Schule des Rades
Arnold Keyserling
Urreligion Astrologie
12. Luzifer - Sonne
Bhagavad Gita
Genau zu Beginn der Fischezeit, 200 vor der Zeitenwende, wurde nun in Indien ein Epos geschaffen, das den astrologischen Schlüssel zeigt, wie man bereits im irdischen Leben zum Glied des geistigen wird: die Bhagavad Gita
. Die ersten zwölf Kapitel beschreiben verschiedene Tore zur Befreiung, und die letzten sechs die metaphysischen Voraussetzungen.
Da auch in Indien die Astrologie durch Einfluss des Christentums, des Kolonialismus und des Rationalismus in den Untergrund ging — obwohl sie weiter als Jothir, als Lichtwissen, eine Stufe des Hathayoga bildete — wurde ich nur durch Fügung, durch die Begegnung mit dem indischen Rechtsanwalt Khaitan 1961 auf diese Bedeutung aufmerksam gemacht, die jedem Hindu selbstverständlich ist.
Das Gedicht ist kein heiliger Text wie die Shrutis, die Vedas oder Upanishaden. Trotzdem spielt er im Hinduismus die entscheidende Rolle. Es gab auch im letzten Jahrhundert keinen Philosophen oder Staatsmann, der nicht ein Kommentar zu diesem Werk verfasst hätte, wie z. B. Tagore, Gandhi, Nehru und der Staatspräsident Radhakrishnan. Wir wollen uns aber nicht ihrer ethischen oder religiösen Interpretation zuwenden, sondern der astrologischen Offenbarung.
Das Epos schildert die Schlacht von Kuruk Shetra zwischen Arjuna und den Pandavas. Sie ist ein Teil des Mahabharata. Am Beginn beschreibt der Dichter den Sternenhimmel; alle bekannten Planeten mit der Sonne und Ketu, bei absoluter Sonnenfinsternis oder Neumond, auf der Erde über dem Übergang zwischen Löweland und Krebsland in Neuguinea befanden sich tatsächlich um 15° Wassermann, indisch in der Konstellation Makara, Krokodil, die sich heute hinter dem Ekliptikbild Wassermann befindet. Diese Konstellation war seit tausenden von Jahren nicht nur in Asien als entscheidende Epoche der Menschwerdung bekannt, sondern auch in der alexandrinischen Tradition. Sie geschah am 5. Februar 1962, in Kalkutta war der Aszendent Wassermann. Wir lebten damals dort; die Stadt war menschenleer, die Brahmanen trommelten die ganze Nacht, denn dieser Zeitpunkt hätte auch ein großes Unglück, den Weltuntergang bringen können. In Nepal retteten sich die Bewohner Katmandus aus Angst vor einem prophezeiten Erdbeben auf die Berge.
Wir feierten diesen Augenblick vor unserem Haus. Damit begann ich den Sinn des Epos zu verstehen. Es ist der Weg der Wassermannzeit, in der es nicht nur einen Aufstieg zur Unsterblichkeit und der Neuen Erde gibt wie in den Weltreligionen, sondern zwölf je nach dem Aszendentenplaneten, dem Lagnadipathi.
Vor der Schlacht die Arjuna gegen die Heere seiner Verwandten führen musste fragte ihn Krishna — die achte saturnische Inkarnation von Vishnu — ob er von ihm Hilfe für sein Heer begehre oder ihn, Krishna als Wagenlenker. Arjuna entschied sich zum letzteren. So war nun Krishna in seiner nächsten Nähe und begann ihm die Menschwerdung zu erklären, die aber erst in der Wassermannzeit auf Grund der Konstellation zum Tragen kommt.
In Indien gab es in der Vergangenheit, im Brahmanismus nur drei orthodoxe Wege;
- den Jnana-Yoga der Erkenntnis und Meditation in der Nachfolge Shivas;
- den Bhakti-Yoga der Hingabe und Devotion in der Nachfolge Vishnus, und
- den Tantra-Yoga bei den Nachfolgern vom Schöpfergott Brahma und der Göttin Kali-Durga.
Aber immer wieder gab es einzelne Meister in der Geschichte, die diesen Weg kannten und mündlich vom Meister zum Schüler, vom Guru zum Chela lehrten. Entscheidend ist der Lagnadipathi, also der Planet oder Himmelskörper, der den Aszendenten beherrscht; der Herr des heliakischen Zeichens, das im Osten über dem Horizont auftaucht.
