Schule des Rades

Arnold Keyserling

Wassermannzeit

II. Methexis

Hypnagogik

Der Zugang hierzu wird uns durch die Gehirnwellen verständlich, welche die Naturreiche in der Entsprechung von Bewusstseinsschichten erkennen und anpeilen lassen. Betrachten wir noch einmal die Gehirnstruktur: waagrecht ist das Gewahrsein zwischen links wachen und rechts träumen, vorne wollen und hinten denken. Senkrecht ist das Stammhirn auf die Schwerkraft bezogen, das Zwischenhirn auf den Austausch mit anderen gemäß den Parametern Lust und Schmerz und das Großhirn verlangt die Vereinigung der vier Schichten im Gewahrsein.
Letzteres ist also der Ausgangspunkt des Erwachens in seinem Wechsel zwischen Beobachtung und Erinnerung, der Urschwingung der Sekunde. Die weiteren Rhythmen ordnen sich nach der Schichtung im Rad von Osten nach Westen an.

32-64 Hertz
16-32 Hertz
8-16 Hertz
4-8 Hertz
2-4 Hertz
Aufmerksamkeit
Beta
Alpha
Theta
Delta
Gewahrsein
Wachen
Reflexion
Traum
Schlaf
Gott
Mensch
Tier
Pflanzen
DNS

Das Wollen wird aus dem Subjekt der Aufmerksamkeit getragen, welches überbewusst dem Gewahrsein entstammt. Das Durchschnittsbewusstsein ist tierisch. Es ist im arteigenen Ritual zwischen Arterhaltung und Selbsterhaltung gefangen. Nachdem das Wort die Mitte zwischen Wollen und Gott, Urkraft und Urlicht ist, können wir die Eigentätigkeit des Ich im REM-Traum der Reflexion lokalisieren: es ist meistens in den Assoziationen des Kreises gefangen.
In der Schlafforschung vermutet man, dass der REM-Traum in fünf Kurven verläuft. Jede Nacht wechselt man fünf Male durch die Schichten; die Reihenfolge der REM-Perioden beträgt bei achtstündigem Schlaf 7 · 14 · 21 · 28 · 35 Minuten.

H y p n a g o g i k

Der Mensch hat also innerlich an den Naturreichen Teil. Doch erfährt er sie in eigener Weise. Der Zugang zur Mineralwelt ist die Aufmerksamkeit in ihrem Wechsel von Yin und Yang, Oktave und Quinte. Die Aufmerksamkeit als Seinserbe im Sinne Hegels — sie entstammt dem Gewahrsein — bringt die Wahl des Wollens als Zuwendung zum beharrenden Mineral. Wie das Tier der Pflanze zugeordnet ist, so ist das Feld des Menschen die Materie. Er verkörpert sein Wesen im Gestalten, im Stein, im Metall und in der Schrift.
Gleich der Pflanze hat er im Traum Teil am Wechsel zwischen Aufrechterhaltung der Gestalt über die inneren Signale des Fühlens und an der Keimhaftigkeit, der Potentialität seines Körpers in prognostischen Träumen.
Gleich dem Tier lebt er im Stirb und Werde zwischen Reproduktion und Aggression im Rahmen seiner Gattung, die ihm in seiner seelischen Gruppe zugänglich ist, zu der er sich rechnet. Man kann die verschiedenen Menschenvölker und Sprachen der Fauna mit ihren vielen Tiergattungen gleichsetzen.
Im Wachen ist der Mensch zwischen empfinden der Sinnesdaten und der geistigen Vorstellung der Möglichkeit. Hier sind ihm sieben Zeitrhythmen zugänglich:

  • Der Mond im Monatszyklus der immer wieder neu auftauchenden Phantasie, die nach Vollendung drängt;
  • der Mars in seinem zweijährigen Umlauf als Möglichkeit, den Tod als Erbe zu akzeptieren und Neues zu beginnen;
  • der Merkur, der in seinem Vierteljahresrhythmus die vier Quadranten des Tierkreises unterscheidet, der urteilt und handelt;
  • der Jupiter der Integration, der Fülle und des Sinnes, dessen Spiegel der zwölfjährige Ritus der Chinesen ist;
  • die Venus des Gestaltens mit dem Zeitabschnitt von zwei Drittel Jahren;
  • der neunundzwanzigjährige saturnische Rhythmus des Wechsels der Generationen, die Dialektik zwischen Alten, Erwachsenen und Kindern in den verschiedenen Verantwortungsbereichen: lernen, sich bewähren und lehren;
  • und die Sonne, in der der Mensch ganz er selbst sein kann und im Strahlen seines Wesens andere anerkennt und bestätigt.

Dieser Rhythmus hat seinen Niederschlag in der Woche gefunden. Doch beschränkt sie sich auf das Wachen. Im REM-Traum mag aber auch die überpersönliche Aufgabe erscheinen, die durch die drei Denkplaneten bestimmt wird, deren Zeitlauf nicht dialektisch erkannt, sondern als Rahmen angenommen werden muss.

