gegen böse, für helfen gegen schaden. Der negative Jupiter wird zur Eifersucht, zur Ausschließlichkeit, zum Bekenntnis, das die Zugehörigkeit begrenzt. Daher muss der Glaube sich auf die Ebene der Medizin des Himmels begrenzen, und jeder findet seinen eigenen Weg, um aus dem höheren Selbst über die Medizin, sein Horoskop in die Wirklichkeit einzugreifen.
Wer seine persönliche Medizin als für alle verpflichtend und gültig betrachtet und für ihre Durchsetzung kämpft, hat anfangs Erfolg, aber geht nach zwölf Jahren, einen Jupiterumlauf zugrunde, wie Cäsar, Napoleon und Hitler oder auch die afrikanischen Könige, die nach zwölfjähriger Herrschaft getötet wurden. Das Wesen entfaltet sich über den seltsamen Attraktor in den Augenblicken der Wahl und Entscheidung, die sich aus Gipfelerfahrungen und Fügungen zur Lichterstraße verknüpfen.
Der heilende Mensch ist vom jupiterischen Impuls getragen. Dieser bedeutet die Befruchtung, die sowohl körperlich in der Mitose, als auch seelisch in der Maieutik, in der Erweckung zur eigenen Medizin und geistig in der Erkenntnis der künftigen Rolle erkennbar wird. Jupiter heißt auf Sanskrit Guru, jener Lehrer der einen zum geistigen Weg erweckt, auf chinesisch Holzstern der den Schlüssel zum Wachstum und zur Entfaltung offenbart.
Die Intuition des Jupiter erwacht durch Meditation der Sterne, aller Zeitläufe bis zum Weltenjahr. Er eröffnet von der gesamten Existenz her die Einsichten; er lässt erkennen, warum Alleinsein nicht Einsamkeit bedeutet, sondern die Eins des Jupiter erstreckt sich fraktal auf alles was nicht einem falschen Zusammenhang eingegliedert war und daher das eigene Wachstum vernichtet. Die grammatikalische Entsprechung, die Konjunktion, kann nur verbinden, was nicht schon in einem höheren Zusammenhang ist.
Wer behauptet, dass Visionen negativ seien und die Einbildungskraft zum Reich eines Teufels erhebt, kann nicht zu seiner Medizin durchdringen. Es gibt kein Traumbild, das nicht letztlich der eigenen Entfaltung dienen könnte. Jupiter ist die innere Gemeinsamkeit der Menschen als Aufgabenträger, in der Welt aber nicht von der Welt. Jeder trägt in sich den Archetypus des Helden und Erlösers, des Heilands, der den Tod besiegt hat, in der aktiven Imagination das Urbild des Asklepios.
Jupiter ist als Impuls freundlich und mütterlich, da der Mensch im Traum nichts böses tut. Er muss die Bildsphäre integrieren. In den Chakras ist er das innere Auge als Organ des Gewahrseins. Dies meint wohl der Spruch des Lao Tse:
Wer mit klarem Blicke alles durchschaut,
kann wohl ohne Kenntnisse bleiben.
Denn er sieht die Wahrheit unmittelbar, nicht mehr im Spiegel der Reflexion.
Frage ich den werdenden Gott, den Menschen im All, was der nächste Schritt meiner Integration ist, antwortet der jupiterische Impuls in einer Vision oder in Worten. Sobald ich die Frage richtig stelle, also marsisch, indem ich von keinem Wissen ausgehe, ist die Antwort gültig und fruchtbar und bereichert meine Existenz, sobald ich nach der Integration der Antwort handle und tue. Hierzu ist ein Vertiefen in die Mythen und Märchen hilfreich, aber nur dann, wenn die Mythen nicht mit Gott verwechselt werden.
Vom Selbst her gesehen ist Jupiter die Würde, die von anderen geehrt wird; vom Ich her die Fähigkeit, die Lage und Problematik anderer in Bezug auf ihre Fülle und Vollendung zu verstehen. Jupiter gipfelt im Namen, durch den ich mit den Wesen des Jenseits mit den Ahnen verkehren kann, und gleichermaßen den Lebenden und den Toten helfe.