- Widder - Rahu
Arjuna sieht, dass seine Gegner, seine Onkel, Brüder und Lehrer sind. Er weigert sich zu kämpfen, da die Vedas solchen Kampf untersagten. Krishna erklärte ihm, dass im Weg des I. Hauses man die Schuld für die anderen auf sich nehmen muss. Durch die Geburt ist man ins kollektive Karma verstrickt, von dem aus es nur den Weg nach vorne in die Tat gibt, also den Helden, der den Tod nicht fürchtet. Wer immer den Widderaszendenten hat, muss nach dem Ort des Rahu im Horoskop suchen; im X. Haus wäre es der Kampf für die Besserung der öffentlichen Umstände. Dies ist der Eingriffsort des Ich. Die strahlende Sonne kann nicht eingreifen; man kann sie nicht ansehen ohne zu erblinden. - Stier - Venus
Was ist aber dann mit jenen, die nicht eingreifen, sondern im Raja-Yoga in ruhiger Meditation verharren?
Auch sie finden ihren Weg zu Gott und zum Himmel. Wie der Mensch alte Kleider ablegt, verlässt man Körper wie Hüllen auf dem Weg zur Vollendung. Wer die Venus als Aszendentplaneten hat, wird von ihrer Stellung im Horoskop anderen in die Meditation den Weg zeigen, dass sie den Tod nicht fürchten und sich nicht mit ihrem Besitz und ihrer Gestaltung identifizieren. - Zwillinge - Uranus
Aber was ist mit denen, die nach Wissen streben und nur ihrer Vernunft vertrauen, und alle Traditionen kritisch betrachten und nach ihrer Wissenshöhe prüfen?
Auch der Karmayoga führt zum Heil, wenn die Adepten der Wahrheit unbestechlich folgen und nichts annehmen, was sie nicht geprüft und erfahren haben. Ihre Gefahr ist der Zorn, dass sie andere verachten, die nicht den gleichen Weg folgen. Der Ort des Uranus im Horoskop zeigt den Ansatz der Bemühung. - Krebs - Mond
Was ist aber dann mit jenen, die einer Tradition folgen, gehen sie in die Irre?
Nein, antwortete Krishna im vierten Kapitel. Alle Traditionen stammen von mir, also von Gott, man muss ihren Ursprung herausschälen. Er selbst habe die Lehre im Vishavat vermittelt, dann dem Manu und vielen anderen. Er ist jetzt in seiner achten Inkarnation als Avatar (Krishna). Immer verliert sich die Wahrheit in den Wirren der Zeit, Rama als Träger des Marsimpulses war der siebte, und Jagganath ist die plutonische künftige neunte. Die Offenbarung erscheint immer neu, sobald die alte verfälscht wurde. Hinter diese letzte gültige soll und darf man nicht zurückgehen. Die neunte Inkarnation von Vishnu ist für die Wassermannzeit nach orthodoxer Lehre in Bengalen, in Orissa Jagganath, der Gott des Rades in Puri; Pluto als der himmlische Schmied und Herr der Hölle. - Löwe - Luzifer, Sonne
Wie steht es aber mit jenen Gurus, die von keinem anderen gelernt haben, sondern aus eigener Erleuchtung wirken wie einst Buddha und in jüngster Vergangenheit Ramana Maharshi, im strahlenden Bewusstsein der schweigenden Unterweisung (silent Upadesha)?
Wer nicht von anderen gelernt hat, doch zur Befreiung und Wahrheit durchgestoßen ist, west wie der Lotus auf dem Wasser, von allen Problemen unbenetzt. Karmalos kann er jeden anderen zu seinem Wesen erwecken. Er ist der wahre Lehrer der Menschwerdung. - Jungfrau - Merkur
Wie steht es aber mit denen, die in der Mühsal von Arbeit und Wirtschaft, im Handel von unzähligen Problemen belastet sind, so dass sie keine Zeit für Devotion und Forschung haben?
Sie sind meine liebsten Jünger. Sie bedürfen keiner besonderen Riten, denn jede Tätigkeit ist für sie heiliger Dienst. Sie müssen nur beachten, da sie im Geldverkehr die Dinge nach Nutzen und Schaden beurteilen, nicht auch Menschen diesem Urteil zu unterwerfen. - Waage - Neptun
Wie steht es mit denen, die verheiratet oder in einer festen gesellschaftlichen Struktur sind, deren öffentliche Zielsetzung nicht Gott ist?
Auch sie finden den Weg zum Heil, wenn sie im Gatten, der Gattin oder dem Kollegen immer Gott sehen. Dann hilft ihnen der Partner, nach jedem Scheitern auf den Weg zurückzukommen und auch im gesellschaftlichen Verkehr den Himmel auf die Erde zu bringen. - Skorpion - Mars
Was ist aber mit jenen Yogis, die an den Verbrennungsstätten weilen und magische Mittel und Rituale verwenden, um anderen in schweren Situationen wie etwa beim Tod des Vaters zu helfen?