  • Der Uranus entspricht dem Quintenzirkel und dem Lebenskreis. Die zwölf Abschnitte, die wir früher schilderten, sind offene Programme, die nur dann einrasten, wenn man sich um sie bemüht. Sich um sie zu bemühen, heißt bereits zu wissen, dass sie die volle Entfaltung der Anlage zum Ziel haben. Die menschliche Existenz wird durch vierundachtzig Jahre als Verwirklichungsrahmen umfasst. Der einzelne kann aber in jeder Stufe scheitern und hat es dann nur bis zu dieser gebracht. Er kann nicht mehr erreichen, als den uranischen Rahmen zu erfüllen; wird er älter als vierundachtzig Jahre, so beginnt der Lebenskreis von neuem. So setzt die Anjochung des Uranus die Erkenntnis der Reinkarnation voraus, die so lange auf Erden stattfindet, bis der Mensch alle planetarischen Faktoren in seiner Existenz integriert hat.
  • Uranus schafft den Rahmen der persönlichen Geschichte im Wechsel der Themen und Aufgaben. Neptun dagegen mit 165 Jahren Umlauf bildet den Rahmen der kollektiven Geschichte. Viele möchten leben, als ob sie niemals Eltern gehabt hätten. Aber der einzelne wird genetisch bestimmt durch vierzehn Vorfahren bis zu den Urgroßeltern, also durch die Eltern und Großeltern sowohl der Mutter als auch des Vaters. In seiner Potentialität muss er ihre Mängel und Leistungen als Aufgabe einbeziehen, um nicht an ihnen zu scheitern. Hierzu gibt es viele Überlieferungen, die eine verschiedene Gestalt aufweisen, aber alle den selben Sinn haben: vor Erlösung der vierzehn Ahnen wird der plutonische Entwurf nicht zugänglich.
    Zwölf Umläufe des Uranus war die Dauer der drei römischen Reiche: Westrom, Ostrom und das Heilige Römische Reich deutscher Nation zwischen der Kaiserkrönung Karls des Großen, 800, und der Abdankung Kaiser Josefs 1806. Dreizehn Umläufe hat der Neptun in einem Weltenmonat; der dreizehnte der Fischezeit, von der französischen Revolution bis zum Ende des zweiten Weltkriegs, gilt in der germanischen Überlieferung als Dunkelwaltung, da die alten Formen zerstört und die neuen vorbereitet werden. Wer in einer solchen Epoche lebt, muss sich auf seine eigene Existenz beschränken, da alle kollektiven Impulse zerstörend sind. Ohne diese Dunkelwaltung würde es aber zu lange dauern, bis der neue plutonische Ansatz erreichbar wird.
  • Uranus und Neptun folgen dem Sinn des Tierkreises; Pluto dagegen geht vom Wassermann aus und zeigt rückläufig in einem Weltenmonat neun Kulturabschnitte von je 245 Jahren:
    9 Pluto, Konzeption, Entwurf des neuen Aions.
    8 Saturn, staatliche Verwirklichung.
    7 Mars, Auseinandersetzung mit der vorigen Form und deren Überwindung.
    6 Neptun, Schaffen des neuen Gemeinschaftsgefühls.
    5 Merkur, wirtschaftliche Artikulation.
    4 Mond, Vertiefung der Lebensqualität und des Wohlstandes.
    3 Uranus, Ausbildung der Schulung.
    2 Venus, künstlerische Ausformung.
    1 Jupiter, Vermächtnis und Opfer.

Wir sind am Ende der medizinischen Entfaltung der Fischezeit, reichsmäßig in Beziehung zum Jahr 1906, neptunhistorisch in Entsprechung zu 1822 und kulturell zum Jahr 1743.

Die sieben Planeten der Woche sind im Alltag des Wachens zu integrieren. Doch um die Denkplaneten zu verstehen, müssen wir als Grundlage des Gewahrseins das Weltenjahr begreifen. Es entsteht astronomisch durch die Präzession des Frühlingspunktes. Die Erdachse beschreibt einen Kreis im Sternbild des Drachen. Der Frühlingspunkt verschiebt sich rückläufig in 72 Jahren um ein Grad, in 2.160 Jahren um ein Zeichen als Konstellation, und in 25.920 Jahren um den ganzen Kreis. Diese letzte Zahl zeigt die natürliche Einbindung des Menschen in das Große Jahr: es ist die Anzahl der Atemzüge (18 pro Minute) an jedem Tag des Lebens, und der Atem ist die physiologische Grundlage des Denkens.

Arnold Keyserling
Wassermannzeit · 1988
Visionen der Hoffnung
© 1998- Schule des Rades
HOMEDas RAD