Schule des Rades
Wilhelmine Keyserling
Wassermannzeit
X. Riten der Wassermannzeit
Einführung
Als wir 1962 aus Indien nach Wien zurückkehrten, bildete sich um uns bald wieder eine Gruppe philosophisch Interessierter, die an unseren Forschungen und Bemühungen um die ganzheitliche Vision der Wassermannzeit teilnahmen: über Vorträge, Yoga, Seminare aller Art von Psychologen, Yogis, bis zu den Indianern, die wir einluden, um uns in ihre Methoden und Lehren zu vertiefen. Bald entstand der Studienkreis Kriterion der heute noch unser Forum bildet.
Als die Mitglieder des Peter Brook Teams ICK
in Wien aufführten, stellten wir ihnen unser Studio für Konzentrationsarbeit vor den Vorstellungen zur Verfügung, an der ich teilnehmen durfte. Sie wurde von einem buddhistischen Mönch geleitet; Körperübungen und japanische Gesänge bereiteten die Basis der Aussprachen zwischen den Schauspielern, die dann beim Tee mit einer wunderbaren Ruhe und Intensität vor sich gingen. Von der Arbeit ergriffen, hatte ich eines Abends eine Frage an diesen jungen Lehrer; er stellte die Gegenfrage, was wir hier tun und wer wir sind. Ich erzählte vom Rad, von unserer Körperarbeit und Meditation. Haben sie Riten fragte er und ich verstand, dass er meinte, ohne von Raum und Zeit getragener Form und Gestalt einer gemeinsamen geistigen Besinnung könne sich die Religion des Rades nicht entfalten.
Mir war diese Anschauung überraschend. Zu der Zeit war das Neujahrsfest unser einziger Ritus. Die Intention, von Jahr zu Jahr in die neue Zeit hineinzuwachsen, sie zu ergreifen, wurde von uns mit einigen Freunden in einem Fest verkörpert. Manchen waren es Meilensteine auf ihrem Weg, anderen bedeutete es damals nicht mehr als ein schönes Gschnasfest. Den Häuserkreis in zwölf Tagen durchzuleben war anfangs ein Versuch, das theoretische Verständnis mit der Erfahrung in Beziehung zu setzen. Allmählich wurde er zu einem Ritus. Ritus bedeutet eine raumzeitliche Abfolge, mittels derer sich die andere Welt in dieser manifestieren kann. Ritus ist also ein gemeinsames Tun, auf dass Sinn und Leben, Tao und Te zusammenwirken.
Die drei gemeinsamen Riten, die sich aus der Suche des Wassermannmenschen nach Selbstverständnis in Beziehung zu Erde und All ergeben haben, sind ein Rahmen, in dem sich das Unerwartete ereignen, in dem Kraft und Licht jedem seiner Art entsprechend zukommen kann.