Im magischen Ritus gibt es zwei Wege: den Weg der südlichen Sonne und des aufsteigenden Mondes und den Weg der nördlichen Sonne und des absteigenden Mondes, kein Yogi darf sie verwechseln. Der erste führt zum Paradies, der zweite in die Unterwelt bis zu neuer Inkarnation. In derBhagavad Gita
ist diese Aussage nicht kommentiert, doch astrologisch können wir sie verstehen. Der südlich aufsteigende Weg vom I. bis zum VI. Haus führt zur Auferstehung im geistigen Leib, ebenso der aufsteigende Mond bis zum Vollmond, der Vision des Menschen im All. Der Weg des Nordens und des absteigenden Mondes macht alle Leistungen zunichte, da er auf selbstsüchtigen Motiven fußt. Wenn man sich also auf die Offenbarung des Mondes beschränkt und sich im Sonnenlauf zuerst um die Reifung seiner Persönlichkeit (I) seinen Lebensunterhalt (II), um das Lernen (III), um die Familie, Kinder und Wohlstand (IV, V, VI), kümmert, dann fallen einem in der zweiten Lebenshälfte die Früchte gleichsam in den Schoß. Doch wenn man solar egoistisch von Anfang an nach gesellschaftlicher Stellung strebt (VII), nach Sieg über Konkurrenten (VIII), nach Rolle in einer Ideologie oder Tradition (IX), nach Macht (X), nach Anerkennung (XI) oder Charisma (XII), so wird man diese zwar erreichen, aber da das Streben nicht selbstlos war, regrediert man nach dem Tod ohne Verdienst in eine niedere Inkarnation. - Schütze - Ketu
Wie steht es mit denen, die glauben, ohne eigene Bemühung einen Weg gefunden zu haben, einer echten Offenbarung teilhaftig geworden zu sein?
Sie haben den kürzesten Weg, wenn ihr Glaube der Wahrheit, dem Sanatana Dharma entspricht und sie den Ort Gottes kennen; sonst verfehlen sie die Befreiung. - Steinbock - Saturn
Was ist mit denen, die eine große Machtposition erreichen?
Gehen sie notwendig in die Irre, so wie es im Talmud heißt: im X. Haus sündigt er, oder im lutherischen Christentum, Satan sei der Fürst dieser Welt?
Sobald sie selbstlos ihre Majestät als Teil der Göttlichen erkennen und verwirklichen, gehen sie auch bei großer Macht nicht zugrunde, denn alle Macht kommt von Gott allein. - Wassermann - Pluto
Was ist nun diese Macht?
An dieser Stelle bittet nun Arjuna Krishna sich ihm in seiner Fülle, in seiner pleromatischen Gestalt zu offenbaren. Erst warnt ihn Krishna, aber dann wird er sichtbar: tausende von Augen, Armen, Köpfen und Gliedern vereinen sich zur schöpferischen Weltpotenz.
Wieder in der Gestalt des Wagenlenkers spricht Krishna: Wer Zugang zur göttlichen Schöpferkraft findet, darf nur als Freund in menschlicher Gestalt anderen soweit helfen, wie sie es ersehnen, und niemals mehr geben als sie gerade benötigen und fordern; dies ist der Weg der Fülle, des XI. Hauses und damit des Wassermann, wo das Pleroma offenbar wird. - Fische - Jupiter
Was ist aber nun mit jenen — der Mehrheit der Menschheit — die nicht fähig sind Anstrengungen zu machen, Disziplin zu üben und sich einem Weg anzuvertrauen?
Auch hier gibt es ein Heil durch die Bhaktis, die großen Liebenden, die Stifter der prophetischen und mystischen Religionen. Durch Glaube, Ritus und Nachfolge wird auch der Schwache durch Karuna, das göttliche Mitleid, ermächtigt, an der Begeisterung und dem Heil teilzuhaben, wie es Buddha, Christus und Mohammed vorgelebt haben, die im Übergang vom IV. zum V. Weltenmonat lehrten.
Wie die Offenbarung von Johannes, ist auch die Bhagavad Gita
eine Vorwegnahme der Wassermannzeit. Die weiteren Unterweisungen des Epos sind philosophisch, ich habe sie im Atlas des Rades
integriert. Das Epos bringt die Erkenntnis, wie der Aszendentenplanet an seinem Ort den Menschen befähigt, bereits auf der Erde an der Neuen Erde geistig mitzuwirken. So ist diese Lehre eine große Hilfe, um in der Welt doppelt zu leben, also nicht als entsagender Mönch, sondern als Mitarbeiter am Werk der Erde in der Wassermannzeit.
Der Astrologe kann auf einem der Wege sich und den anderen den Zugang zur Fülle der Offenbarung eröffnen. Aber das Leben hat nicht nur das Ziel der persönlichen Befreiung und Sinnfindung, sondern auch der Arbeit für die anderen. So muss nun aus der Kenntnis der Sonnenwelt des Großen Jahres die Himmelsleiter mit all ihren Gefahren zum Arbeitsfeld werden.