Schule des Rades

Arnold Keyserling

Wassermannzeit

VII. Ethik

Stufen der Entfaltung

Betrachten wir nun die Stufen der embryonalen Entfaltung in Zusammenhang mit der geistigen Öffnung in der Ordnung der Chakras:


Ida Sushumna · Pingala
7. Geist sprechen Befruchtung · Großhirn
6. Seele lesen Polarisation · limbisch
5. Körper tasten Organisation · Stammhirn
4. wollen hören Kreislauf · Herz
3. fühlen schmecken Stoffwechsel · Nabel
Geburt
1. denken riechen Atmung · Bewegungszentrum
2. empfinden sehen Bewegung · Sinneskoordination

Ida ist geistig und bestimmt die linke Körperseite, Pingala ist physiologisch und bestimmt die rechte. Körper und Geist werden durch die seelische Erfahrung der Seele vereint, Sushumna im mittleren Wirbelsäulekanal. Pingala und Ida verlaufen als Energiebahnen rechts und links des Rückenmarks.

Alle sieben Chakras sind Komponenten des Gewahrseins Buddhi, das durch den Buddha erweckt wurde.

  • Das Wesen existiert im Gewahrsein vor der Empfängnis. Mit der Befruchtung vereint es sich mit der Zweiheit von Same und Ei. Diese Stufe ist die Grundlage des späteren Geistes, der Fähigkeit neuer Erkenntnis.
  • Der zweite Schritt der Inkarnation ist Polarisation: die Chromosomen legen sich quer des Äquators der Urzelle, sie streben nach Vereinigung. Diese Stufe entspricht der späteren Entstehung des limbischen Systems als Fähigkeit der affektiven Beziehung in der Seele.
  • Die dritte Stufe ist die Bildung der drei Keimblätter mit den drei Schwerpunkten Entoderm, Mesoderm Ektoderm, indisch Tamas, Rajas und Sattwa geheißen — Trägheit, Leidenschaft und Heiterkeit — und die Organisation des Körpers, die nach 54 Zellteilungen beendet ist.
  • Die vierte Stufe ist der Beginn des Herzschlags und des Kreislaufs. Dieser wird zur Grundlage des Wollens.
  • Die fünfte Stufe bringt den Stoffwechsel und damit auch die Geburt; die Nabelschur wird getrennt. Der Stoffwechsel ist die Grundlage des Fühlens.
  • Die Geburt vollzieht sich zwischen Stoffwechsel und Atmung; dem Kind wird sein Horoskop als Struktur seiner Großhirnassoziationen mit dem ersten Atemzug eingeprägt.

Die Geburt ist dreifach schmerzhaft: Wehen, Austritt und Aufreißen der Bronchien. Diese drei bilden die Schwelle, die überwunden werden muss, um den Weg zurück zu beginnen.

  • Mit der Atmung, dem ersten Schrei erwacht das Denken. Die letzte Stufe, etwa drei Monate nach der Geburt vollendet, ist die Bewegungsfähigkeit und Koordination der Sinnesorgane.

Die Sinne entsprechen den Chakras: die Bewegung dem Sehen. Eine Bewegung wird erst veranschaulicht, bevor sie durchgeführt wird. Dem Atmen entspricht das Riechen, das die Unterscheidungsfähigkeit des Großhirns erzeugt; die Riechzentren der Nasenlöcher sind mit der gleichen Hemisphäre verbunden, andere Sinne mit der gegensätzlichen. Der Herzschlag wird durch das Hören erfahren. Der Tastsinn entspricht dem Stammhirn. Dem limbischen System mit seiner Unterscheidung von Lust und Schmerz und dem Erkennen der affektiv seelischen Bedeutung entspricht das Lesen. Das Großhirn ist Schwerpunkt des geistigen Sprechens, das die innere Wirklichkeit des Wesens als Vereinigung von Kraftleib, Lichtleib und Wortleib erschafft.

Für die Indianer ist der Kraftleib die elektromagnetische Aura, die den Körper bis etwa einen Zentimeter umgibt und die mit dem Leib über die Knie verbunden ist. Der Lichtleib hat den Umfang der Bewegung, wie sie der chinesische Tai Chi Chuan lehrt; seine Verbindung zum Leib sind die Fußgelenke. Der Wortleib ist die Krone oberhalb des Kopfes, das Höhere Selbst als Träger des Gewahrseins. Um dieses zu erreichen, gilt es die Chakras mit ihren Sinnen im Nacheinander zu erwecken, wie wir es in verschiedenen Büchern dargestellt haben.

Aus lauter Übung wurde für viele Menschen der Yoga zum Chakraklettern. Wenn man oben angelangt ist und der Körper in kataleptischer Starre verharrt, dann glaubt man etwas erreicht zu haben; in Wirklichkeit ist es nur der Tiefschlaf im Wachen. Daher war der entscheidende Schritt der indischen Religion die Entdeckung des Buddha, dass der Weg zur Erreichung des Gewahrseins des Buddhi auch direkt angepeilt werden kann.
Die entscheidende Wandlung des Buddhismus gegenüber dem Hinduismus kam durch die Einsicht, dass Buddhi, die Seinsvernunft, die Keimzelle jedes Wesens ist und sich nach Befreiung sehnt. So steht auch im späteren Buddhismus der Fischezeit der Bodhisattva über dem meditierenden Einzelnen, der nicht eher ins Nirvana eingeht, bis er nicht sein letztes Mitwesen befreit hat.
Aber der Buddha Gautama selbst, der die Befreiung jedes Wesens zu seinem Ziel erhob, ist bereits ein Vorläufer des Glaubens der Fischezeit. In der hinduistischen ethischen und mystischen Religion wurde seine Lehre resorbiert, es gibt kaum mehr indische Buddhisten. Die Botschaft des Durchstoßens zur Befreiung über die direkte Meditation wurde zur transzendenten Ergänzung der Ethik in China und Japan, bis sie in der Gegenwart auf der ganzen Welt ihren Wert wieder fand.

Arnold Keyserling
Wassermannzeit · 1988
Visionen der Hoffnung
© 1998- Schule des Rades
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